Nadège Vanhee-Cybulski zeigte jüngst ihre erste, mit Spannung erwartete Prêt-à-porter Kollektion für Hermès. Die Plätze waren heiß umkämpft und für Hermès Begriffe war es dann sogar ein großes Defilee: Das Haus zieht es normalerweise vor, seine Kollektionen im intimen Rahmen zu zeigen. Gekaufte Promis oder Front Row Exhibitionisten mögen die dezenten Unternehmer nicht. Sympathisches Understatement der alten Schule – eine Tugend, die im Hause nicht nur eine Floskel oder Marketing ist, sondern konsequent gelebt wird. Die Marke ‚Hermès‘ und ihre Dauerhaftigkeit für die nächsten Generationen stehen im Vordergrund …
Fall-Winter
Der Modemonat neigt sich dem Ende und bevor ich komplett (im wahrsten Sinne des Wortes) den Faden verliere, schaue ich mir die neue Dries Van Noten Herbst-Winter 2015-16 Damenkollektion aus Paris etwas genauer an: Prunkvolle Schneiderkunst, aufregend geschichtsträchtig.
Am Dienstag zeigte Karl Lagerfeld die Chanel Herbst-Winter Prêt-à-porter Kollektion. Das Grand Palais wurde dafür in einen Ort verwandelt, der pariserischer nicht sein könnte. Man fühlte sich gleich wie in der berühmten Brasserie Lipp oder dem Café de Flore, das seit jeher einer der Lieblingsplätze von Lagerfeld in Saint Germain ist. Der Dekor war wie immer perfekt bis ins letzte Detail umgesetzt, inklusive der typischen, etwas grummeligen, in die Jahre gekommenen Kellnern und den wackeligen Champagnerkühler-Haltern.
Nicht fehlen durften die rot gepolsterten Sitzbänke, von denen man in den Cafés den ganzen Tag beobachten kann, wie sich manches Schicksal der Pariser Bourgeoisie – egal, ob das Kennenlernen oder die bevorstehende Scheidung – an einem der kleinen Tische entschieden wird. Der Franzose beschließt vom wirtschaftlichen Fortschritt bis hin zur Verlobung der Tochter alles in diesen Traditionshäusern beim Essen.
Eine der angenehmsten Überraschungen der Mailänder Fashion Week war die Kollektion von Rodolfo Paglialunga für Jil Sander. Sie war im positivsten Sinne tragbar – was oft mit normal und simpel verwechselt wird – und „modern sophisticated“. Unaufgeregt, pur, ohne zu puristisch zu sein – so stellt man sich klassische Designergarderobe von einem Label vor, das weiß wo es hingehört.
Für mich gab es während der Mailänder Schauen zwei Sternstunden. Von einer soll in diesem Bericht die Rede sein: Fendis Fall-Winter Kollektion, entworfen von Karl Lagerfeld, der seit offiziell 1965 für das Haus arbeitet, und Silvia Venturini Fendi, die außer der Herrenkollektion auch die äußerst erfolgreichen Accessoires-Linien verantwortet. Zu Venturini Fendis Kreationen gehören auch die Bestseller „Baguette“ sowie die „Peekaboo“ und jede Saison kommen neue Accessoires hinzu, die Karl Lagerfeld dann mit Gadgets bereichert.
Parallel zur Schau überraschte Lagerfeld, der mit acht Kollektionen für Chanel plus Fendi und diverser Nebenjobs, zuletzt bei Opel, anscheinend nicht genug zu tun hat, mit der Ankündigung, dass er ab Juli in jeder Saison eine Haute Couture Linie für Fendi präsentieren wird …
„Wie viel Flohmarkt verträgt ein Luxuslabel?“, war mein erster Gedanke, als ich in dieser Woche die Kollektion der neuen Gucci Women’s Linie von Alessandro Michele, dem Designer des Hauses, in Mailand sah. Schon die Herrenkollektion im Januar, die mit dem Wechsel der Geschlechter spielt, gab einen Hinweis darauf, dass Michele scheinbar eine konsequente Änderung und einen Stilwechsel herbeiführen soll. Doch damals war Vorgängerin Frida Giannini noch an der Kollektion beteiligt und das Haus ließ verlauten, dass Michele lediglich die Entwürfe der Designerin umgestylt, verändert und andere Models ausgewählt hat. Nach der Show stand dann als Zeichen der Gemeinschaftsarbeit das ganze Team auf der Bühne. Michele rekrutierte sich dann, kurz nachdem wild über Namen wie Riccardo Tisci und Co. spekuliert wurde, als Nachfolger von Giannini.
Es stellt sich also gar nicht erst die Frage, ob die DNA von Gucci erlernt werden muss – Alessandro hat sie seit Jahren inhaliert. Er kommt aber aus einer ganz anderen Generation von Designern als seine Vorgänger und hat andere modische Ideale, wie man schon in der Menswear-Kollektion spürte. Sicherlich werden Bestseller wie Horsebit Loafer, Logo Gürtel oder auch die Bamboo Bags nicht aussterben. Diese Bestseller sind auch dringend nötig für den Konzern, der mit Sicherheit Umsatzzuwächse plant …
Auf Christopher Bailey ist Verlass: Für Burberry Prorsum kreieren Bailey und sein Team in jeder Saison das, was den traditionellen Erfinder des Trenchcoats eben nicht nur zu einem Hersteller von Klassikern macht, sondern in der ersten Reihe der Designer-Defilees erscheinen lässt. Den Trenchcoat gibt es natürlich auch in der Winterkollektion, diesmal aber mit knallbunten Patches. Die strenge Form verschwindet fast unter der Romantik, die Bailey dem nächsten Winter verpasst.
Man kann zu ihr stehen wie man will, ein Klischee bedient Victoria Beckham, einst „Spice Girl“ und Ehefrau und Mutter des Beckham Clans, überhaupt nicht, das der modemachenden Promi-Frau.
Kaum gegründet und natürlich von so manchem mit Häme erwartet wurde die Kollektion, die von der Britin auf der New York Fashion Week vorgestellt wird bereits 2011 mit dem British Fashion Awards ausgezeichnet. Schon die ersten beiden Kollektionen ließen auch die kritischsten Stimmen und heftigsten Neider verstummen und mittlerweile gehört ihr Defilee zu den Highlights des Schauenkalenders im Big Apple.
„Die Kunst beruht auf der Schlichtheit“, ist ein Zitat von Coco Chanel und genau das könnte ebenso Veronique Nichanians Grundsatz für die Männerkollektion von Hermès für Herbst-Winter 2015 gewesen sein. Das, was sie in dem Defilee im Palais de Tokyo in Paris zeigte, wendet sich an den Mann, dem Qualität wichtig ist und der mit beiden Beinen im Leben und im Job steht.
Offiziell steht die neue Lacoste-Kollektion, entworfen von Felipe Oliveira Baptista, unter dem Motto „Winter-Tennis“ – inoffiziell steht zumindest das Styling unter dem Motto „Die Royal Tenenbaums“, so sehr erinnerte das, was am Samstag über den Laufsteg in New York geschickt wurde, an die US-amerikanische Tragikomödie aus dem Jahr 2001. Es ist auch nicht sonderlich neu, sich von Wes Andersons Film inspirieren zu lassen – erst 2013 war es Miuccia Prada, die in ihrer Resort-Kollektion auf den Film verwies.