Die Dior Couture Kollektion, die am Montag vergangener Woche in Paris gezeigt wurde, war in den bisherigen Kollektionen eine der ganz großen Sternstunden von Raf Simons. Bei Simons wird deutlich gezeigt, dass er sich mit der Heritage und der Stilistik des Gründers voll identifiziert. Es ist ihm aber möglich, nicht nur seine eigene Handschrift, sondern auch seine Kultur und sein ureigenes Design spielerisch in die Entwürfe einzubringen und trotzdem très Dior 2015 zu sein.
Damenmode
Die wohl heißeste Couture Woche ging in Paris am Mittwoch zu Ende. Einer der Höhepunkte war die Show von Karl Lagerfeld im Grand Palais. Schon die Einladung machte neugierig. Wer Karl Lagerfeld kennt, weiß natürlich, dass nichts im Vorraus verraten wird und dass das Motto „3D“ nicht bedeutet, dass alle Zuschauer plötzlich mit 3D-Brillen aufsetzen müssen oder es sehr grafisch in der Kollektion zugeht.
Kein Metier ist zurzeit so nah am tatsächlichen Empfänger der Kollektions-Message dran, wie die Couture. Die Kundinnen sitzen direkt im Auditorium und schon während des Defilees kann man an ihren Gesichtern ablesen, wie es ihnen gefällt und wie sich in den Tagen nach der Schau die Orderbücher der Couturiers füllen werden. Nachdem Termine vereinbart werden und auf den Hausmodels, auf deren Maße die Kleider angepasst sind, im Salon noch einmal die Modelle gezeigt werden, bestellen die Kundinnen ihre Favoriten. Die Kundinnen machen, je nach Verfügbarkeit vor Ort, zwei Anproben und bekommen dann nach sechs bis acht Wochen das fertige Kleid geliefert. Je nachdem wie lange eine Kundin schon dem Haus verbunden ist, liegen die Maße entsprechend vor. Bei Erstbestellung ist der Aufwand natürlich größer, da eine Stockman Büste mit der individuellen Proportion der Trägerin für das Atelier gefertigt wird.
Die Kunden aus der ganzen Welt strömten letzte Woche ins Grand Palais. Sie wurden von einem ein kompletten Spielcasino im Art Déco-Stil, das an das alte Casino von Nizza erinnerte, überrascht – inklusive Slotmaschinen auf den Rängen, die natürlich Kamelien oder N°5-Flaschen in den Sichtfenstern zeigten.
Lagerfeld geht bei der Konzeption einer Kollektion vom Bild der Präsentation aus. Seine Vorstellung einer intimen Spielrunde wird durch Freunde des Hauses dargestellt, die echten Diamantschmuck aus der Kollektion tragen. Coco Chanel selbst war es, die 1931 in ihrem Appartement in der Rue du Faubourg Schmuck zeigte und damit den Grundstein zur Juwelentradition des Hauses legte. Geraldine Chaplin, Stella Tennant, Julienne Moore, Vanessa Paradies, Isabelle Huppert aber auch Nine d’Urso, die Tochter von Inès de la Fressange und viele mehr. Irgendwie bleibt es bei Karl Lagerfeld doch in der Familie und ein Blick über die Ränge zeigt, dass ihm viele Weggefährten der letzten sechzig Jahre treu begleiten. Fast wirkt die Couture wie ein Familientreffen, wenn nicht in den letzten Jahren augenfällig viele Menschen dazugekommen wären, die die „gehobene Schneiderei“ als eine Art Instagram- und Social Network-Platform nutzen wollen, um das Signal auszusenden, dass sie an einer Art Happening teilnehmen.
Dabei verpassen viele, worum es bei der Haute Couture eigentlich geht. Es geht um die Details und die permanente Verbesserung und Verfeinerung des Handwerks – gewürzt mit einer Art „Labor“, um die neuesten Techniken und Materialien auszuprobieren. Materialien, die nur in diesem Metier funktionieren und deren serielle Herstellung zu kostspielig wären. Lagerfeld ist ein Meister darin und schon bei den ersten Durchgängen der insgesamt 67 Looks wird einem das 3D-Thema klar. Was bei den typischen klassischen Chanel-Kostümen mit kniekurzem Rock und „Bord à Bord“-Jacke wie Stoff bzw. Bouclé aussieht, ist in neuester 3D Laserdruck-Technik entstandenes Material, was verschmolzen, gelocht und ohne Nähte verarbeitet ist. Jede Jacke wird individuell auf die Maße der Kundin mit Hightech hergestellt. Dabei sind die Jacken federleicht. Beim näheren Betrachten am nächsten Tag beim Re-See sieht man dann deutlich, dass Hightech auf Handwerk trifft. Vieles ist noch überstickt oder mit Applikationen, Pailletten oder anderen Materialien kombiniert. Haute Couture und die Paraffections Ateliers, die heute zu Chanel gehören, wie Desrues, Lesage, Lemarié oder auch Lognon, waren die Hightech Betriebe im 19. Jahrhundert. Lagerfeld passt dieses durchaus zeitgemäße Handwerk immer der heutigen Zeit an. Tradition bewahren heißt nicht, an Altem festzuhalten, sondern immer das zu nutzen, was Abläufe und Prozesse verbessert. Die meisten Materialien die Chanel zeigt, wären vor zehn Jahren noch gar nicht für Couture einsetzbar gewesen. Viele Stickereien werden auf Neopren, das Volumen und Großzügigkeit erzeugt, ausgeführt. Die Stickereien werden durch Glasfaser oder spezielle Folien, die auch bei opulentestem Dekor die Trageeigenschaften und die Leichtigkeit der Kleider nicht beeinflussen, leichter.
