Trafen sich im Gasthaus Valentin auf ein Bier: Manuel, Jan, Marco
Gasthaus Valentin in der Berliner Hasenheide, Donnerstag, 19.40 Uhr. Wo sonst sollte ein Wanda Interview stattfinden. Ein kleiner Raum im hinteren Bereich der Kneipe. Es ist das bereits zwölfte Interview an diesem Tag und der Raum hat heute definitiv noch keinen Sauerstoff gesehen. Die beiden Jungs wirken noch erstaunlich „frisch“. Ein Bier ist bestellt, ein kleiner Schnaps (selbstgebrannter Himbeerschnaps des Hauses) zum Einstieg und los geht’s.
Als euer zweites Album („Bussi“) erschien, sagte eine Redakteurin in einem Interview, dass es wie das erste Album klingen würde, wofür du Marco dich bedankt hast mit der Begründung, dich damals nicht zwangsläufig weiter entwickeln zu wollen. „Niente“ klingt jetzt anders als die beiden ersten Alben. Absicht oder Entwicklung?
Marco: „Niente“ hat auf jeden Fall eine andere Atmosphäre bzw. Spielweise, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns großartig weiterentwickeln bzw. dass das groß der Rede wert wäre. Alle Menschen und vor allem Künstler entwickeln sich weiter. Wir wollen mit unserer Band eine Geschichte erzählen und jedes Album erzählt sie aus einer anderen Perspektive. Wir spielen im Grunde auf Augenhöhe mit unseren Fähigkeiten. Somit kann ich das für mich persönlich nicht als Weiterentwicklung empfinden, kann aber verstehen, wenn es für die Leute neu bzw. anders klingt.
Wie ist „Niente“entstanden?
Marco: Immer in ruhigen Momenten. Also wenn es die gab.
Du bist also nicht mal nach dem Konzert von der Bühne und hattest einen Song im Kopf den du schreiben musstest?
Marco: Nein dafür ist das Tourleben zu geil. Das ist ein ganz eigenes Leben und zwar kein mönchisches. Du bist in diesem Beruf generell zwischen Mönch und Bühnenfloh gespalten. Einerseits hast du mit den heftigen Gefühlen von tausenden Menschen zu tun, für die man dankbar sein muss, sie erleben zu dürfen. Auf der anderen Seite hat man asketische Momente, in denen dann die Lieder entstehen. Aber natürlich immer aus Lebenslust und Amore!
Viele sagen „0043“ klingt anders als man es erwartet hätte. Was denkt ihr denn, was die Leute von euch erwarten?
Manuel: Ich glaube man kann an so einem Punkt nicht von „den Leuten“ sprechen und alle zusammenfassen. Eigentlich wissen wir nicht was die Erwartungshaltung, falls es sie gibt, von außen ist. Es gibt sicher die, die sich „Hitkracher“ erhofft haben. Dann gibt es welche, die eine große Weiterentwicklung erwartet haben. Schlussendlich ist es so, dass wir im Grunde so schlau sind wie vorher und gar nicht wissen was genau von uns erwartet wird. Wir versuchen also lediglich, unsere eigene Erwartungshaltung zu erfüllen.
Marco: Man könnte sagen nach zwei Platten, die so einen unglaublichen Rock’n’Roll Drive hatten, müsste man logischerweise, und ich sage nicht, dass wir das vorhaben, aber mir käme das logisch vor, eine leise Platte machen. Das wäre dann der Rock’n’Roll so nach dem Motto: „Jetzt kommt kein Kracher ihr Arschlöcher“.
Aber das war nicht eure Intention.
Marco: Ich sage nicht, dass es unsere Intention war, aber man könnte es so interpretieren. Und da ich immer gern auf Interpretationen stoße, möchte ich auch gern mal eine in den Raum stellen.
War eure Kindheit in „0043“ wirklich so traurig schön?
Marco: Puh, ich glaube unsere Kindheit in 0043 war wie alle. Wenn du wirklich das Leben meistern willst, dann kannst du dich eh nur an das Wohlige und Schöne erinnern. Aus dem Schmerz kannst du ja nix lernen. Ich glaube aber jede Kindheit ist traurig schön.
