(Ausstellungsansicht der Haupthalle; Foto: © Vitra Design Museum, Mark Niedermann)
Als Rolf Fehlbaum, ehemaliger Chef und Vorsitzender von Vitra, Anfang der Sechziger Jahre begann, Möbel des Zwanzigsten Jahrhunderts zu sammeln, gab es Ausdrücke wie „Vintagemöbel“ noch gar nicht. Antiquitätenhändler rümpften eher mit der Nase, wenn ihnen Stühle von Thonet, Klassiker des Bauhauses oder Preziosen von Josef Hoffmann angeboten wurden. Heute hätten sie allerdings gern auch nur ein Stück davon. Die Nase von Herrn Fehlbaum war hingegen absolut unfehlbar. Sein Unternehmen legte viele Möbelentwürfe wieder auf, reeditierte demokratisch und führte maßgeblich dazu bei, dass wir heute gern zu diesen Jahrhundertdesigns greifen.
Durchsicht auf das Schaudepot Lab; Foto © Vitra Design Museum, Mark Niedermann
Der Vitra Campus in Weil am Rhein wurde unter langjähriger Leitung von Alexander von Vegesack zu einer weltbedeutenden Sammlung und eines der Aushängeschilder der deutschen Museumslandschaft. Grund dafür war auch die Architektur – angefangen mit Frank Gehry, der für den Entwurf des Vitra Design Museums verantwortlich war, über Zaha Hadid, die das Gebäude der Vitra-Werkfeuerwehr entwarf, bis hin zu Herzog & de Meuron, die jetzt das Schaudepot bauten.
Vegesack war zuvor bedeutender Thonet-Sammler und –Kenner und hatte schon das Thonet-Museum in Boppard am Rhein konzipiert. Mitte der 1980er-Jahre verkaufte er Rolf Fehlbaum für das Vitra Design Museum seine Sammlung und übernahm schließlich die Leitung.
Das Ergebnis dieser kongenialen Zusammenarbeit von zwei absoluten Designliebhabern und dem, was sie aufgebaut haben, sollte sich niemand, der auch nur annähernd in die Region kommt, entgehen lassen.
Sicht auf die Sammlungsbereiche im Untergeschoss; Foto © Vitra Design Museum, Mark Niedermann
Die Sammlung des Vitra Design Museums zählt zu den wichtigsten Beständen des Möbeldesigns weltweit. Sie umfasst insgesamt ca. 7.000 Möbel, über 1.000 Leuchten, zahlreiche Archive sowie Nachlässe von Designern wie Charles & Ray Eames, Verner Panton und Alexander Girard. Obschon das Hauptgebäude des Museums von Frank Gehry 1989 ursprünglich als Sammlungsbau konzipiert war, präsentiert das Museum darin heute große Wechselausstellungen. Die eigentliche Sammlung des Museums wurde bislang nicht dauerhaft gezeigt. Wie überall in jedem Museum kann nur ein Bruchteil ausgestellt werden und das meiste schlummert in Depots, zu denen normalerweise nur das Fachpersonal Zutritt hat.
Einblick in den existierenden, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Sammlungsbereich, Foto © Vitra Design Museum, Florian Böhm
„Manchmal konservieren und restaurieren wir Objekte, die über hundert Jahre gehütet werden müssen, um sie dann drei Monate zu zeigen“, erklärte mal eine Kuratorin des Musée Galliera in Paris, das Textil- und Modeausstellungen präsentiert und über gigantische Bestände verfügt. Das wollten die Verantwortlichen von Vitra ändern. Depots, in denen in einer unglaublichen Fülle Ausstellungsstücke in Reih und Glied stehen, wirken wie eine moderne Präsentation und man hat, wie in einem Concept Store, immer wieder das Gefühl, etwas zu entdecken. Schluss mit dem Verstecken der Designschätze …
Einblick in den existierenden, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Sammlungsbereich; Foto © Vitra Design Museum, Florian Böhm
Nun hat das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron für das Museum einen Neubau realisiert, in dem die Sammlung ausgestellt und vermittelt wird. Im Zentrum des Schaudepots steht eine Dauerausstellung von über 400 Schlüsselstücken des modernen Möbeldesigns von 1800 bis heute. Unter den gezeigten Objekten sind frühe Bugholzmöbel, Ikonen der klassischen Moderne von Le Corbusier, Alvar Aalto oder Gerrit Rietveld, aber auch bunte Kunststoffobjekte der Pop-Ära oder jüngste Entwürfe aus dem 3D-Drucker.
