Tom Ford bleibt sich treu – auch im Sommer 2016 sehen die Männer bei dem Amerikaner aus, als würden sie den Tag über perfekt gestylt in Andy Warhols Factory verbringen und den Abend mindestens ebenso perfekt gestylt in Steve Rubells Studio 54.
Schon bei „A Single Man“ – Fords Regiedebüt 2009 – kleidete der Designer Colin Firth in Anzügen, die so tadellos waren, als hätte sie sich der Hauptdarsteller in den Sechzigern maßschneidern lassen. Am Abend dann der große Auftritt in Farbkombinationen, die an die Lava-Lampen der Swinging Sixties und an eine gute Variante von Austin Powers erinnern. Was fehlt, um Fords Sixties-Illusion perfekt zu machen, sind die psychedelischen Drogen. Vielleicht ist es das, was mir ein wenig bei Tom Ford fehlt – der Augenblick, wenn man am Morgen aufwacht und eben nicht wie aus dem Ei ausgepellt aussieht …
London
Bei dem spanischen Traditionslabel ist Loewe J.W. Anderson für den Imagewechsel verantwortlich – weg vom Image des Lederwarenherstellers, hin zum tragbaren Avantgardelabel. Eben diesen Touch ‚Avantgarde‘ bringt Anderson auch in die Kollektionen seines eigenen Labels mit rein – kombiniert mit einem Hauch Androgynität, die es meiner Meinung nach insbesondere bei den knallroten Riemchenschuhen nicht hätte geben müssen …
Ich stelle mir gerade vor, wie die Reaktionen sind, wenn man obigen Umhang Fallschirm – der in diversen Varianten über den Laufsteg von KTZ geschickt wurde, im realen Leben tragen würde … Vermutlich würden die Reaktionen zwischen „Was soll das?“ und „Respekt!“ schwanken – dazwischen wird es nicht viele Meinungen geben.
Gucci hat eins, PRADA auch und Armani sowieso: ein eigenes Café. Seit ein paar Tagen gehört auch Burberry zu den Labels, bei denen man zwischendurch auf Kaffee und Kuchen einkehren kann.
Das „Thomas’s“ wurde nach Firmengründer Thomas Burberry benannt und ist im Flagship-Store auf der Londoner Regent Street untergebracht. Auf der Speisekarte steht, was nicht verwundert, typisch britische Küche, die aus Zutaten, die von Kleinbauern aus ganz Großbritannien geliefert werden, hergestellt wird.
Im Flagship-Store wird noch etwas ganz Besonderes angeboten: eine Geschenkabteilung mit Personalisierungsservice. Wer dann also seinen „5 o’clock Tea“ im Thomas’s einnimmt, kann sich währenddessen individuell von Handwerkern Mitbringsel für Daheimgebliebene personalisieren lassen. Oder einfach für sich selbst …
Foto: Courtesy of Hermès
Die französischen Sattler-Spezialisten von Hermès überqueren den Ärmelkanal nach London per Eurostar, um ein bisschen zu flanieren. Ziel des kleinen Ausfluges ist die Saatchi Gallery, in der vom 09. April bis 02. Mai 2015 eine Ausstellung gezeigt wird, die mich ein wenig an Monty Python erinnert: „Wanderland“.
„Wanderland“ ist eine Ausstellung über die Kunst des Flanierens. „Das Flanieren, diese herrlich befreiende Kunst des urbanen Umherstreifens, ist typisch für Hermès.“ so Pierre-Alexis Dumas, künstlerischer Direktor bei Hermès, über das Thema für 2015 …
Auf Christopher Bailey ist Verlass: Für Burberry Prorsum kreieren Bailey und sein Team in jeder Saison das, was den traditionellen Erfinder des Trenchcoats eben nicht nur zu einem Hersteller von Klassikern macht, sondern in der ersten Reihe der Designer-Defilees erscheinen lässt. Den Trenchcoat gibt es natürlich auch in der Winterkollektion, diesmal aber mit knallbunten Patches. Die strenge Form verschwindet fast unter der Romantik, die Bailey dem nächsten Winter verpasst.
Im Januar, wenn der Männermodezirkus seine wichtigen Schauen für den Winter zeigt (in der Modebranche haben die Winterkollektionen einen höheren Stellenwert als die Sortimente für den Sommer), kommen wir Autoren kaum mit dem Schreiben hinterher. Während wir noch von London berichten, laufen in Mailand bereits die Kollektionen über die Stege. Abseits davon finden aber auch Präsentationen und Events statt, kleine Cocktails und Showroom-Termine. Bevor wir sozusagen nach Mailand schwenken und die vielen noch nicht rezensierten Kollektionen nach und nach besprechen, möchte ich Euch auf eine kleine Reise entführen, die besonders zauberhaft ist und mit genau dem zu tun hat, was Qualitätsprodukte und Handwerk ausmachen …
John Lobb steht bei Männerschuhen wie kein anderes Londoner Haus für gute Leisten, customized Shoes und tadellos verarbeitete Konfektionsschuhe. Die Manufaktur (wir stellten sie bereits ausgiebig vor) arbeitet mit den besten Gerbereien zusammen, benutzt besondere Leder und spezielle Sohlen und Verarbeitungstechniken. Das Archiv ist so umfassend, dass dort immer wieder Modelle aufgestöbert werden, die aktualisiert perfekt zu den Modeströmungen und Tendenzen unserer Zeit passen.
