Durch die diversen Designerabgänge und -wechsel der letzten Wochen und der aktuellen Schieflage mancher Luxusabsatzmärkte entbrannten – auch auf einige unserer Beiträge – Diskussionen um die Werte und Handlungsweisen der Konzerne. Der Rhythmus der immer mehr werdenden Kollektionen, die Diversifikation, die mangelnde Authentizität und die Qualität in Hinblick auf immer kürzer werdenden Entwicklungs- und Produktionszeiten lassen bei vielen Zweifel aufkommen, ob die Labels überhaupt noch das halten, was sie versprechen.
Nicht nur die Designer stehen unter Druck, um in immer kürzerer Zeit Kollektionen – die immer spektakulärerer und umsatzträchtiger werden sollen – zu kreieren. Auch der modeinteressierte Konsument wird durch das Überangebot immer abgestumpfter und orientierungsloser. Kaum gezeigt, wird eine Kollektion durch die nächste abgelöst. Wenn die Entwürfe dann final im Laden hängen, sind die Kunden schon längst wieder von der nächsten Zwischen- oder Hauptkollektionen abgelenkt. Das, was eigentlich neu ist, ist in Gedanken schon wieder passé. Das Problem: Luxusmode im Takt der Massenkonfektion und Billiganbieter funktioniert eben nicht. Sie war auch nie so gedacht und hat selbst die Firmen, die nur unter dem Druck handelten, um mit ihren Konkurrenten gleichzuziehen, in die Bredouille gebracht, günstiger und nicht mit den Qualitätsmaßstäben zu produzieren, die sie sich einst auf die Fahne geschrieben haben – Qualität, die eben eine Luxus- oder Highendmarke vom übrigen Genre unterscheidet.
Drei Faktoren, die den Kern der europäischen Modehäuser ausmachen, traten in den vergangenen Jahren bei einigen Marken durch Fehler des Managements immer mehr in den Hintergrund: Sämtliche Weltmärkte konsumieren aufgrund der kulturellen Wurzeln und der engen Verbundenheit zum Stil des jeweiligen Designers. Wichtig ist auch der „Made in Europe“-Faktor der Produkte und Kreationen, allein schon um sich ein Teil dieser Kultur zu erwerben. Warum sollte ein Chinese ein T-Shirt eines italienischen Brands kaufen, wenn es in seinem Heimatland produziert wird – nur mit dem Unterschied, dass hier der fünffache Preis verlangt wird?
Die Marken, die ihre Kollektionen in immer ferneren Ländern produzieren lassen, stellen dazu noch fest, dass ihre Sachen in den gleichen Produktionsstätten hergestellt werden, wo auch Marke X oder Y produziert. Die gleichen Stoffe werden dort verarbeitet und die Machart ist ähnlich. Eine Kette, die kein Ende hat und die sich zwangsläufig – in Relation zu der sich verknappenden Zeit – negativ auf die Qualität auswirkt und noch zu immer größerer Vergleichbarkeit führt.
Aber genau genau hier liegt auch eine Chance: Wenige, meist kleinere oder privat geführte Marken grenzen sich von dieser Entwicklung ab und verstärkten oder bauten ihre Fertigungsbetriebe in Europa aus. Hermès, Dries van Noten oder CHANEL sind solche Beispiele, die durch den Zukauf der Paraffections-Betriebe handwerkliches Know-how erhalten und sich so für die Zukunft wappnen.
Gerade bei einer jüngeren Generation, die mit Massenmarken und Discountern aufgewachsen ist, macht sich, zumindest in Europa, eine Gegenbewegung zur Nachhaltigkeit und zum Qualitätsbewusstsein breiter – auch aus der Gewissheit heraus, dass bei uns die Arbeitsplätze gerade in der Bekleidungsindustrie – egal ob in der Kreation oder Fertigung – immer mehr abnehmen. In Frankreich, England und Italien finden schon Initiativen zum bewussten Konsumieren von Produkten „Made in France“ oder „Made in Italy“ statt …
Die Diversifikation der Modebrands in verschiedene Linien, meist mit preislichen Unterschieden verbunden, führen bei den Kunden zu Verwirrungen und zwangsläufig zu Überschneidungen. Für die Firmen sind die Unterlinien extrem aufwendig und mit Pech kannibalisieren sie ihre Hauptlinien. Bei Dolce & Gabbana besann man sich bereits und man konzentriert sich dort wieder auf die Hauptkollektionen, um so Schwerpunkte setzen zu können. Dieser Entschluss kam wahrscheinlich auch aus der Erkenntnis heraus, dass man nicht jeden bedienen kann und will, weil sonst eine Verwässerung der Marke droht. Die Markenwerte und deren Inhalte sind wie das Herz der Luxusbrands, die nicht nur die Authentizität und die Begehrlichkeit ausmachen, sondern auch – da ja hinter den meisten Brands nicht mehr der Inhaber oder Namensgeber steckt – das Kapital ist, was auf keinen Fall angetastet oder gefährdet werden darf. Wenn nicht so eine Identifikationsfigur, wie beispielsweise CHANEL oder Fendi mit Karl Lagerfeld, der seit 30 bzw. 50 Jahren für die Marken verantwortlich ist, für das Label arbeitet, sind das Werte, die mehr und mehr wichtig werden.
