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Die gestrenge Gouvernante trägt Weiß – Jil Sander Women Spring-Summer 2012

Das musste wahrscheinlich so kommen. Nachdem man sich über zwei Saisonen hinweg mit Colorblocking & Co. farblich gesehen die Kante gegeben hatte, braucht das empfindliche Designerauge nun was Ruhigeres. Was liegt da für Visionäre wie Raf Simons näher, als uns im nächsten Sommer in weiße Gouvernanten-Kleider zu stecken, in denen nicht mal eine wunderschöne Frau wie Bette Franke gut aussieht. Keine Sorge, ihr bekommt noch einen eigenen Bericht über einige durchaus gelungene Akzente und Teile, aber erst mal stelle ich euch ein paar Kleider vor, die ungefähr so aufregend wie Berufskittel für Dienstmädchen oder Nachthemden aus feinstem Schweizer Batist sind, wie man sie bei Zur Schwäbischen Jungfrau, Am Graben 26, in Wien, kaufen kann. Wovon ältere Damen des gehobenen Wiener Großbürgertums gerne Gebrauch machen.

Man kann den Ideen zu den strengen und puristischen Kleidern aus Baumwollenen Popelinen und semitransparenten Bastisten zwar konzedieren, dass eine verstörende Simplizität von ihnen ausgeht, die nur bei dem schlichten und schulterfreien Kleinen Weißen an Natasha Poly und den sehr an Grace Kelly in High Society erinnernden langen Kleidern und Röcken durch einen Hauch von gelangweilter Upperclass-Anmutung konterkariert wird, aber die Frage lautet: Wie muss eine Frau aussehen, um darin wirklich fabelhaft auszusehen?

Die Models, mit ihren schrecklich aufgesetzten Gouvernanten-Frisuren und den blassen Make-Up‘s, konnten mich nicht von Simons weißen Fantasien überzeugen. Wir reden hier von leichten Baumwollkleidern weit oberhalb von 1.000 Euro. Selbst wenn ich im Geiste Gisele Bundchen oder Emanuelle Alt in einige der Kleider stecke, sehen diese wunderschönen Frauen in anderen Sachen einfach besser aus.
Ich weiß, dass solche Aussagen für Viele einem Sakrileg nahe kommen, weil Mode ja davon lebt, das Ungesehene und Spannende zu wagen, aber am Ende sollen ja Menschen das tragen, die davon ausgehen, in so tollen und teuren Klamotten mindestens fabelhaft auszusehen.

Wie sehr sich der Designer da möglicherweise in ein L’Art pour l’art verstiegen haben dürfte, merkt man am deutlichsten dann, wenn man die – mich fatal an orthopädische Gehbehelfe oder Arbeitsschuhe erinnernden – weißen Stiefel betrachtet, die zu den Trafalgars der Kollektion zählen. Ästhetik und Formschönheit sind sicher nicht alles, das Mode ausmacht, aber ganz ohne wird es auch schwer werden.

Mag sein, dass das Onward Holdings Co. Ltd. und ihrer europäische Tochtergesellschaft GIBO Co. SpA gehörende Label Jil Sander so ein – bei den Modejournalisten – Aufsehen erregendes Gesprächsthema bleibt; de facto aber, den Verkaufszahlen nach, wird die Marke Jil Sander über die Jahre mehr und mehr zu einer Nischenmarke gewandelt. Das große Geld verdient man lieber mit dem Verkauf von Lizenzen für relativ billige und schnelle Jil Sander Parfums und Kosmetika, die gefühlt alle achtzehn Monate gegen neue Marketingideen ausgetauscht werden.

Schade, dass schöne Details, gute Schnitte und handwerkliches Können in der Eitelkeit untergehen, auf Biegen und Brechen eine Kollektion vorzustellen, die für die Meinungsmacher der Modebranche ganz offenbar so unverständlich wie möglich sein muss, um dieser saturierten Crowd von Entrückten noch Emotionen und hymnisches Lob zu entlocken.
Ich orte hier eine Kreativitätsflaute größeren Ausmaßes oder zumindest die Tendenz zu Lustlosigkeit bei Raf Simons. Die Kollektionen werden von Saison zu Saison schwächer. Und ich halte fest, die waren zu Beginn seiner Tätigkeit für Jil Sander umwälzend neuartig und sehr, sehr gut.
Aber seht bitte selbst, liebe Leser und Leserinnen.
Wer weiß, ob ich da wirklich durchgeblickt habe, durch all das Weiß und Raf Simons Riege gestrenger Gouvernanten in ihren teuren Baumwolluniformen.

Bilder style.com

  • peter kempe
    30. September 2011 at 14:03

    karl lagerfeld hat mal ne ganze haute couture in weiß gemacht…..die schnitte der kelider find ich teilweise sehr sehr gut aber irgendwie wirkt es als wenn sie die stoffmesse verpasst haben keine stoffe ausgewählt haben und die nesselschnitte der modelle über den steg egschickt haben.auf raf warten ja schon die nächsten labels was man so hört ich kann langsam gar nicht mehr darauf das designer alle drei jahre nen neues label bearbeiten.ehrlich gesagt find ich jil sander ohne jil sander ohne anreiz irgend etwas davon ebsitzen zu wollen.erst hatten sie den einkäufer von colette für die kollektion dann raf was ist denn eigentlich von dem label noch übrig????die stiefel will in wahrheit keine frau freiwillig an ziehen erinnert mich an die angelstiefel von prada…..die woltle auc niemand…..

