Ausstellung

The Bauhaus Spirit – Eintritt in die Moderne in Paris

(Erich Consemüller, Woman in a B3 club chair by Marcel Breuer wearing a mask by Oskar Schlemmer and a dress by Lis Beyer. Photography, 1926 © Bauhaus-Archiv Berlin)

Dass Deutschland bekannt ist für seine Zuverlässigkeit und seine Präzision, weniger aber für Kreativität, ist insofern schon widerlegt, da eine bis heute prägende Designströmung von deutschem Boden ausging. Das Bauhaus stellte sämtliche Stilistiken nach dem Schock des Ersten Weltkrieges infrage und wollte einen ganz neuen Stil erschaffen, der sich nach logischen Grundsätzen den veränderten Lebensgewohnheiten des industriellen Menschen anpasst. Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter; Formen, die sich den Funktionen unterwerfen; neue Sachlichkeit und Schlichtheit und Techniken und Materialien, aus dem Flugzeug- und Maschinenbau wurden in die dogmatischen Regeln des Bauhauses als Idealbild von zukünftigen Möbeln, Architektur und Kunstgewerbe, aber auch den Bereichen Theater, Fotografie und Kunst verankert.
Wagenfeld Wilhelm (1900-1990). Paris, Centre Pompidou - MusÈe national d'art moderne - Centre de crÈation industrielle. AM1993-1-616.
Wilhelm Wagenfeld, Bauhauslampe, glass, nickel, 1923-1924. Created in the Bauhaus school’s workshop; Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Jean-Claude Planchet / A.D.A.G.P. 2016

„Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!“, schrieb der Architekt Walter Gropius in seinem Bauhaus-Manifest. Das Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet und 1933 unter Druck der Nationalsozialisten in Berlin geschlossen, war eine Kunstschule, die zum prägenden Einfluss für die Kunst des 20. Jahrhunderts wurde. Gropius schuf das Bauhaus mit der Intention, unseren Lebensraum und unsere Architektur durch eine Synthese der Künste, der Handwerke und der Industrie zu verbessern. Eigentlich ging es beim Bauhaus darum, „Design und nach handwerklichen Grundsätzen industriell gefertigte Produkte“ allen Menschen zugänglich zu machen. Das scheiterte allerdings meist – bis auf wenige Ausnahmen – daran, dass Bauhaus-Produkte aufgrund ihrer Qualität und den Materialien, zu einer Zeit, als das Klassensystem noch deutlich in Europa verankert war, zu teuer waren. Bauhaus blieb ein Stil, der für die Masse zu intellektuell und schlicht war, und setzte sich zunächst nur in elitären, meist sehr gebildeten Kreisen durch. Auch in Frankreich wurden Architekten und Designer wie Le Corbusier oder Robert Mallet-Stevens von den Maximen des Bauhauses beeinflusst oder geprägt, sodass es nicht verwundert, dass jetzt eine gigantische Retrospektive in Paris als Hommage zu sehen sein wird.
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Marianne Brandt, Self portrait reflected in a globe in Bauhaus atelier, photography, 1928-1929; © Bauhaus-Archiv Berlin / A.D.A.G.P. 2016

Das Bauhaus war seiner Zeit weit voraus und nicht heutig – ein Grund, warum die Produkte immer noch sehr modern und richtungsweisend wirken. Fast alle erhaltenen Designs sind zu Klassikern avanciert, die mit einer rätselhaften Klarheit und „Undatierbarkeit“ überzeugen. Dass die Nazis das Bauhaus und die für sie befremdlichen Gedanken zerschlugen, führte dazu, dass die „Bauhäusler“ in alle Welt emigrierten. Sie prägten dadurch den Stil auf allen Kontinenten und beeinflussten auch durch Lehraufträge bis heute sämtliche Generationen von Architekten und Produktgestaltern auf dem damals geschaffenen Fundament. Das Bauhaus gilt als „der wahre Eintritt“ in die Moderne und Weimar und Dessau sind mit ihren Gebäuden der Schulen, den Werkstätten und den Meisterhäusern längst UNESCO Weltkulturerbe.
Ob Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius, Mart Stam, Johannes Itten, Wassilij Kandinsky oder auch László Maholy Nagy – die Vertreter des Bauhauses sind bis heute Legenden ihres Fachs. Frauen wurden am Bauhaus gleichberechtigt – Marianne Brandt, Irene Beyer oder Benita Koch-Otte sind einige Beispiele dafür. Leider war für eine neue Gesellschaft Deutschland nach der Weimarer Republik der denkbar schlechteste Ort und so wurde das, was im Bauhaus Normalität war, erst fünfzig Jahre später zum Alltag.
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Lux Feininger, Mask for the Bauhaus stage on the roof of the Bauhaus school, photography, 1928; © Estate of T. Lux Feininger / Bauhaus-Archiv Berlin