Viele Firmen wissen, dass sie etwas in der nahen Zukunft ändern müssen. Die Zauberwörter sind eigentlich Entschleunigung, Konzentration und die Rückkehr zu ehrlicher, national oder europäischer Fertigung und die Besinnung auf den Unterschied zwischen Prêt-à-porter und Luxusschneiderei. Dazu müssten aber vorübergehende Gewinn- und Umsatzeinbußen in Kauf genommen werden. Auch müssten zeitig die nötigen Gegebenheiten veranlasst werden – Handwerk und Produktion sind nicht aus dem Stand multiplizierbar.
Doch es gibt auch Leuchttürme in der Branche, die unbedingt herauszustellen sind. Denen geht es nicht nur darum, einen wichtigen europäischen Wirtschaftsfaktor zu erhalten (in Frankreich ist die Luxusindustrie nach der Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig), sondern auch die Kreativität und die Kultur des Handwerkes der „schönsten Nebensache der Welt“, wie Coco Chanel sie einmal nannte, in die Zukunft zu führen.
Seit Jahren schon, und das mit dem typischen britischen Understatement, geht das englische Unternehmen Burberry einen völlig eigenen Weg, der mit sehr viel Strategie und gesundem Zukunftsblick die Entwicklungen verfolgt und darauf reagiert. Das 1856 von Thomas Burberry gegründete britische Label steht nicht nur als Synonym für den Trenchcoat oder seine berühmten Tartan-Schals. Burberry steht als größte britische Luxusmarke mit einer besonnen und soliden Geschäftspolitik da. Seit 2001 zeichnet sich Christopher Bailey nicht nur für die Kollektionen verantwortlich, sondern rückte auch in den Vorstand auf – ganz ohne Skandale. Während in anderen Modehäusern ständig Fluktuation bei den Designern herrscht, scheint Bailey immer fester im Sattel zu sitzen und zur Zufriedenheit aller zu agieren. Unter ihm bekam Burberry ein internationales Image als Modehaus. Bailey orientiert sich nah an der britischen Tradition und deren Werte und spielt in seinen Kollektion häufig mit ästhetisch hochwertiger Exzentrik. Er erkannte früh die Zeichen der Zeit – das Käuferverhalten hat sich geändert und der Reiz der Marke ist eng mit England und seiner Kultur verbunden. Bailey wusste, dass genau das der Mehrwert ist, um als Marke global attraktiv zu sein.
Christopher Bailey, dem man damals übrigens keine große Verweildauer bei seinem neuen Arbeitgeber zugeschrieben hat, bildet bei Burberry immer einen Vorreiter. Nicht nur, dass er vor einigen Jahren die Schauen für die Burberry-Linien wieder nach London holte und damit die London Fashion Week zum Must-see auf dem Schauenkalender machte. Bailey arbeitet mit vielen britischen Künstlern zusammen und lässt sich von Figuren und Bewegungen der britischen Kultur inspirieren. Doch besonders hervorzuheben ist, dass Burberry schon seit Jahren verstärkt in die Rückholung von Produktionsstätten auf die britischen Inseln investiert. So ist es fast eine Selbstverständlichkeit, dass das Label eng mit schottischen und englischen Strickern und Webern zusammenarbeitet und in den vergangenen Jahren ganz nebenbei immer stärker den „Made in Britain“-Gedanken in den Vordergrund stellt.
Bei ihrer jüngst lancierten „Scarf Bar“ stellte Burberry die englischen Produktionsstätten vor, in denen die Schals auch personalisiert werden können. Das Handwerk und die Tradition des britischen Textilhandwerks steht immer mehr im Vordergrund. Signifikant für eine Nation, die immer schon für Individualität stand und seit der Industrialisierung mit hoher Arbeitslosigkeit kämpft, vor allem in den ländlichen Regionen zu Selbsthilfe zu greifen und den hohen Qualitätsstandard kontrollieren und steuern zu können.
Doch nicht nur die Marke Burberry selbst steht für eine zeitgemäße Langlebigkeit. Jeder, der einen Trenchcoat kauft, erwartet zurecht, dass sein Kauf Jahrzehnte hält. Die britische Oberschicht agiert immer noch aus der Tradition heraus, zumindest bei der Herrengarderobe, lebenslang seine Sachen zu tragen oder sogar zu vererben. Typisches britisches Understatement eben …
Ab dem nächsten Jahr werden die Linien „Burberry Prorsum“, „Burberry Brit“ und „Burberry“ einheitlich unter dem Label „Burberry“ präsentiert und verkauft. Der Name, der für das Haus steht, zeichnet dann alle Produkte aus und der Kunde wird nicht mehr durch die Vielfalt verwirrt. „Heute gibt es keine Unterscheidungen mehr“, so sagt Bailey selbst, und der Kunde, der sich von einem Teil von Burberry Prorsum angesprochen fühlt, kauft sich vielleicht auch etwas aus der Brit-Kollektion. Burberry spricht zukünftig eine einheitliche Sprache und versendet die gleiche Botschaft und Werte, die dem Markenkern entsprechen. Damit folgt das Haus nicht nur einer wohltuenden Entschleunigung und Konzentration, sondern bietet auch eine klare Markenbotschaft und das konsequente Bekenntnis zu sich selbst. „The label also emphasises Burberry’s British design heritage noting as it does that all the products are designed and developed in London, England“, sagt Christopher Bailey.