  • loewenherzblut
    30. September 2011 at 14:47

    Ich finde die hier ausgewählten Looks wirklich ausgesprochen bieder. Ich tendiere zwischen gleichgültigem Schulterzucken und hysterischer Ratlosigkeit, was Herr Simons hier abgeliefert hat. Es gibt aber durchaus auch schöne Teile in dieser Kollektion. Und da wurde ja noch etwas versprochen.

    Kleiner Hinweis am Rande: Jil Sander gehört meines Wissens schon seit Jahren nicht mehr zur Prada-Gruppe. Ist das Label jetzt nicht im Besitz eines japanischen Gemischtwaren-Konsortiums?

  • siegmarberlin
    30. September 2011 at 14:54

    ich finde einige Kleider wirklich sehr und ich bin mir sicher das Tilda Swinton in den letzten 3 Kleider fantastisch aussieht, die Stiefel finde ebenfalls sehr gelungen.

  • peter kempe
    30. September 2011 at 14:55

    @loewenherzblut

    du hast recht jil sander ist von prada bereits vor ein paar jahren verkauft worden und aht schon zweimal den besitzer in japan gewechselt es ist ein gemischtwaren konzern mit wenig ambition zur mode und viel zu duty free marketing aktivitäten.

  • Daisydora
    30. September 2011 at 15:34

    @peter kempe

    Ich danke dir dafür, dass du das mit den Stoffen erwähnt hast. Daran konnte man immer festmachen, ob ein Label auf der Prremiere Vision die besten Stoffe blocken konnte, wie nur die besten Labels das können …. und das, was Simons da an Stoffen bringt, kann man als Hobbyschneiderin in jedem ordentlichen Stoffgeschäft für Hemdenstoffe kaufen. Auch die Paisleys sind grausam und das Vichykaro von XYZ, zu Zeiten Brigitte Bardots, sah etwas aufregender aus. Zu Beginn seiner Creative Direction für Jil Sander gab es tolle, futuristische aber sehr coole und elegante Teile, die ich gekauf habe, aber seit zirka zwei Jahren haut das einfach nicht mehr hin…

    @loewenherzblut

    Ganz herzlichen Dank für den Fehlerhinweis, ich werde Horst bitten, das abzuändern. Dürfte an mir vorüber gegangen sein. In der Tat sind da einige sehr gute Teile, die ich in einen kleinen Extra Bericht packe. Das ist ja auch gar keine Kollektion aus einem Guß, da ist aus jeden Dorf ein Hund und diese große Gouvernanten-Abteilung.

    @siegmarberlin

    Bei Tilda Swinton gebe ich dir recht. Die ist aber auch sowas von einer futuristisch-modernen Schönheit, eine Art großartige und erhaben-elegante Kunstfigur …

    …und die Stiefel fände ich in einem Science Fiction Film oder als Stiefelchen für die Probanden der Darma Initiative in LOST auch gut, aber auf der Strasse, bitte nicht. Ich war geschockt, als ich alle Schuhe durchgearbeitet hatte, weil da kein einziges Paar drunter ist, dass auch nur annähernd mit der Form von Füßen zu tun hätte. Die sehen wie absichtlich unergonomisch verschnitten aus …wie gesagt L’Art pour l’art …

  • Jan Who
    30. September 2011 at 16:08

    Ich liebe die Kollektion!

  • Daisydora
    30. September 2011 at 16:31

    @Jan Who

    Schön, aber davon können Jil Sander Stores leider nicht leben … das Zeugs ist ja nicht für Modehistorische Ausstellungen … 🙂

    Das driftet zur Zeit in so eine Richtung, dass man ein Paar Promis hat, die Teile auf Roten Teppichen tragen, die man ihnen geliehen hat, aber im Strassenbild spielen die Jil Sander Kollektionen weder in New York noch in Paris und schon gar nicht in Berlin eine adäquate Rolle….. 🙂

  • peter kempe
    30. September 2011 at 16:38

    eine sache dürft ihr eh alle nicht vergessen alle diese kollektionen sind eh nicht mehr für den europäischen markt gemacht,sondern für märkte in denen flagshipstores soviel an einem tag verkaufen wie in deutschland im ganzen jahr verkauft wird.ich glaube es wird nicht mehr all zu lange dauern und die wirklich guten label werden dazu übergehen sich wieder ab zu grenzen aber darüber mehr in der nächsten woche….

  • Daisydora
    2. Oktober 2011 at 10:43

    @peter kempe

    Dass Europa für teure Labels von den Absatzzahlen her schon so sehr zur Nebensache geworden ist, wusste ich nicht. Man hat nur so ein Gefühl, dass man mit vielen Kollektionen nicht mehr gemeint ist. Ich bin sehr neugierig auf deine Branchen-Innenansichten, Peter …..

  • Horst
    2. Oktober 2011 at 16:30

    @loewenherzblut du hast natürlich recht und wir haben es umgeändert. Danke für den Hinweis 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Zwischen Legende und Legendenbildung – Jil Sander Spring 2012 Women
    3. Oktober 2011 at 13:55

    […] schon angekündigter zweiter Bericht zur kommenden Jil Sander Women Kollektion beschäftigt sich aus aktuellem […]

  • Horstson » Blog Archiv » Einen schönen Mensch, kann nichts … x Tilda Swinton in JIL SANDER Spring/Summer 2012
    27. Oktober 2011 at 14:43

    […] …. hmmmm? Zum Vergleich gibt es das Bild vom Kleid in Grün aus der Runway Show. Mein kleiner Bericht zu dieser Kollektion hat ja auch zu sehr verschiedenen Reaktionen […]