Ausstellungsansicht der Haupthalle; Foto © Vitra Design Museum, Mark Niedermann
Schon auf den Bildern kann man sich als Design- und Interieurliebhaber kaum sattsehen; eine Legende neben und über der anderen. Die Materialbibliotheken laden zum Entdecken und Anfassen ein. An den Wänden wird erklärt, was Proportionen oder die einzelnen Schritte der Herstellung sind, wie Bugholz in Form gebracht wird und vieles andere mehr.
Ach, hätte man doch nur ein oder zwei Originale … Aber vieles kann man ja in der Reedition auch bei Vitra erwerben, wie zum Beispiel die Klassiker von Jean Prouvé, die zu meinen aktuellen Objekten der Begierde zählen.
Außenansicht Schaudepot, entworfen von den Architekten Herzog & de Meuron; Foto © Vitra Design Museum, Mark Niedermann
Es lohnt sich, allein im Schaudepot einen ganzen Tag zu verbringen. Für den gesamten Vitra Campus plant man lieber ein paar Tage ein. Design at it’s best und in seiner Gesamtheit kaum zu übertreffen …
Schaudepot im Vitra Design Museum
Charles-Eames-Straße 2
79576 Weil am Rhein
Täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet
Der Eintritt ist frei.
Siegmar
8. Juni 2016 at 11:00Ich bin ebenfalls begeistert von den Klassiker von Jean Prouvé, bitte eine Nacht mich und einen Möbelwagen einschließen dort, ich wäre extrem glücklich 🙂
René
8. Juni 2016 at 12:23Das ist natürlich großartig! Leider kann man dänische durch die Gänge laufen oder verstehe ich das falsch?
PeterKempe
8. Juni 2016 at 13:21Rene das ist ja gerade das tolle man kann überall durch die Gaenge laufen und alles entdecken !
serven
8. Juni 2016 at 15:49@ siegmar
ich war 1995 mit meinem professor auf einer möbelausstellung
in köln. er zeigte auf stühle von prouve und meinte, man müsste
jetzt nach denen schauen, die liegen noch überall auf dem sperrmüll,
oder man könnte sie für ein paar mark (damals) in schulen kaufen.
ich habe damals nicht verstanden, was er meinte.
er selbst hatte eine riesensammlung bauhausmöbel, die er in den
60er, 70er jahren vom müll gesammelt hatte. stellenweise mit
originalbezügen aus der zeit. in seinerm atelierhaus sah es damals
schon aus, wie im vitrastudio. ich habe dann angefangen, auf dem
sperrmüll zu schauen und habe unter anderem zwei freischwinger
aus den 30 und den 50ern gefunden. in super zustand. einen arne
jacobsen stuhl aus den 60er jahren und einiges mehr. der arne
jacobsen stand damals genau neben meiner haustüre. das war unfassbar.
einer der freischwinger im u-bahneingang.
ich habe über die jahre noch ein paar dazu gekauft die liebsten aber
sind mir die eigenen, die ich gefunden habe.
re-editionen sind nicht das gleiche. sie werden im museumsbereich
auch eher mit einem nasenrümpfen gesehen. material, zusammensetzung
und auch der shape sind anders. es ist einfach etwas anderes.
am besten ist es daher zu schauen, was ist aktuelles design und das zu
kaufen und zu hüten. in 30 jahren sind dann das die gesuchten stücke.
vitra ist auf jeden fall empfehlenswert. aber es ist ein museum. man braucht
den kram nicht, man muss sich seine eigene geschichte zusammensuchen
und dieses schwelgen denen überlassen, die einfach schon 95 prouve gekauft
haben (ich leider nicht…)
PeterKempe
8. Juni 2016 at 16:19Man muss immer antizyklisch sammeln wusste schon meine Großmutter Eigentlich muss man grad holländische Gemaelde des 16.jahrhunderts und Wiener Biedermeier kaufen ,das bekommt man für nen Apfel und nen Ei.Ich habe Louis Vuitton Überseekoffer und Lalique Vasen in den Achtzigern gekauft für nichts und glücklicherweise auch moderne Klassiker von Charlotte Perriand .Jetzt Vintage und Midcentury Moebel zu sammeln kann man vergessen .Die Preise sind absurd !
Die Woche auf Horstson – KW 23/2016 | Horstson
12. Juni 2016 at 15:48[…] Am Mittwoch empfahl Peter, einen Ausflug nach Weil am Rhein zu planen. Der Grund: das kürzlich eröffnete Schaudepot auf dem Vitra Campus. Geboten wird dort das stundenlange Stöbern durch alle Möbelklassiker von Designern wie […]