Manuel: Ich denke wenn du ehrlich bist, war deine Kindheit auch traurig schön. Aber dann eher in 0049.
Es wäre korrekterweise ja 030, aber das geht leider nicht so gut mit dem Song.
(An dieser Stelle versuchen wir alle den Song mit 030 zu verbinden. Es gelingt, trotz Schnaps, leider nicht.)
Ein Song auf dem Album heißt „Café Kreisky“. Für alle nicht Wiener: Warum hat es dieses Kaffee auf das Album geschafft?
Marco: Oh, darf ich das erzählen?
Manuel: Ne ich mag erzählen, ok? (lacht) Also das war mal eine ganz normale Kneipe, die auch, aber nicht nur, von schlagenden Burschenschaften zum Vorglühen besucht wurde. Also keine Nazibar, aber auch die kamen dahin. Die Besitzer wollten die Leute da raushaben und haben das Kaffee in „Café Kreisky“ umbenannt, nach Bruno Kreisky, ein ehemaliger Bundeskanzler von Österreich, der Jude war. Seitdem ist dann keiner mehr von denen in das Café gegangen.
Und wo ist da der Zusammenhang?
Marco: Das ist wieder Interpretationssache und muss dem Zuhörer überlassen sein. Was für Leute gehen da ein und aus und was treibt Menschen dazu, in Bars zu gehen? Aber auch der Versuch sich zu öffnen und daran zu scheitern. Das waren alles Fragen und Dinge, mit denen ich mich sehr lange beschäftigt habe und die in diesen Song eingeflossen sind. Das sind aber auch Themen, die sich bereits durch „Amore“ und „Bussi“ gezogen haben. In diesem Café läuft alles zusammen. Darüber könntest du mehrere Songs schreiben.
Manuel: Kennst du das Schlawinchen in Berlin? Das ist quasi das Kreisky von Berlin.
Ihr habt für die Videos zu den ersten beiden Songs mit den zwei Jungregisseuren Florian Pochlatko („0043“) und Jasmin Baumgartner („Columbo“) zusammengearbeitet. Wie wählt ihr die Regisseure aus?
Marco: Man kommt immer beieinander an. Wir arbeiten immer sehr gezielt mit Personen und schreiben da nichts konkret aus. Dafür respektieren wir die Kunst zu sehr. Mit dem Florian Pochlatko gab es einen sehr guten Gedankenaustausch. Er sollte ursprünglich das Video zu einem anderen Song drehen. Das wollte er auch machen, aber aus irgendeinem Instinkt heraus hat dann jemand von uns gesagt: „Warte, wir spielen dir noch einen anderen Song vor, damit du das Album kennenlernst“. Und das war dann „0043“, was ihm sprichwörtlich die Kinnlade hat runterfallen lassen. Er hat dann gesagt: „Wenn dann mache ich das.“ Er hat uns damit sehr geholfen, denn solche Entscheidungen zu treffen ist nicht immer leicht.
In Columbo wiederum zieht ihr für eure Verhältnisse schon relativ blank. Das freut natürlich die weiblichen Zuschauer. Kokettiert ihr damit oder war es ein rein künstlerisches Mittel?
Marco: Da muss man eigentlich die Regisseurin fragen, sehr talentiertes Mädel übrigens. Sie wollte in dem Video im Grunde jede Spielart einer Beziehung zeigen. Und ich bin sozusagen der Trottel bzw. Engel, der alles zusammenhält (lacht). Aber es ist jetzt nicht so, dass wir gedacht haben: Da zeigen wir jetzt mal besonders viel Haut. Du kannst einfach sagen es war sehr warm und wir mussten uns deswegen ausziehen.
Ihr singt selbst sehr viel über Liebe und all ihre Facetten. Könnt ihr euch noch an euren ersten Liebesbrief erinnern und was drinstand?
Manuel: Ja ganz banal tatsächlich: „Willst du mit mir gehen? Kästchen „Ja“, Kästchen „Nein“, Kästchen „Vielleicht“.
