Es gibt viel zu tun: SPD und Union hatten 2013 im Koalitionsvertrag vereinbart, „dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden.“ Ein erster (und vermutlich auch letzter) Schritt wurde letzte Woche getan: Das Bundeskabinett hat auf Grundlage eines Gesetzentwurfs, den Heiko Maas, Bundesminister der Justiz, eingereicht hat, beschlossen, dass die Regelung, dass Verträge zur Nutzung von Schrebergärten nach dem Tod eines Ehegatten weitergelten, auf homosexuelle Partnerschaften übertragen wird. Super! Die geschätzt 78 Menschen, die einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft angehören und gleichzeitig einen Schrebergarten ihr Eigen nennen, werden sich gefreut haben. Warum nicht auch die restlichen 127 Regelungen in 54 Gesetzen, in denen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe diskriminiert werden, zugunsten der Homosexuellen geändert wurde (insgesamt gab es in 23 verschiedenen Gesetzen und Verordnungen Änderungen), lässt sich vermutlich mit dem selben Bauchgefühl beschreiben, welches Angela Merkel schon bei der Diskussion um das Adoptionsrecht für Homosexuelle hatte:
Bundeskanzlerin Merkel möchte also ihre „Unsicherheit zum Ausdruck bringen, ohne jemanden zu diskriminieren“. Dabei hat sie sicher nur vergessen, dass Kinder, die bei Homosexuellen leben – wenn überhaupt – lediglich unter der Homophobie anderer Menschen leiden, aber mit Sicherheit nicht daran, dass ihre Eltern zufällig dem gleichen Geschlecht angehören.
Einen ähnlichen Eiertanz führte der Regierungssprecher Steffen Seibert auf, als Tilo Jung von „Jung & Naiv“ bei der Bundespressekonferenz nachfragte, ob Seibert den Widerspruch aufklären kann, gleichzeitig in allen Lebensbereichen die Diskriminierung von Homosexuellen aufheben zu wollen, die vollständige Gleichstellung aber kein Projekt der Bundesregierung sei:
„Tradition, Religion und Kultur“ – ahhh, weil es schon immer so war, wird es also auch immer so bleiben?
Einen Ansatz, den Erika Steinbach, seit 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zu teilen scheint: Auf Twitter wird sie zwar nicht müde zu betonen, dass sie gegen die „Ehe für alle“ sei, aber partout keine annehmbare Begründung dafür liefert. Gleichzeitig beruft sie sich darauf, dass ihre Meinung verdammt noch mal jeder zu respektieren hat:
Steinbach, selbst kinderlos, wird sicher nicht bedacht haben, dass in der Diskussion um die Öffnung der Ehe nicht um eine simple Meinung geht, die ihr auch keiner abspricht. Vielmehr geht es um Diskriminierungen von homosexuellen Menschen.
Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was gegen die „Ehe für alle“ spricht – selbst im Grundgesetz steht, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen. Dass „Ehe und Familie“ nur „Mann und Frau“ meint, steht da hingegen nicht.
Frau Steinbach macht sich derweil schon Sorgen, was nach der „Ehe für alle“ kommen kann und führt die Diskussion ad absurdum:
Und was haben nun die obigen Schuhe von adidas mit diesem Thema zu tun? Adidas hat anlässlich der diesjährigen Pride-Saison Specialeditions des Superstars, der Adilette und des Stan Smith herausgebracht, bei denen die Farben des Regenbogens zitiert werden. Mit Sicherheit wird dadurch nicht die Diskriminierung von Menschen, die zufällig gerade nicht heterosexuell sind, gestoppt. Es ist aber eine schöne Form, seine Solidarität auszudrücken …
Ich bin auf Eure Meinung zum Sneaker und zur „Ehe für alle“ gespannt.