Die Linie bei Chanel wird durch breitere Schultern, gerade Schnitte und der Betonung bei Kostümen und Mänteln mit Schulterklappen unterstrichen. Auch die Bouclés sind gestickt und neben Sackkleidern mit drapierten Effekten im Rücken und leichten Watteau-Falten steht (auch) der Couture Bestseller ‚Kostüm‘ im Vordergrund. Kostüme, die aber auch Outdoor getragen werden können und deren Jacken einen sportlichen Touch haben. Die gepolsterte Schulter und die Verbreiterung mit etwas zweidimensionalen Touch hält Einzug und erinnert an Lagerfelds Kreationen Anfang der Neunziger. Kurze Trapez-Schnitte und Trench-Details werden in weiche Materialien übersetzt und neben Beige, Wollweiß und Schwarz in Nachtblau oder Schwarz-Gold gezeigt. Klassische Farben neben Couture Nuancen wie Mauve oder warmen Brauntönen: Die Klientel mag schmeichelnde Farben.
Die Atmosphäre des Casinos nimmt Karl Lagerfeld bei den vielen verschiedenen Cocktail- und Abendkleidern auf und zitiert die zwanziger und dreißiger Jahre mit fließenden seidigen Lamé Kleidern im Stile von Madeleine Vionnet und Jean Patou mit der sich nach hinten verlängernden Silhouette. Chanels Aubazine Spitzenkleid mit weißem Kragen ist ebenso vertreten, wie Chiffon- und Gazar-Kleider mit ausgestellten Röcken und opulenten Stickereien mit Collier Motiven oder Mikromosaiken. Zu den Highlights zählten auch die zwei- oder dreistufige Gatsby-Kleider mit angedeuteter Schleppe, Capuchon oder komplett mit Federn bestickte Tüllroben.
Die Zwanziger und Dreißiger Jahre hat Lagerfeld wie kein anderer studiert und so wird Poirets Schirmkleid genauso „chanelisiert“ wie die Stilkleider von Madame Lanvin. Sein Mode- und Kulturwissen ist einfach unendlich …
Racing Green, Oliv und viel Schwarz und Weiß – was manchem wie ein bunter Ablauf vorkommt, trifft exakt die Bedürfnisse und Lebensumstände, die das Couture Klientel benötigt. Sie sind es, die schließlich und endlich die Kollektion bestellt. Auch wenn es die internationale Presse anzieht, gibt es nicht wie in der Prêt-à-porter den Vorlauf des Filterns durch Presse und Einkäufer, die im Endeffekt bestimmen, was gekauft werden kann. Couture ist eine Verkaufsmodenschau. Wenn Vogue oder Harper’s Bazaar ihre Strecken zeigen, treffen die Pakete aus der Rue Cambon bereits in Los Angeles, New York, Peking oder Beirut ein und die Kundinnen haben längst gewählt.
Die Cercle Privé-Schau ist mehr als 3D. Man muss oft hinschauen und jedes Teil anfassen, um es komplett zu erfassen. Keine Schau hat es bisher so schwer gemacht, die Modelle richtig zu begreifen. Aber genau das will Karl Lagerfeld ins Bewusstsein bringen. Was oberflächlich wirkt, muss tief erfasst werden und man muss sich intensiv damit beschäftigen – darin liegt die ungeheure Passion und Qualität von Couture. Ein Kleid oder Kostüm begleitet die Trägerin über viele Jahre und wird immer wieder rausgeholt. Und es werden einige Modelle später als Dotationen in Textilsammlungen, wie dem Metropolitan Museum oder dem Fashion Institut of Technology in New York, gegeben.
Karl Lagerfeld lässt nichts unerklärt und in der Pressemappe wird ein Kostüm drei Mal fotografiert, damit auch alle seine Interpretation von 3D verstehen. Lagerfeld sieht die Welt immer mit den neuesten Augen, um sie dann ins Handwerk zu übertragen.
Die Braut erscheint im Satin-„Safari Anzug“ mit kleinem Schleier zu Barry Whites „Love Theme“ und die Chanel Couture Welt setzt sich am nächsten Tag in den Salons bei den Anproben fort. Auch wenn sich die Locations der Schauen vergrößert haben, das Medieninteresse schneller und größer geworden ist und die Materialien sich verändern – der Reiz liegt immer noch darin, dass individuell und mit ungeheurer Akribie etwas ganz allein für einen einzelnen Menschen gemacht wird. Die Zeit spielt scheinbar keine Rolle. Das ist es, was die Frauen, die sich die Haute Couture leisten, mit jedem Cent gern bezahlen.
