Gucci Twinsburg; Bild: Courtesy of Matteo Canestraro – Bureau Future
Das vielleicht Wichtigste zuerst: Man muss die „Twinsburg“-Schau gesehen haben (das kann man zum Beispiel hier nachholen), um den Zwillingseffekt zu verstehen. Mit seiner Faszination für asymmetrische Gegenseitigkeit zeigte Alessandro Michele seine neueste Kollektion für Gucci auf gleich zwei Laufstegen, die jeweils ein Spiegelbild des anderen waren. Um das zu ermöglichen, wird der Designer viele Castings gemacht haben müssen, denn sämtliche Looks wurden von Zwillingspaaren (insgesamt 68) präsentiert.
So aufwendig das Casting, so – zumindest für Micheles Verhältnisse – zurückhaltend die Kollektion. Denkt man sich die Accessoires und das Styling weg, bleiben fast schon schlichte Designs, die ganz nebenbei erklären, warum das Luxuslabel die Spitze beim Lyst-Index anführt: Zwar setzt Michele auf einen Überraschungseffekt, überzeugt dann aber in der raffinierten Zweideutigkeit der Entwürfe, die eben eine wesentlich breitere Zielgruppe anspricht als beispielsweise Balenciaga.
„Ich bin der Sohn von zwei Müttern: Mutter Eralda und Mutter Giuliana“, wie Alessandro Michele erklärt. „Zwei außergewöhnliche Frauen, die ihre Zwillingsschaft zum ultimativen Siegel ihrer Existenz machten. Sie lebten in demselben Körper. Sie kleideten und kämmten sich auf dieselbe Weise. Sie waren magisch gespiegelt. Die eine multiplizierte die andere. Das war meine Welt, vollkommen doppelt und verdoppelt.
Er erinnere sich, wie sie lächelnd in einem Café saßen. Zusammen waren sie zu Hause. „Sie teilten eine genetische Solidarität, aber vor allem teilten sie eine geheime Intimität, die für andere unzugänglich war: ein Bündnis der Vorfahren, das sich selbst nicht bewusst war, da es aus einer Zeit stammte, die lange vor ihnen lag.“
In seinen Notizen zur Show schreibt der Kreativdirektor, dass sich die Kleider wie von Zauberhand verdoppeln würden. „Sie scheinen ihren Status der Einzigartigkeit zu verlieren. Der Effekt ist verfremdend und zweideutig. Fast ein Riss in der Vorstellung von Identität, und dann die Offenbarung: Dieselben Kleider strahlen auf scheinbar identischen Körpern unterschiedliche Qualitäten aus. Die Mode lebt schließlich von seriellen Vervielfältigungen, die den unverfälschten Ausdruck jeder möglichen Individualität nicht behindern.“
Wie die selben Kleider oder Stücke dann auf der Straße oder im Club an zwei (oder mehr) wirklich unterschiedlichen Personen aussehen, wird sich dann zeigen – dass man aber das selbe Kleid ganz unterschiedlich „rocken“ kann, zeigten schon Samantha Jones und Miley Cyrus in „Sex and the City 2“. Am Ende kommt es immer auf die Persönlichkeit an.
Die Frage kommt immer wieder auf, daher hier die vollen Credits der Schau:
Music direction by Alessandro Michele and Giovanni Attili
Music Composed by Gustave Rudman
Performed by Budapest Scoring Orchestra
Voiceover by Marianne Faithful
Lyrics: „Identical Twins“ by John Forster Published by Limousine Music Co. (ASCAP)