(Andy Warhol, ca. 1957; © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.)
Gunter Sachs widmete 1972 Andy Warhol eine Ausstellung in seiner „Galerie in der Milchstraße“. Soweit nichts Ungewöhnliches. Es war die Premieren-Ausstellung der Galerie des Industriellenerben, der Künstler galt als talentiert, die Hamburger als kunstinteressiert und die Presse kam zahlreich – ein Erfolg schien vorprogrammiert.
Doch die Gäste teilten die Meinung über Warhol nicht: sie kamen zwar zahlreich, kauften aber so gut wie gar nichts. Weil es Sachs unangenehm war, dass keiner Warhols Arbeiten haben wollte, soll er ein Drittel der Exponate heimlich selbst gekauft haben. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte …
Noch früher, Anfang der 1950er-Jahre, fing Andy Warhol an, junge Männer zu zeichnen – vornehmlich in Tusche auf Papier, häufig nackt, meistens sexy, manchmal gelangweilt, zum Teil sexuell erregt. Die Zeichnungen sollten Warhol den Weg in die Kunstszene von New York ebnen, doch er unterschätzte die damals herrschende Homophobie.
Die Zeichnungen waren ganz anders als die Pop-Art, für die der Künstler später berühmt wurde. Dennoch finden sich auf ihnen selbst die Campbell’s-Dosen wieder. Auch der augenzwinkernde Voyeurismus – selbst die gewagtesten Zeichnungen enthalten Sinn für ironische Distanz – sollte schon bald zu einem Markenzeichen Warhols werden.
Sieht man die Zeichnungen, fühlt man sich an die Skizzen von Jean Cocteau und sogar Matisse erinnert: verdichtet und sehr liniensicher, gleichwohl von einer anregenden Freiheit und Lockerheit.
Warhols Wunsch, dass die Zeichnungen in einer Monografie publiziert werden, sollte sich zu Lebzeiten nicht erfüllen, doch der Taschen Verlag holt das Vorhaben nun posthum nach.
„Andy Warhol Love, Sex & Desire: Drawings 1950-1962“ enthält über 300 Arbeiten und liefert sicherlich einen Überblick über das kreative Schaffen des jungen Andy Warhols.
Andy Warhol. Love, Sex, and Desire. Drawings 1950–1962
Michael Dayton Hermann, Drew Zeiba, Blake Gopnik
„Andy Warhol Love, Sex & Desire: Drawings 1950-1962“ ist im Taschen Verlag erschienen und zum Preis von 75 Euro erhältlich.