Das Musée des Arts décoratifs zollt in Zusammenarbeit mit der Fondation d’Entreprise Hermès dem Bauhaus in einer umfassenden Ausstellung „The Bauhaus Spirit“ im Oktober diesen Jahres Tribut. Gezeigt werden über 900 Werke – Objekte, Möbel, Textilien, Zeichnungen, Modelle, Gemälde, die allesamt im Bauhaus-Kontext zu sehen sind und die außergewöhnliche, alle Felder durchdringende Experimentierfreude illustrieren, die das Bauhaus auszeichnet.
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Kandinsky Vassily (1866-1944). Paris, Centre Pompidou – Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle. AM81-65-1268

Die Ausstellung erläutert zum einen den historischen Bezug, die Einflüsse und die Vorbilder, die zur Bauhausgründung führten. Zum anderen werden anhand verschiedener Werkstätten alle Phasen des Lehrplanes vorgestellt. Der Ausstellungsbesucher durchläuft – ähnlich wie ein Bauhaus-Schüler – alle Stufen des Curriculums. Vom Einführungskurs, der darauf abzielte, akademische Vorstellungen aufzubrechen und den Schüler aufgeschlossen für Neues zu machen, bis zur Arbeit in den verschiedenen, spezialisierten Werkstätten. Dieser Teil der Ausstellung widmet sich den Produkten aller Bauhaus-Werkstätten von 1919 bis 1933. Abschließend konnte der Künstler Mathieu Mercier gewonnen werden, die Arbeit zeitgenössischer Künstler, Designer und Modedesigner zu beleuchten und so zu zeigen, wie der noch heute lebendige Bauhaus-Geist weiter wirkt.
Die Ausstellung, mit vielen Leihgaben – auch aus dem Bauhaus-Archiven in Berlin und Dessau und aus der umfassenden Sammlung des Pariser Centre Pompidou – ist eine fulminante Einstimmung auf sicher folgende Ausstellungen in Deutschland, die spätestens zum hundertsten Jubiläum 2019 stattfinden werden.
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Marcel Breuer, Stacking tables, wood, tubular steel, 1928; © Musée des Arts décoratifs, Paris, Jean Tholance / A.D.A.G.P. 2016

Was für mich der immer noch überspringende Gedanke und das Faszinierende beim Betrachten der Fotografien und den Bildern der Bauhäusler ist, sind die wahnsinnig modernen und völlig heutigen Gesichter der Schüler. Das Spüren der Zukunft und der Wille, sich gegen Widerstände zu behaupten, versahen diese Menschen – genau wie ihre Produkte – mit einer Aura, als wenn sie aus der Zukunft in die Zwanziger Jahre katapultiert wurden. Ein Geist, der diesen Stil von allen vorhergehenden unterscheidet und ihn auch ins nächste Jahrhundert tragen wird.
Carton d'invitation
Herbert Bayer, Postcard for the Bauhaus exhibition, lithography, 1923. Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / All rights reserved

Unbedingt anschauen und in die Reiseplanungen aufnehmen, denn Vieles wurde noch nie oder nur selten gezeigt …

The Bauhaus Spirit
Musée des Arts décoratifs

107 rue de Rivoli, 75001 Paris
19. Oktober 2016 – 26. Februar 2017
Dienstags bis Sonntags, 11 bis 18 Uhr
Donnerstags 11 bis 21 Uhr
Montags geschlossen

  • Siegmar
    9. August 2016 at 13:58

    Lieber Peter, ein großartiger Artikel über das “ Bauhaus “ mich fasziniert diese “ Bauhaus-Idee “ immer wieder, das Leben der “ Bauhäusler “ in Dessau und die jetzt wieder so strahlenden Meisterhäuser. “ Bauhaus “ ist zeitlos und mein Wassily-Chair passt überall. Weil es, wie du so schön schreibst, alles immer noch so“ heutig“ ist. In Berlin kann man so gut auf den Spuren des “ Bauhauses “ wandeln, vom Marcel Breuer Haus und dem Weltkulturerbe “ weiße Stadt “ bis zum Bauhaus-Archiv. Ich liebe die “ Neue Nationalgalerie “ und die wunderbare Gunta Stölzl, sie war die einzige Meisterin am Bauhaus Dessau. Bei deinem Satz “ wahnsinnig modernen und völlig heutigen Gesichter der Schüler“ fällt mir sofort eine „heutige“ Frau ein, die von mit so verehrte Tilda Swinton. Nochmals danke für diesen schönen Artikel.

  • Horst
    9. August 2016 at 19:58

    Das Header-Bild ist seit Jahren eines meiner absoluten Lieblingsbilder! Danke schonmal dafür 🙂

  • Stephanberlin
    13. August 2016 at 17:41

    Da MUSS man hin!!! Ich finde zwar das Bauhaus extrem ideologisch, glamour- und komfortfeindlich, also typisch deutsch, aber vielleicht sieht man ja das ganze in Paris mit ganz anderen Augen. Man muß die Bauhhaus-Lehre ja nicht ernst nehmen.