Zusätzlich investiert Burberry 50 Millionen Pfund in die eigene Zukunft, indem in Leeds in der Grafschaft Yorkshire eine Produktionsstätte für die berühmten Trenchcoats gebaut wird. Eine Region, in der seit über hundert Jahren für Burberry gearbeitet wird. Eine Manufaktur, in der vom Weben des Stoffes bis zum Zuschnitt und der Verarbeitung nach handwerklichen Traditionen und mit der Ethik, die ein Burberry Produkt erfordert, gearbeitet. 2019 wird in Leeds die Produktion aufgenommen.
Damit sind die Briten den meisten Kollegen auf dem Festland weit voraus und man kann sich in diesem Fall nur wünschen – schon im Interesse der europäischen Wirtschaft – dass sich davon mal in einer Branche, in der gnadenlos kopiert wird, der ein oder andere etwas abschaut und den gleichen Mut und die Weitsicht zeigt. Burberry ist auf jeden Fall für die Zukunft gerüstet.
Wie schön es zudem ist, in Europa zu produzieren, zeigen unsere Bilder – denn merke: Was schön ist und mit Liebe produziert wurde, strahlt das nicht nur aus, sondern dankt auch noch mit wunderbarem Tragekomfort.
Luxus erkennt man nicht am Label, sondern im Alltag, wenn man das Teil trägt. Und eines haben die sympathischen Briten kapiert: Qualität sichert Existenz.
Siegmar
5. November 2015 at 15:59toller Artikel, der Gedanke alles wieder unter dem Label “ Burberry “ zu verkaufen finde ich absolut richtig. Diese 2 u. 3 Linien um irgendwie noch Umsatz abzugreifen und das meist zu Lasten der Qualität ist völlig überflüssig. Hat man in den 90zigern bei Calvin Klein gesehen, selbst auf dem Wühltisch bei 2 Metro “ lag CK rum. Mich nerven auch diese ganzen zusätzlichen Labels, dauert nicht mehr lange, dann bietet „Humana“ auch noch eine 2. Linie an. 😉
René
5. November 2015 at 17:24In Baileys Zitat heißt es ‚designed‘ und ‚developed‘, ein Made findet sich da aber nicht. Ich glaube nicht, dass Megabrands wie Burberry Umsatzerwartungen und ethische Ziele wirklich unter einen Hut bekommen können. Es ist doch sehr viel Marketing-Blabla
PeterKempe
5. November 2015 at 17:32@Rene
Nein, gemacht wird es ja auch nicht in London, sondern in der Grafschaft Yorkshire – das steht weiter unten im Artikel. Es ist aber ein Anfang. Dass sie was verkaufen wollen, ist klar!
René
5. November 2015 at 18:25Nun macht ja aber Burberry nicht nur den Trench, sondern ein bietet ein Vollsortiment von der Socke bis zum Wintermantel an.
Klar ist eine Trenchfabrik ein Anfang, aber letztendlich zählt die gesamte Öko- und Sozialbilanz und da bezweifle ich eben, dass es alles so gut funktioniert wie man es gerne glauben machen würde.
Monsieur_Didier
5. November 2015 at 22:37…es ist ein erster, sehr richtiger Schritt…
ein solch großes Unternehmen kann nicht von einer Saison auf die andere alles komplett umstrukturieren…
mich überzeugen die ganzen Unterlinien und Cruise-Tralala-Kollektionen auch nicht…
das ist irgendwie nur der verzweifelte Versuch nach Abgreifen von mehr Umsatz…
aber ein Budget für Kleidung läßt sich halt auch nur einmal verteilen…
wenn ich 1000 € habe und immer mehr Linien, dann verteilt sich das in immer kleineren Summen…
ich bin fest davon überzeugt, dass das die meisten Konsumenten nur verunsichert…
aber das steht auf einem ganz anderen Blatt…
zur Sicherung der Qualität und zur Sicherung der Dachmarke und zum überzeugenden Markenauftritt ist dieser Schritt logisch, schlüssig und der einzig wahre…
London Collections Men: Burberry Autumn/Winter 2016 | Horstson
13. Januar 2016 at 10:29[…] es in der jetzigen Präsentation von Christopher Bailey für Burberry. Wie das Haus bereits im Herbst verlauten lassen hat, wurden die einzelnen Linien des Traditionshauses Burberry Prorsum, Burberry Brit und Burberry zu […]