Bild: Montblanc
Vor Ort in Italien: Der Besuch der Montblanc Pelleteria in Florenz. Vor mehr als einem Jahr startete ich erstmals den Versuch, mit Montblanc einen Besuch in der unternehmenseigenen Ledermanufaktur zu planen. Vergeblich, denn Klausuren, Präsentationen und andere anwesenheitspflichtigen Alltäglichkeiten aus dem Leben eines Studenten, haben jegliche Planung unmöglich gemacht. Darüber war ich mehr als traurig, vor allem verpasste ich damals nicht nur einen Rundgang durch die italienische Ledermanufaktur, sondern auch ein Treffen mit keinem Geringeren als Montblanc Markenbotschafter Hugh Jackman Glücklicherweise bot sich mir nun die Möglichkeit, doch noch in Florenz vorbeischauen zu können (den ersten Teil meiner Berichterstattung über die Montblanc Pelleteria gibt’s hier zum Nachlesen).
Bilder: Julian Gadatsch
Nachdem wir zahlreiche Maschinen und Vorgänge zur Materialbeschaffenheit kennengelernt haben, führt uns Giacomo weiter durch die hochmoderne Manufaktur. Ich schaue mir alles ganz genau an und mache mir tausend Notizen in mein schlaues Büchlein. Mir in der Rolle des Endkonsumenten und als kritischer (Online-)Reporter, verschwindet eine (ziemlich böse) Frage einfach nicht aus dem Kopf: Warum diese umfangreichen Beschaffenheits- und Qualitätstests, die mehrere Jahrzehnte und Dekaden sorgenfreier Nutzung deklarieren? Warum dieser Aufwand? Selbst wenn das jeweilige Lederportemonnaie nur zehn statt fünfzig Jahre halten sollte, warum diese Akribie? Könnte es nicht auch eine verkaufsfördernde Taktik sein, dass man die jeweiligen Produkte nur bis zu einem gewissen Grad „indestructible“ anfertigt? Bei diesem Gedanken lacht Giacomo herzlich. Es hätte mich an dieser Stelle nicht gewundert, wenn er mir einen gehörigen Vogel zeigen würde: „ Ein Produkt aus unserer Ledermanufaktur soll mit dir altern, man braucht nicht jede Saison ein neues Portemonnaie oder eine neue Tasche. Das ist generell die Philosophie unserer Herstellung!“
Bild: Montblanc
Diese Einstellung gegenüber der Langlebigkeit eines Produkts wird mir auch im nächsten Schritt veranschaulicht: Der Gürtelqualitätscheck. Es gibt speziell für das Austesten der Gürtelschnalle ein Gerät, das ganz ohne Elektronik auskommt. Wie, was, wo? Ohne elektronischen Zusatz? Giacomo lacht abermals herzlich, nur zu gut könne er sich noch an den Moment erinnern, wo er im Internet nach einem Gürtelschnallentestgerät gesucht habe. Ohne jeglichen Erfolg. Erst als sie nach einer Entwicklungsphase von einem Jahr gemeinsam im Team eine Maschine vor Ort entwickelt hatten, fand die Idee eine Daseinsberechtigung. Mittlerweile erfreut sich das Gerät großer Beliebtheit und sorgt dafür, dass ein heimisches Von-Der-Stuhllehne-Fallen im Schlaf- oder Ankleidezimmer schadenfrei vom Gürtel überstanden wird.
Bei Ideen und Gedanken solcher Art bin ich immer wieder baff. Über wie viele alltägliche Dinge man sich bloß so weitreichende Gedanken machen kann? Ich weiß es nicht und doch, die Idee des Gürtelschnallentests ist einfach klasse! Bevor ich jedoch zu viel Zeit vor dem originellen Gerät verbringe, machen wir uns auf den Weg weiter, tiefer in die Ledermanufaktur: zur Reparaturannahme bereits verkaufter Produkte. Hier werden in den seltensten Fällen Taschen und Portemonnaies mit Mängeln eingeschickt, vielmehr nutzen Kunden die Möglichkeit der professionellen Aufbereitung jahrelang getragener Produkte. Ähnlich wie die Füllfederhalter gilt bei den Lederwaren auch der Leitgedanke „Produkte aus dem Hause Montblanc als lebenslanger Begleiter“. Ich stöbere durch die einzelnen Taschen und bin fasziniert von der Haptik der Modelle. Hier scheint das ein oder andere Teil bereits ausgiebig mit seinem Besitzer gelebt zu haben.