Und was hat sie geantwortet?
Manuel: Ja
Marco: Ja sicher ja, schau ihn dir an (lacht)
Manuel: Aber ich glaube nur wegen der „Vielleicht“-Option.
Marco: Ich habe mit 5 Jahren einem Mädchen in der Volksschule mit wunderschönen braunen Locken einen Liebesbrief geschrieben. Ganz klassisch mit bestimmt zwei Reimen. Ich kann mich aber nicht mehr dran erinnern, was genau drin stand. Und dazu hatte ich eine Kutsche gezeichnet mit uns beiden. Allerdings habe ich nicht „Willst du mit mir gehen?“ geschrieben, sondern „Willst du mich heiraten?“ und sie hat nein gesagt. War wohl zu schnell (lacht).
Im Song „Ein letztes Wiener Lied“ heißt es „Gott wie deppert seid ihr Wiener, Coney Island ist viel wärmer“. Eine Spitze gegen eure Heimatstadt?
Marco: Das Witzige ist, dass ich den Song nicht geschrieben habe. Das war ein Kompositionsauftrag. Der Text ist eigentlich von Kurt Robitschek für Hermann Leopoldi geschrieben. Aber mich hat das voll erreicht. Richtig cooler Song.
Manuel: Er hat den Song quasi in einer Aufnahme eingesungen, wenn ich das verraten darf. Er hat den Text in die Hand bekommen, Klavier lief bzw. wurde gespielt und es hat einfach beim ersten Mal gesessen.
Marco: Für den Leopoldi quasi. Der ging ins KZ, dann ins Exil und der Song hat ihn nicht mehr erreicht, da er im Exil dann gestorben ist. Es war eine Ehre, dass ich den Song singen durfte.
Das Magazin Monocle hat die „Top 25 global cities“ gekürt und auf Platz zwei hinter Tokio war tatsächlich Wien. Was macht Wien denn für euch zur Top City?
Marco: Wow. Also es ist meine Heimatstadt, daher ist das schwer zu sagen was die Stadt für mich zur Top City macht. Was ich an Wien mag ist, dass es etwas Provinzielles, aber auch etwas von einer Metropole hat. Am Ende kennt jeder Jeden. Wenn man zugezogen ist, ist das glaube ich nochmal etwas Anderes, aber das ist ja in jeder Großstadt mittlerweile so. Wenn man aber dort geboren ist, kennt man sich untereinander. Es ist also gar nicht so einfach, einsam zu sein in Wien und das ist das Tolle.
Manuel: Es gibt diesen Spruch: Du musst eine Stadt lieben, um sie zu verstehen. In Wien ist das nicht so. Die Stadt kannst du lieben, aber du verstehst sie trotzdem nie richtig. Vielleicht ist das der Reiz.
Marco: Und man kann das Trinkwasser trinken und es stinkt nicht!
Was ist das größte Missverständnis über Wanda?
Marco: Alle Missverständnisse dürfen sein und haben ihre Berechtigung, denn letztendlich können wir ja nicht entscheiden, was man über uns denkt oder schreibt. Wir stellen das was wir tun zur Verfügung und was die Leute damit machen ist dann nicht mehr unsere Sache. Also würde ich sagen …
Manuel: … wir haben keine Sache von der Ahnung.
Marco: Es wurde schon so viel über uns gesagt und alles Mögliche in uns reininterpretiert. Mir fällt da so jetzt nichts ein. Könnte aber auch daran liegen, dass es das zwölfte Interview heute ist (lacht)
Wird es ein Featuring von euch geben bzw. mit wem müsste das sein?
Beide: Alle schon tot.
Marco: Gut wenn der Liam Gallagher mit uns „Live forever“ spielen wollen würde, würden wir nicht nein sagen oder wenn der Paul McCartney mit uns „Live forever“ singen würde, dann auch nicht.
Manuel: Oder wenn der Ringo Starr mit uns einen Nirvana-Song aufnehmen wollen würde … aber ich wüsste nicht was für ein Instrument der dann spielen sollte (lacht). Also wohl eher nicht.