Für den Winter 2015 wurde nun, neben einer besonders raffinierten Sneakers-Kollektion, Monks und Brogues, eine Linie von Bottines vorgestellt, die nicht nur schnell zum Klassiker des modernen Dandys werden dürften, sondern auch noch genau das erzählen, was wir besonders an Mode lieben. Etwas, was den Schuhen und der Präsentation einen zusätzlichen Zauber verleiht:
Bevor der Schuhmacher John Lobb in London seine Werkstatt begründete und damit die Grundlage für das Haus Lobb legte, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Cornwall. 1851, als er 22 Jahre alt war, ging er zu Fuß von Cornwall nach London um die Großstadt zu erobern und sich Arbeit zu suchen. An den Füßen seine ersten eigenen Boots. Genau von diesen „Moorlands“, wie man die Form heute noch nennt, ließ sich Designerin Paula Gerbase inspirieren. Heraus kam eine Range von Moorlands, die mit einem Strap sowie einer Schnalle und ohne Nähte auf dem Blatt, total klassisch wirken, aber dennoch ungewöhnlich und sehr neu sind.
Der Combe und der Morval bilden das Herzstück dieser kleinen und feinen Premiere in einem Haus, das man sich englischer nicht vorstellen kann und wie aus der Welt von Charles Dickens gefallen zu sein scheint. Sicherlich genauso beeindruckt war der junge John Lobb, als er in das unfassbar große London kam und damit begann, seine Schuhe herzustellen. Zunächst wie beim Combe, mit einer Schnalle, dann mit zweien, wie beim Morval, allerdings kürzer geschnitten und elegant-robust aus einem Mix aus feinem Kalbs- und wasserfestem Büffelleder. Der Grove ist in Veloursleder hingegen etwas besser für die Stadt geeignet und wirkt von seiner Linie her eleganter und ist der ideale Boot zum Anzug.
Für den ganz auf Exzentrik ausgerichteten Dandy ist sicherlich der Oake der richtige Boot. Er spielt mit dem Kontrast von Veloursleder und Nappa und wirkt schon fast wie ein Gamaschen-Schuh. Vielleicht ist er ein toller Zusatzkauf für Burberrys Bohemiens im Herbst …
John Lobbs Wanderung macht totale Lust auf Qualität und lädt zum Träumen ein und erinnert mich gleichzeitig daran, dass ich unbedingt auf ein Paar Schuhe aus dem Hause John Lobb sparen muss, denn darin kann man wirklich beruhigt der Zukunft entgegen gehen – stilvoll und heute genauso wie 1851.
Das kommt so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Herrenmode wird in dieser Saison den Beginn der weiteren Silhouette einläuten. Nach einer Dekade der Slim-Silhouette, begründet durch die prägenden Kollektionen von Slimane für Dior Homme, muss langsam eine Richtungsänderung folgen. Burberry Prorsum machte am Montag mit der Autumn-Winter Kollektion schonmal den Anfang …
Schon in den letzten Saisons gab es bei Loewe und anderen Labels Ansätze und erste Looks, aber jetzt werden die Schultern weiter, die Silhouette A und weiter in Richtung O gehend erweitert, die Hosen bequemer und der Körper eher umspielt. In der Streetwear und auch den meisten kommerziellen Kollektionen (siehe TOPMAN) bleiben die hingegen Schnitte schmal und körpernah, die richtungsweisende Tendenz sah man jetzt aber in London, die sicherlich auch nächste Woche in Milano und danach in Paris weitergeführt wird …
Lenin, Marx und Mao Zedong – Die neue Herrenkollektion von KTZ ruft zur Geschichts- und Politikstunde auf. Ich bin noch unentschlossen, ob ich den plakativen Portrait-Abnähern auf der Oberbekleidung etwas Schönes abgewinnen kann und wenn ja, was? Auf den ersten Blick muss ich unumwunden zugeben, dass mir der herkömmliche Schulunterricht weitaus mehr zugesagt hat, als die Londoner Variante unter der kreativen Leitung von Markan Pejoski …
TOPMAN Design, Autumn-Winter 2015; Bild: PR
Auch wenn das Jahr 2015 eher mit kollektiver Trauer und Entsetzen beginnt, besonders in der Stadt, die wie keine andere für Mode und Kreation steht, startet der Reigen der Männerschauen und die Aussicht auf die Herbst-Winter Saison wie immer in London. Gleichzeitig setzt sich die Karawane der internationalen Fashionjournalisten, Models, Visagisten und tausender Helfer bei den Schauen der kleinen, großen, hochwertigen, kommerziellen oder weltbedeutenden Labels und Häuser langsam aber sicher in Gang.