Es gibt Dinge, die einen lebenslang beeinflussen und die, wenn man sie sich nach vielen Jahren immer mal wieder durchliest, auch in einer veränderten Zeit gültig sind. Es sind Leitfäden oder Leitsprüche, die unabhängig von Raum und Zeit und gesellschaftlichen Veränderungen ihre Gültigkeit behalten.
Dazu gehört ein Kapitel aus einem der ersten Modebücher, die ich mir als Kind aus der örtlichen Bücherhalle auslieh und das mich auf den Geschmack brachte, mich für das Metier zu interessieren, das mich bis heute – obwohl ich ein halbes Jahrhundert alt bin – nie mehr aus dem Bann ließ und, zumindest unterbewusst, begleitete.
Gesellschaft
Vor einigen Tagen hatte ich das erste Mal einen flüchtigen Blick auf die neue Kampagne von „& Other Stories“ geworfen. „& Other Stories“, Ableger des Textildiscounters „H&M“ und Bloggers Liebling, bedient sich darin einer Idee, die nicht unbedingt neu ist, die aber allgemein als „politisch korrekt“ angesehen wird: Models, die auf den ersten Blick nicht aussehen wie Models, werden rund um den Globus gecastet und in den Bildern als „reale Frauen von nebenan“ dargestellt: Tattoo hier, Achselhaar da – man könnte meinen, dass sich jede Frau irgendwie mit den Models, die keine Models sind, identifizieren kann.
Ich finde derlei Kampagnen dumm.
Less is More: Die „Invisible“-Kollektion von Arkadius
Posted on 24. November 2015Bild: © Pawel Tkaczyk; Courtesy of Arkadius
„Fashion is not something that exists in dresses only.
Fashion is in the sky, in the street,
Fashion has to do with ideas, the way we live, what is happening.“ Coco Chanel.
Kann man mit nichts gegen zuviel demonstrieren? Ja, man kann. Die Entwürfe des polnischen Designers Arkadius sind ein politisches Statement – und das, obwohl er im Grunde genommen nichts entworfen hat.
Die „Invisible“-Kollektion versteht Arkadius als Protest gegen den Konsum, der allerorts gepriesen wird – egal, ob es sich um Kleidung von Textildiscountern wie „H&M“ und „Zara“ handelt, oder um Highfashion-Labels, die Designer und Kunden verheizen. Die logische Folge wäre eine Reduzierung des zum Teil gleichermaßen wahl- wie stillosen Textilkonsums. In letzter Konsequenz wäre es dann der komplette Verzicht auf Klamotten. Less is more!
Seit fünf Jahren schreibe ich bei Horstson über Mode, Stil und die Hintergründe des Metiers und versuche, Pariser Haute Couture zu erklären. Ich erzähle die Geschichten, die von den Handwerkern, den Kreateuren oder den Menschen hinter den Kulissen berichten. Wir versuchen Euch Entdeckungen oder „Must-haves“ vorzustellen, die uns im Laufe des Jahres begegnen und manchmal gelingt es uns auch, Modeschätze zu heben. Das Schöne an diesem Blog ist, dass wir nicht nur wissen, wie unsere Leser ticken und dass wir zu vielen im Laufe der Jahre persönlichen Kontakt aufgebaut haben. Auch ihr wisst, wo die Schwerpunkte eines jeden einzelnen unserer Autoren liegen.
Obwohl wir uns nicht, wie auf anderen Blogs üblich, ständig selbst abbilden oder in den neuesten Klamotten zeigen, blinkt doch die ein oder andere Vorliebe eines jeden Autoren durch. So hat sich der ein oder andere Leser bestimmt schon ein Bild seines Lieblingsautoren gebildet. Dabei weiß jeder, der meine Beiträge ein bisschen studiert, dass ich ganz tief mit einer Stadt verwurzelt bin, die wie keine andere für die Freiheit, die Lebensart und die Kreation von Mode und Accessoires steht: Paris.
Ich weiß nicht genau, welches Bild Karl Lagerfeld vor Augen hatte, als er vor drei Jahren bei Markus Lanz den Satz prägte, dass derjenige, der eine Jogginghose trägt, die Kontrolle über sein Leben verloren hat. Mit absoluter Sicherheit dachte er dabei aber nicht an Schwieberdingen – er wird die kleine Gemeinde im Landkreis Ludwigsburg schlicht nicht kennen. Und dennoch wird Schwieberdingen aktuell häufig in einem Atemzug mit Lagerfeld genannt. Der Grund dafür liegt nicht daran, dass sich die Kleinstadt in ein modisches Epizentrum gewandelt hat, nein. Ein Vorstoß von Sandra Vöhringer, der Schulleiterin der Schwieberdinger Glemstalschule, sorgt dafür, dass man sich in einigen Medien um den Dresscode an Schulen Gedanken macht. Vöhringer plant eine Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, dass Schüler zukünftig ihre Mützen abnehmen sollen und keine Jogginghosen mehr getragen werden dürfen – wenn es überhaupt so weit kommt.