Bild: Montblanc
Im Prototypenbereich erhalten wir Einblick in die handgeschnittenen Lederelemente, die anschließend zusammengefasst werden. Giacomo erklärt uns die einzelnen Schritte der Planung und Durchführung von Prototypen, die einzelnen Modelle werden bis zu zehn mal vorher angefertigt, bis sie für den Verkauf in die Produktion gehen – sicher ist sicher. „Ein einziger Fehler wäre fatal, gerade weil das fertige Portemonnaie zuerst wie bei einem Puzzle aus einzelnen Elementen zusammengestellt wird. Diese Aufgaben werden mit absoluter Akribie vollzogen, gerade beim Bemalen und Versäubern der Lederkanten.“ Ich beobachte die Arbeit eines Mitarbeiters, Schicht für Schicht trägt er die Farbe auf die Lederenden und strahlt dabei eine beneidenswerte Ruhe aus. Zittrige Hände oder Ungeduld? Hier definitiv fehl am Platz! Das Innenfutter wird rollenweise ausgesucht und an die Modelle angepasst. Auch hier wird nichts dem Zufall überlassen, alle Stoffbahnen werden vorab mehrmals kontrolliert und mit äußerster Präzision in die Lederwaren eingearbeitet.
Für mich ganz entscheidend ist immer auch die Auswahl der verschiedenen Leder: Billigqualität aus der Ferne? Keinesfalls! Giacomo erklärt uns, dass er von Kindesbeinen an einen respektvollen Umgang mit Tieren und somit auch mit deren Leder gewohnt sei. Er begrüßt es sehr, dass Teile der Ledersorten von deutschen Kühen aus artgerechter Haltung stammen. „Für mich ist der respektvolle Umgang mit tierischen Materialien und Produkten eine Grundvoraussetzung, glücklicherweise ist das bei Montblanc selbstverständlich.“ Beim Stichwort tierische Materialien komme ich für die Berichterstattung noch ein letztes Mal auf die Lederverarbeitung zurück: Wusstet ihr, dass einzelne Brieftaschen und Portemonnaie unterschiedliche Lederstärken aufweisen? Ich habe mir ehrlicherweise noch nie Gedanken über diesen Prozess gemacht und fand es ziemlich spannend, vor Ort diesem Arbeitsvorgang beizuwohnen. In meinem Fall musste die Lederstärke minimiert werden, damit das Portemonnaie nicht zu massiv wirkt und noch praktisch in der Hosentasche verstaut werden kann.
Bild: Montblanc
Wir befinden uns schon am Ende des Rundgangs und meiner Meinung nach, ging der Tag in der Pelleteria von Montblanc viel zu schnell um. Zum Abschied essen wir ganz standesgemäß noch italienisches Gepäck und prosten uns bei einem weiteren Espresso zu. Einen letzten Schmunzler kann ich mir nicht verkneifen, als Giacomo die Standortwahl in Scandicci näher erklärt und damit gleichzeitig das Statement des Tages krönt: „Jeder will doch da fischen, wo die Fische sind.“ Den Vergleich merke ich mir und bevor der große Fisch, in dem Fall meine Universität, den kleinen Fisch, also mich, frisst, setze ich mich lieber wieder an die Hausarbeiten und beende meinen Bericht über die fantastische Zeit in Florenz.
Ich hoffe der Beitrag hat euch gefallen!
Siegmar
2. Oktober 2015 at 15:29informativ und guter Bericht, war schön zu lesen.
Monsieur_Didier
3. Oktober 2015 at 10:49…Deine Berichte sind immer sehr lesenswert…
auch, weil viele Details darin vorkommen, die für mich manchmal neu sind…