Der ein oder andere Leser wird es gesehen haben: Die ARD richtete ihren Fokus vor wenigen Tagen im Rahmen ihrer Themenwoche auf das Motto „Gerechtigkeit“. 60 neue Kleidungsstücke im Jahr, so konnte man zum Beispiel in dem sehenswerten Beitrag „Fast Fashion“ erfahren, leisten sich die Deutschen im Schnitt. Die Frage, die auf der Suche nach Gerechtigkeit mitschwingt, ist, ob jemand in der Herstellungskette zu kurz kommt und die Wertschätzung steigt, wenn Aufwand und Bedingungen der Herstellung bekannt wären.
Was dem Endverbraucher bleibt, zumindest solange nicht sämtliche Herstellungsmethoden offengelegt werden, ist ein äußerst bewusster Umgang mit Kleidung. Braucht man wirklich das zehnte T-Shirt, nur weil die Farbe etwas anders ist, als die, von denen, die im Kleiderschrank liegen? Nein. Die einzige Möglichkeit, die es also gibt, ist der bewusste Konsum – weniger ist manchmal eben doch mehr, wobei gerade dann auf einen guten Sitz und gute Qualität geachtet werden muss.
Die beiden Dänen Jess Fleischer und Andreas Langhorn treten mit ihrem Label „Son of a Tailor“ an, eine Alternative zur Massenproduktion zu bieten. Das finde ich per se schon mal eine gute Idee, insbesondere weil sie auch den Anspruch verfolgen, mehr oder weniger maßgeschneiderte Herren-T-Shirts herzustellen. Richtig maßgeschneidert sind die Shirts allerdings nicht, wobei Langhorn und Fleischer einen Algorithmus einsetzen, der aus der Körpergröße, aus dem Körpergewicht, aus dem Alter und der Schuhgröße die passenden T-Shirt-Maße berechnet – Maßschneiderei light, sozusagen. Während Größe, Gewicht und vielleicht sogar noch die Altersangabe für mich noch irgendwie Sinn ergeben (vielleicht gibt es statistische Werte, die Alter und Körperbau in Kausalität setzen), verstehe ich nicht, inwieweit meine Schuhgröße Einfluss auf meine T-Shirt-Größe haben kann, was dann auch der Grund war, mir selbst ein solches Shirt „schneidern“ zu lassen – meine Neugierde musste befriedigt werden.
Während ich also einige Wochen auf die Lieferung meins Son-of-a-Tailor-Shirt wartete, konnte ich in Erfahrung bringen, dass das Duo Fleischer und Langhorn unter verantwortungsvollen Bedingungen in Europa herstellen lässt: „Wir sind der Meinung, dass nichts dagegen spricht, in Litauen und Polen zu produzieren, wo unsere T-Shirts hergestellt werden, solange die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind. Wir glauben, dass wir dazu beitragen können, indem wir 100 Prozent Transparenz schaffen“, wie Jess Fleischer in der „Elle“ erzählt hat.
Die Kunden von Son of a Tailor sind vorwiegend männlich, was sich schlicht dadurch erklärt, dass es keine Frauenkollektion gibt, und kommen derzeit aus mehr als 90 Ländern. Kernmärkte außerhalb von Dänemark sind Großbritannien, Deutschland und die USA, exportiert werden 85 % der Produkte.
Irgendwann wurde dann das Shirt geliefert und – Trommelwirbel – es passte nicht. Zumindest nicht perfekt. Das lag aber nicht an meiner Schuhgröße oder meinem Alter, sondern daran, dass das Shirt erst mal gewaschen werden muss, um die endgültige Form zu bekommen. Das habe ich gemacht und siehe da: Mein Son-of-a-Tailor-Shirt saß, wie ein T-Shirt sitzen muss, es aber nur in den wenigsten Fällen macht.
Die Preise für ein reguläres T-Shirt von Son of a Tailor liegen zwischen € 42 bis € 56, was ich durchaus okay finde, auch wenn man bedenkt, dass Fast-Fashion-Giganten dafür gesorgt haben, faire Preise zu verderben und viele Kunden mittlerweile der Meinung sind, dass ein Shirt nicht mehr als € 5 kosten darf. Doch, darf es; was sag‘ ich – es muss sogar wesentlich mehr kosten. Ist man sich dessen bewusst, überlegt man es sich vielleicht in Zukunft, ob man wirklich zehn semi-gut sitzende T-Shirts braucht, oder ob nicht eins reicht, das passt.
fred
20. November 2018 at 11:07in Litauen und Polen. Na ja. Da wird nicht billiger produziert? Warum nicht in Schweden, Deutschland, Dänemark?
Der Trigema-Mann ist ein gutes Beispiel dafür. Warum nicht mehr so wie er? Und was die Gerechtigkeit angeht. Wir schauen immer nach Indien und was weiss ich, wohin. In der ARD-Woche kam auch, dass Deutschland mittlerweile Vorreiter ist in Sachen niedrige Löhne. Bei uns arbeiten die Leute schon lange unterhalb der Mindestlohngrenzen. Und jeder, der, der z.B. selbstständig ist, weiss aus Erfahrung, dass es viele Projekte gibt, bei denen der Stundenlohn unter einem Euro liegt. So sehr man auf die vermeintlichen Billigländer zeigt, so sehr versucht man, es ihnen gleichzutun. Wer hat den heute noch einen festen Vertrag oder einen zuverlässigen Kunden?
Wir müssen natürlich vernünftiger kaufen. mehr schauen, wo es herkommt und wir müssen vor allem schauen, dass wir nicht in Strukturen des 19. Jahrhunderts verfallen, bei denen Menschen ausgebeutet werden. Egal wo.