Auto

Unterwegs mit … Rolls-Royce

Standesgemäß vorgefahren – Wenn man den Namen Rolls-Royce hört oder liest, geht es ganz schnell los mit dem Kopfkino. Dann blitzen tausende Gedanken auf, in meinem Fall das ikonische Ghost-Modell aus alten Hollywoodfilmen. Den glänzenden Lack mitsamt Kühlerfigur auf der Vorderfront? Gibt’s für mich eigentlich nur im Film! Berührungspunkte hatte ich nie, vermutlich nicht ganz meine Gehalts- geschweige denn Gesellschaftsklasse. Umso erfreulicher, dass ich vor kurzem die Möglichkeit hatte, in die Welt des britischen Traditionshauses einzutauchen. Grund hierfür ist das temporäre Rolls-Royce Studio am Neuen Wall 64 in Hamburg. Hier wird man nicht streng gemustert, sondern mit freundlichen Worten in Empfang genommen.
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Vor Ort durfte ich den CEO Torsten Müller-Ötvös und den Regionaldirektor Peter-Paul Schoppmann (Deutschland, Ost- und Nordeuropa) zum kurzen Tête-à-Tête in einer überschaubaren Journalistenrunde treffen, so eine Möglichkeit lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Schweißgebadet renne ich also von der Vorlesung zum Showroom, komme gerade noch rechtzeitig an und werde von den Modellen Dawn, Wraith und Ghost in Empfang genommen. Ich stehe da erst einmal mit offenem Mund und mache Fotos, von Berührungsmomenten keine Rede – fühle mich wie ein ziemlich kleiner Elefant im überdimensionierten Porzellanladen. Kaum drei Schritte weitergegangen, erhält man schon Einblick in die Entstehungs- und Gestaltungsprozesse von Rolls-Royce.
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Bevor ich mich jedoch näher mit den eigentlichen Fahrzeugen beschäftige, mache ich einen Abstecher zum Bespoke Atelier. Hier kann man sich die schier unzähligen Möglichkeiten der Individualisierung vor Augen führen und ja: auch anfassen. Ich patsche in bester Kleinkindmanier alles an und bin begeistert von der Haptik. Feinste Leder, Hölzer, Farbmuster, Garne und Accessoires. Schoppmann scheint meine Gedanken lesen zu können und setzt zum Gespräch an: „Die Themen Individualisierung und Exterieur- bzw. Interieurgestaltung sind enorm wichtig für uns. In den Bereichen kennen wir fast keine Grenzen – wir orientieren uns an den Wünschen der Kunden. Das Interessante ist, dass der deutsche und arabische Markt mit Abstand die größten Individualisierungsraten verzeichnen.“

Ich frage natürlich näher nach: Das müsse er bitte näher erklären… „Wenn sich hier hierzulande jemand für einen Rolls-Royce entscheidet, verzichtet er selten auf eine ganz persönliche Note und lässt sich somit ein personifiziertes Kunstwerk erschaffen. Alle erdenklichen Umsetzungen kommen dabei zustande. Es gab schon Kunden, die ihren eigenen Baum mitgebracht haben. Die haben dann ganz bestimmte Vorstellungen und wir versuchen natürlich deren Wünsche umzusetzen.“ Ein Baum im Auto verarbeitet? Ich möchte noch mehr Kuriositäten hören! „Dann gab es mal einen Kunden, der einen Edelstein in sein Modell eingebaut haben wollte. Nicht irgendwo irgendein Steinchen, sondern in der Uhr des Rolls-Royce.“

Der Stein wurde im Übrigen wirklich eingebaut, ich habe mich extra noch einmal zurückversichert. Mittlerweile habe ich auch weniger Berührungsängste und ich schaue mir die Fahrzeuge genauer an: Rolls-Royce-Alleinstellungsmerkmal schlechthin? Die mythenumwobene „Spirit of Ecstasy“! Die Kühlerfigur wird ganz genau von mir inspiziert, für einen kurzen Moment ertappe ich den Autofan in mir. Ich nehme jedes winzige Detail in Augenschein und lasse mir sogar den Rolls-Royce V12-Motor erklären – absolutes Neuland. Anschließend stelle ich mich zu Müller-Ötvös und Schoppmann, die jede Menge zu berichten haben. Los geht’s…
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Als erstes erfahre ich von dem Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös, dass es bislang nur vier Vertretungen deutschlandweit gibt: Berlin, Dresden, Köln und München. Und klar, mit dem temporären Studio geht natürlich auch einher, dass man sich längerfristig eine Dependance im Norden sucht. Es wird diskret angemerkt, dass es vor Ort ganz bestimmt eine kaufkräftige Klientel geben würde. Meine ziemlich naive Rückfrage: Was kostet denn so ein Modell? Schoppmann zeigt auf ein Cabrio im Studio und antwortet: „Ab circa 330.000 Euro!“ Ich schlucke und frage doch lieber Fragen, die näher an der Realität orientiert sind und für Horstson interessant sein könnten wie z.B. greifbarer Luxus.

