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Nils Kaesemann und Ralf Schmidt, die Gründer von Coblens, im Interview

„Pinkelpause“, „Mittelleitplanke“, „Radarfalle“ – das, was des Autofahrers Leid ist, verspricht für Brillenträger größte Freude: Nils Kaesemann und Ralf Schmidt, die Gründer des Brillenlabels COBLENS sind nicht nur in der Namensgebung ihrer Brillen äußerst kreativ – auch das Design fällt ins Auge und bleibt im Gedächtnis hängen.
Wir trafen Nils Kaesemann und Ralf Schmidt im Rahmen der opti 2017 zum Gespräch über den Flair der 80er Jahre, über Brillentrends und warum der Onlinevertrieb für sie undenkbar wäre …

Hallo Ralf, hallo Nils, erzählt ein wenig über Euch – wie habt ihr Euch gefunden?
Nils Kaesemann: Als Freunde kennen wir uns tatsächlich aus dem Sandkasten im Kindergarten in unserer Heimat an der Mosel.
Ralf Schmidt: Nachdem wir die Schulzeit hinter uns gebracht haben, wurde dann 1991 eine Firma für den Import und Verkauf von Brillengläsern an den Augenoptiker gegründet.
Nils: Heute sind wir beide ein festes Team, sozusagen Urgesteine in der Optikwelt.

Wann kam die Idee, ein eigenes Brillenlabel zu gründen?
Ralf: 2008 haben wir unsere gemeinsame Firma verkauft und noch 3 Jahre als verantwortliche Geschäftsführer den Übergang zum neuen Management begleitet. Danach wollten wir „was anderes machen“, aber unbedingt in der Branche bleiben. Daher kam es dann zur Gründung von COBLENS. Also vom Brillenglas zur Fassung, also zur Brillenmode.

Wie kam es dann zum Namen COBLENS?
Nils: Wir wohnen und leben in Koblenz an Rhein und Mosel. In früheren Zeiten wurde Koblenz mit “C” geschrieben: COBLENS.
Ralf: COBLENS ist also ein Wortspiel aus der alten französischen Schreibweise der Stadt Koblenz („Coblenz“) und dem englischen Wort „Lens“ für das Glas, in unserem Fall das Brillenglas.

Bei Euren Brillen schwingt ein wenig der Flair der Achtziger mit – sind die Entwürfe eine bewusste Reminiszenz an das Jahrzehnt? Inwieweit haben Euch die Achtziger beeinflusst?
Nils: Wir sind beide Jahrgang 1969 und haben somit die wichtige Zeit der Jugend und des Erwachsenwerdens in den 80igern verbracht. Natürlich inspiriert uns diese Ära mit der Musik – Talk Talk, Depeche Mode, Police und Co. – und dem Freiheitsdrang nach Mobilität (daher die Kollektion „COBLENS Autobahn“) bis hin zu dem Fall der Mauer Ende der Achtziger …
Ralf: Ja, bei unseren Brillen und Entwürfen sind die 70iger und 80iger Jahre als Inspiration sehr präsent. Jedoch wird der Look dieser Zeit komplett neu und modern interpretiert und mit aktuellen Materialien umgesetzt. Das heißt bei uns zum Beispiel, dass alle Brillen aus Titan gefertigt sind. Die 80iger Jahre kenne ich nur aus meiner Kindheit/Jugend und verbinde damit Bonanzafahrräder, große Brillen bei Nachrichtensprechern, Sportwagen in tollen Farben und abgefahrene Mode.

Die, meiner Meinung nach, bekannteste Brille der Achtziger ist die Cazal 607 – ausgerechnet ein Tribut an diese Form fehlt, warum?
Ralf: Naja, den Look haben wir ja aufgegriffen bei einigen Titanbrillen. D.h. die sehr großen Scheiben mit goldenen Bügeln. Bei COBLENS ist dann aber der Fassungsrand sehr filigran ausgearbeitet.
Nils: Wir wollten nie kopieren und waren von Anfang an fasziniert von dem Material Titan …
Wir verarbeiten dieses leichte und flexible Metall besonders filigran. Unser Titanbrillen der Kollektionen „ZENTRALFLUGHAFEN“ und „AUTOBAHN“ sind aus Titandraht mit einer Stärke von nur 0,8 mm verarbeitet. Somit lassen sich auch extreme bzw. große Formen, wie „Strahltriebwerk“ oder „Steuerungshebel“, fertigen, ohne schwer zu sein oder optisch schwer aufzutragen.

Kommen wir zum Designprozess – wer liefert von Euch beiden meist die erste Idee?
Ralf: Bei uns wird im Team besprochen, wohin es geht und wie die neuen Brillen aussehen sollen. Wir greifen die aktuellen Trends auf, sprechen mit Optikern und unseren europäischen Agenten. Außerdem schauen wir auf Modetrends, in Fashionmagazinen usw., wohin die Reise geht. Dann werden mit unseren Designern zusammen die Brillen entworfen. Anhand von Prototypen wird dann die Brille vielen verschiedenen Menschen aufgesetzt, um die optimale Passgenauigkeit zu bestimmen. Das heißt, die Proportionen müssen stimmen sowie der “Sitz” der Brille im Gesicht. Die schönste Brille bringt nichts, wenn sie nicht den perfekten Sitz im Gesicht der Brillenträger hat.

Wo werden Eure Brillen hergestellt?
Nils: Das Basismaterial ist Titan und aus Asien. Die „Vergütung“ – also Beschichtung der Fassungen, Gläser, Verglasung, Endmontage, Richten der Brille etc. – erfolgt dann ausschließlich in Deutschland.