Herve Leger Fall-Winter 2014; Bild: CHRISTOPHER MACSURAK; Lizenz: CC BY 2.0
Vor knapp 20 Jahren gab es einen Laden in Hamburg, bei dem die Besitzerin bestimmte, wer ihre Sachen kaufen darf. Damals war die Marktstraße noch ziemlich alternativ und die Sachen aus dem Laden schwer angesagt. Auch wenn die Designs aus der Distanz betrachtet mittlerweile eher an Kartoffeldruck als an große Mode erinnern, hatte man es damals einfach so die Schmach ertragen, eventuell nicht einkaufen zu dürfen.
Nike #BeTrue-Kollektion: „Abartige Werte“ – Vitaly Milonov
Posted on 1. August 2015Bild: Nike
Heute findet in Hamburg die Parade zum CSD statt und ich bin – das erste Mal seit 12 Jahren – nicht mit dabei. Der Grund dafür, dass ich dieses Jahr nicht für die Rechte der LGBT-Community auf die Straße gehe, ist hingegen ein schöner: eine Freundin heiratet. Allerdings gäbe es seit dieser Woche einen Grund mehr zu demonstrieren. Während in Deutschland aktuell aufgrund eines Bauchgefühls der Bundeskanzlerin die Ehe nicht für Homosexuelle geöffnet wird, fährt der russische Politiker Vitaly Milonov, der Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Sankt Petersburg ist, absurde Geschütze gegen Homosexuelle auf: Einem Bericht der The Moscow Times zur Folge falle lt. Milonov die #BeTrue-Kollektion von Nike unter das Gesetz, das „homosexuelle Propaganda“ in Russland verbietet.
„Sie war in der Umkleidekabine und der Boden war nass vom Wischen!“ – wenn Kinder Kampagnen sehen
Posted on 31. Juli 2015Die spanische Künstlerin Yolanda Domínguez zeigte 8-jährigen Kinder aktuelle Kampagnen großer Modehäuser und forderte sie auf, zu beschreiben, was sie sehen. Die Frauen sind betrunken und hilflos, die Männer sind Superhelden und Chefs – das Bild, welches durch Kampagnen von Dolce&Gabbana, Miu Miu, Prada, Hugo Boss und Co. vermittelt wird, ist – zumindest mit Kinderaugen gesehen – eindeutig. Aber schaut einfachmal selbst:
Bild: Roland Godefroy (Lizenz: CC BY 3.0)
Die Bilder sind drastisch und auf nüchternen Magen kaum zu ertragen. In einem Video, das laut der Tierrechtsorganisation „PETA“ in zwei Reptilienfarmen in den USA (Lone Star Alligator Farms) und Zimbabwe (Padenga Crocodile Farms), die Gerbereien von Hermès beliefern, aufgenommen wurden, wird gezeigt, wie Krokodile in überfüllten Gruben gehalten werden und ihnen mit Messern die Kehle durchgeschnitten wurden – in einigen Fällen starben die Krokodile nicht sofort, sondern quälten sich minutenlang. Da gibt es auch nichts schönzureden und so ist es fast verständlich, dass Jane Birkin, ihres Zeichens Sängerin, Schauspielerin und Namensgeberin der Birkin Bag von Hermès, das Luxushaus auffordert, die Variante der Tasche, die aus Krokodilleder hergestellt wurde, umzubenennen:
„Ich bin alarmiert über die Grausamkeiten, die Krokodile für die Produktion von Taschen, die meinen Namen tragen, erleiden müssen. Ich habe Hermès gebeten, die „Birkin Croco“ umzubenennen, bis für die Produktion dieser Taschen Methoden nach internationalen Normen umgesetzt werden.“
Die Wahrheit tut eben weh und ich frage mich, ob Frau Birkin bisher gedacht hat, die Krokodile, die das Leder für die Taschen spenden, im Streichelzoo aufwachsen?
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Man stelle sich vor, ein Designer plant monatelang eine Schau und eine einzelne Person zieht während der Präsentation den Fokus auf eine von ihm initiierte Aktion ... So geschehen bei Rick Owens: eines seiner Models zog einen "PLEASE KILL ANGELA MERKEL NOT"-Banner raus, wobei das "NOT" nicht immer zu sehen war.
Owens hat mit der Aktion nichts zu tun und das Haus distanzierte sich ziemlich schnell: “Rick Owens does not claim responsibility for the act of protest by a model at the Spring Summer 2016 show. This was an independent statement and does not reflect the opinion of the house of Rick Owens.”
Die konkrete Message hinter der Aktion erschließt sich mir nicht. Bei dem Model soll es sich um Rick Owens Muse handeln – vermutlich wird sich der Designer zukünftig von einer anderen küssen lassen: Gegenüber der Women’s Wear Daily distanzierte sich Owens deutlich. “It’s a crazy, rogue, f***ing model that I punched when he came back out. Please say that I punched him.”