Müller-Ötvös denkt kurz nach und antwortet erstaunlich persönlich: „Luxus ist für mich hochgradig immateriell. Klar, materielle Güter sind immer auch Bestandteil davon. In erster Linie ist das für mich aber etwas, woran man sich erfreut. Man berührt gewissermaßen seine Seele und hat damit etwas, was einen einzigartig macht. Wenn man mich persönlich fragt, antworte ich immer: Luxus? Das ist für mich Fliegenfischen! Wenn ich Zeit finde, um in England fischen zu gehen, kann es nur ein fantastischer Tag werden.“ Gerade in Anbetracht dessen, dass ich seit meinem Ausflug nach St James, London, selbsternannter Fliegenfischerexperte bin (den Artikel über das Viertel in London gibt’s hier zum Nachlesen), haken wir in kleiner Journalistenrunde genauer nach:

„Luxus hat immer etwas mit Handwerk zu tun. Ich behaupte an dieser Stelle mal, und vielleicht hört sich das etwas spirituell an, dass unsere Fahrzeuge gerade so berühmt sind bzw. sich bewähren, weil sie von Hand gefertigt werden. Circa 60 Mitarbeiter arbeiten an der Fertigung eines Rolls-Royce – 800 Stunden intensive Auseinandersetzung mit dem Fahrzeug. Als Fahrer fühlen sie das, merken, dass hier nichts ‚einfach zusammengeschweißt‘ ist. Dasselbe gilt für Liebhaber von Vollmechanik-Uhren und Lederwaren verschiedener Traditionshäuser.“ Der CEO lächelt immer wieder und wirkt keine Sekunde so, als ob er reine Marketingfragen beantworten müsse. Meine Chance mehr über ihn als Person herauszufinden: Thema Ratschläge, das passt doch immer gut! Großes Gelächter. „Bei der Frage muss ich jetzt erst mal einen Schluck Wasser trinken!“, Fortsetzung Gelächter.

Ich finde die Frage gar nicht mal so unpassend und bin gespannt auf seine Antwort: „Mein Grundethos? Sei immer ehrlich. Vor allem musst du deinem Gegenüber und dir selbst ehrlich sein! Jeder weiß bei mir, woran er ist. Man muss sich schließlich jeden Morgen im Spiegel anschauen und sich daran erinnern, dass man sein Leben nicht für andere führt. Warum sollte man nur das machen, was andere von einem wollen? Ich verbiege mich nicht! Dieser Ratschlag ist mir persönlich extrem wichtig und bislang bin ich damit immer sehr gut gefahren. Keinesfalls hat das nur was mit Rolls-Royce zu tun, das ist meine Grundphilosophie!“
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Finde ich einen guten, sehr guten Gedanken. Jetzt wollen wir natürlich doch noch mal über den eigentlichen Grund des Termins sprechen: Rolls-Royce in Deutschland. „Vor fünf, sechs Jahren haben wir hier in Deutschland nicht mal 20 Autos verkauft. Das ist heute ganz anders! Klar, die Deutschen tragen eher den Nerz nach innen. Es ist offenkundig bekannt, dass der Markt im Middle East zum Beispiel ganz anders funktioniert, Statussymbole ganz anders gezeigt werden. Generell erfreut sich unsere Maßabteilung in Goodwood, das sogenannte Rolls-Royce Bespoke-Programm, weltweit großer Beliebtheit. Peter hatte ja soeben schon einmal das Thema Individualisierung angesprochen: Rolls-Royce-Kunden können und sollen ihre Fahrzeuge ganz nach ihrer eigenen Wünschen ausstatten. Dieser Gedanke ist fest in unsere Firmengeschichte verwurzelt und findet sich auch in diesem Zitat von Sir Henry Royce wieder.“