Eure Brillen haben ungewöhnliche Namen – wann wird (und nach welchen Entscheidungsgründen) der Name gewählt?
Nils: Es gibt aktuell drei Kollektionen: „ZENTRALFLUGHAFEN“, „AUTOBAHN“ und „LUNAPARK“. Drei Themenwelten, zu denen die passenden, teils kuriosen Namen kreiert werden.
Ralf: Die Namen denken wir uns in der Mittagspause aus …

In der Mode feiert gerade Techno ein kleines Comeback – DIOR HOMME sieht aus, wie aus dem Berliner Tresor direkt auf den Laufsteg katapultiert. Machen sich solche Trends auch bei Brillen bemerkbar?
Nils: Die Brillenmode bzw. Augenoptik tickt immer etwas langsamer … aber sicher wird nach dem Retrohype der 70iger und 80iger auch bei den Brillen insbesondere bei den Sonnenbrillen das kühle Zeitalter der 90iger folgen.
Ralf: Bedingt durch recht lange Beschaffungsintervalle – ca. 4 Jahre – dauert es seine Zeit. Man bedenke nur, wie lange große, dunkle Kunststoffbrillen hipp waren.

Dauert es vielleicht auch länger, weil man eine Brille länger trägt als andere Accessoires und man sie eher medizinisches Hilfsmittel wahrnimmt?
Ralf: Ich glaube nein. Jemand der eine modische Brille wie COBLENS trägt, sieht die Brille eher als “Statement”. Weniger als medizinisches Hilfsmittel.
Nils: Die Trends werden, wie gesagt, meist erst im Bereich der Sonnenbrillen gesetzt, wobei unser Schwerpunkt im Bereich der optischen Brillen bzw. Korrekturbrillen liegt. Unsere Brillen sind vom Image eines medizinischen Hilfsmittels ja nun wirklich weit entfernt. Sicher muss eine Brille den eigentlichen Zweck einer Sehkorrektur erfüllen, darf dabei her nicht langweilig sein. Für uns ist nicht nur die Sonnenbrille, sondern auch die Korrekturfassung ein hochmodisches Accessoire. COBLENS ist High-Fashion!

Bleiben wir bei Trends: es scheint ein Trend zu sein, Brillen online zu kaufen. Für mich undenkbar, aber wie denkt ihr drüber? Ist das die Zukunft?
Ralf: Ja, der Trend ist da. Jedoch in meinen Augen eher im sehr preiswerten Bereich und auch eher für Zweitbrillen.
Nils: Unsere handwerklich hochwertigen Fassungen haben in diesem Vertriebskanal aber nichts zu suchen!
Unsere Partner sind die hochwertigen, traditionellen Augenoptiker, die die anspruchsvolle handwerkliche Fertigungskunst unserer Produkte verstehen und zu dem Enduser transportieren können. Wir nutzen ausschließlich diesen traditionellen Vertriebsweg.
Ralf: Eine modische, hochwertige Brille für jeden Tag, wird nicht im Internet gekauft …

Ihr bietet Eure Brillen auch in einem eigenen Geschäft in Koblenz an. Was sagt ihr Kunden, die mit einer Brille kommen, die sie online gekauft haben und sie z.B. gerichtet bekommen wollen?
Nils: Das ist natürlich kein Problem, denn auch wir handeln im Einzelhandel stets kunden- und serviceorientiert. Ist der Kunde erst einmal im Laden – z.b. zum Richten seiner “Online-Brille” – ist das doch eine prima Gelegenheit, ihm ein hochwertiges Produkt – wie COBLENS – näher zu bringen, oder zumindest einmal Interesse zu wecken.

Sind noch andere COBLENS-Filialen angedacht?
Ralf: Nein.

Eure Brillen bekommt man in Hamburg zum Beispiel bei „Bellevue“ und bei „Six Million Glasses“. COBLENS bei Fielmann – wie wäre der Gedanke?
Nils: Nein, auch das ist, wie der Onlinevertrieb, für uns undenkbar.
Ralf: Unser Partner ist der traditionelle Augenoptiker mit entsprechendem Sortiment, Interieur und Fachpersonal. Bei Fielmann o.ä. würden unsere Brillen weder preislich, noch vom Look her funktionieren.

Eine letzte Frage noch: Welchen berühmten Brillenträger würdet ihr gerne mit einer COBLENS-Brille sehen?
Ralf: Keine Ahnung. Ich kann mir jeden coolen Typen mit einer COBLENS vorstellen.
Nils: Wobei Robert de Niro toll wäre – auch ein Held der Achtziger. Aber der trägt bis heute keine Brille.

Ralf und Nils – ich danke für das Interview!

  • Die Woche auf Horstson – 6/2017 | Horstson
    12. Februar 2017 at 16:20

    […] Brillenlabels COBLENS sind nicht nur in der Namensgebung ihrer Brillen äußerst kreativ. Wir trafen sie zum Interview. 2) Das Debutalbum von Alice Jemima ist eine willkommene Abwechslung im Wust der Elektropop-Alben, […]

  • Karin Stehr
    19. Februar 2017 at 08:12

    Spannendes Interview, auch oder gerade für einen „Brillen-Insider“. Eine so gelebte, anspruchsvolle und fokussierte Philosophie geht eben fast nur bei unabhängigen, individuellen Brands. Da trifft man die Denker und Macher in Peraonalunion auf der Messe und bekommt einen intensiven Bezug zu der Marke. Es ist eine Freude, als Optiker mit Coblens zu arbeiten!

  • Horst
    19. Februar 2017 at 16:55

    Vielen Dank für das Feedback – es freut mich, wenn das Interview auch für einen Fachmann interessant ist 😀