Er zeigt auf die gegenüberliegende Wand des Bespoke-Ateliers, ein kluger Gedanke prangt dort in Lettern: „Strebe nach Perfektion, in allem, was Du tust. Nimm das Beste, das es gibt, und mache es besser. Wenn etwas noch nicht existiert, schaffe es!“ Die Worte des Autobaupioniers und Gründer von Rolls-Royce sagen mir definitiv zu und bleiben auch im Anschluss an das Treffen in meinem Kopf hängen.

Müller-Ötvös kommt noch einmal auf die Unterschiede der einzelnen Märkte zu sprechen, gespannt höre ich zu, was er zu berichten hat: „Ich glaube es war und ist ganz wichtig, dass ich mit Peter (Anm. d. Red.: Peter-Paul Schoppmann) einen Deutschen im Team habe und nicht einen Engländer oder irgendjemand, der den deutschen Markt nicht wirklich kennt. Man muss ein gewisses Verständnis für die jeweilige Kultur des Landes mitbringen und so verfahren wir mit unseren regionalen Teams auch weltweit. Unser Chef in China ist daher auch ein Chinese, ähnlich ist das in den anderen Märkten auch – man verpasst vieles, wenn man die Sprachen der Länder und Kulturen nicht spricht.“ Noch so ein Gedanke, den ich im Kopf behalten habe und als sehr treffend formuliert erachte.

Der sympathische Chef des Unternehmens hat zudem eine sehr humorvolle Seite, so schiebt er schnell noch hinterher: „Zurecht könnten Sie jetzt auch fragen, was ein Deutscher an der Spitze von Rolls-Royce verloren hat…“ Fragt jedoch keiner, denn alle im Raum wissen, dass der sprachgewandte CEO ein Genie in seinem Feld ist. So war er z.B. maßgeblich dafür verantwortlich, MINI in den frühen 2000er-Jahren weltweit ins Leben zurückzurufen. Ein voller Erfolg, der ihn in der Automobilbranche und gerade bei der BMW-Gruppe zu einer Koryphäe erhoben hat. Zudem habe ich unerwähnt gelassen, dass Rolls-Royce mehr als zuversichtlich in die Zukunft blickt und seine Zielgruppe dabei verjüngen und ausweiten will – wer passt da besser als jemand, der MINI einen globalen Wiedererkennungswert verpasst hat?
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Ich könnte noch Stunden Fragen stellen und möchte eigentlich nicht zurück in die Universität. Bevor ich die Möglichkeit verpasse, nehme ich noch das Angebot einer exklusiven Probefahrt an und sitze prompt hinter dem Steuer des Ghost-Klassikers. Kneif-Mich-Mal-Moment im Superlativ, langsam wie eine Schnecke mache ich mich auf den Weg durch Hamburgs Straßenschluchten und fahre an der Alster entlang, diesmal nicht mit dem Fahrrad. Ich habe Blut geleckt, zumindest bei der spannenden Unternehmensgeschichte von Rolls-Royce. Ich weiß nicht, wie versiert Ihr bei dem Thema seid, aber es gibt noch jede Menge weitere Details zu entdecken (die an dieser Stelle einfach keinen Platz finden würden). Gerne würde ich die Möglichkeit nutzen, bald mal beim Firmensitz in Goodwood vorbeizuschauen und ein längeres Gespräch mit Torsten Müller-Ötvös führen zu können. Würde euch ein solcher Einblick oder vielmehr ein Manufakturbesuch der etwas anderen Art gefallen?

Wer schon immer mal eines der Luxus-Luxus-Fahrzeuge hautnah erleben wollte und einen Blick hinter die Kulissen von Rolls-Royce werfen mag, kommt vorbei! Das temporäre Studio bleibt noch den ganzen Sommer, sprich bis zum 30. September, am Neuen Wall. Ich freue mich über Euer Feedback und wünsche Euch eine schöne Zeit!

Rolls-Royce Studio
Neuer Wall 64
20354 Hamburg
Mo-Fr 10:00 bis 19:00 Uhr
Sa 10:00 bis 18:00 Uhr