Haute Couture ist zum Träumen da und das geht in jeder Dimension …
Fotos: Alasdair McLellan; Bild: © Uniqlo
Wir hatten vor ein paar Wochen ja schon drüber gesprochen: Die wohl heißeste Kooperation des Jahres gehen Lemaire und UNIQLO ein. Christophe Lemaire, der zusammen mit Sarah-Linh Tran das Label führt, zur Zusammenarbeit mit dem japanischen Textilriesen:
„Die UNIQLO AND LEMAIRE Kollektion basiert auf der von beiden Marken gleichermaßen geteilten Philosophie, qualitativ hochwertige Kleidung für den Alltag anzubieten. Wir haben uns nicht nur darauf konzentriert, das Design zu verbessern, sondern auch auf der hohen Qualität der Materialien zu bestehen. Unser Ziel war es, Kleidung zu kreieren, die schlicht, schön und komfortabel ist. Jedes Stück verkörpert mehrere Ideen, und so zeigt ein einzelnes Produkt verschiedene Facetten – je nachdem, wie es getragen wird. Diese Kollektion war eine wertvolle Erfahrung und eine außergewöhnliche Kollaboration für uns als Designer. Wir hoffen, dass diese Kollektion Teil von jedermanns Leben wird.“
Teil von jedermanns Leben? Naja, soweit würde ich jetzt nicht gehen, schlussendlich handelt es sich bei der Kleidung um keine Offenbarung. Schaut man sich aber die Preview-Kampagnenbilder – fotografiert von Alasdair McLellan – an, verspüre zumindest ich den Wunsch, den Rest der Kollektion zu sehen:
Über die komplette “Winter-Tennis”-Kollektion von Lacoste hatten wir ja schon gesprochen. Da wir uns aber gestern schon dem Herbst angenähert haben und wir eh ein Faible für Sweatshirts haben, ist es an der Zeit, hier und heute nochmals einen näheren Blick auf die Entwürfe von Felipe Oliveira Baptista zu werfen. Der Lacoste-Designer interpretiert für eine Capsule Kollektion, bestehend aus Poloshirts und Sweatshirts, die Geschichte des Labels neu und verweist mit Statements wie „René“, „René did it first“ und „Gazon“ auf die Tennis-Wurzeln der Marke. Natürlich finden wir Sprüche-Shirts schon aus Prinzip ziemlich daneben, machen bei Lacoste aber großzügig eine Ausnahme und fragen: „Tennis anyone?“
Hier das Lookbook der Capsule Kollektion, die ab Ende August erhältlich ist:
Gucci Cruise Collection 2016 – Wo die Zukunft der Mode begonnen hat!
Posted on 9. Juni 2015Um für die nächsten Jahrzehnte weiter bestehen zu können, muss sich die Luxusmode reformieren und eine Form finden, den immer härter werdenden Wettbewerb und die fortschreitende Globalisierung aufzufangen. Die Diskussionen um die Zukunft der Mode, egal ob beim große Luxus Symposium in Florenz im April oder der Aussage von Trendorakel Lidewij Edelkoort, die Mode sei tot, halten die Branche in Aufruhr.
Weiter geht die Reise zu Architektur-Pilgerstätten der Moderne. Das Haus Louis Vuitton lud zur Präsentation der Womenswear in die USA nach Palm Springs in Kalifornien. Auf einem der schönsten Hügel gelegen liegt das Vermächtnis einer der bekanntesten Komiker der amerikanischen Filmgeschichte – Bob Hope und seiner Frau Dolores. Die beiden hatten sich 1973 von dem Avantgarde Architekten John Lautner ein riesiges Haus bauen lassen, was sich weit öffnet und stolz über die Stadt blickt. So viel Avantgarde schien das Paar aber nur außen zu ertragen, denn ganz ihrem Hollywoodstar Image gerecht, ist es innen im Fünfziger Jahre Star-Style mit Candy Shop-Appeal eingerichtet und wird so den Wohngewohnheiten des damals schon in die Jahre gekommenen Schauspielers gerecht.
Schon als Kind, wenn wir mit dem Auto in die Ferien fuhren, wurde ich ungeduldig, wenn wir an der französischen Küste das Esterel-Gebirge passierten. Nicht nur wegen der leuchtenden Terrakotta-Farben, sondern auch, weil dort schon damals eines meiner Lieblingshäuser stand – das von Antti Lovag entworfene „Palais Bulles“. Für mich hieß es aber damals wie heute das „Barbapapa-Haus“, das mittlerweile dem französischen Modeschöpfer Pierre Cardin gehört.
Stark geprägt von Filmen wie „Fantomas“ und den tollen französischen Comic Figuren stellte ich fest, dass es diese Welt tatsächlich zu geben schien, die wir nur aus dem Fernsehen kannten.
Südfrankreich, mit seinem Licht und seiner ganz bestimmten Stimmung, hat schon immer Künstler beeinflusst und scheint in jeder Generation eine Renaissance der Inspiration zu erleben. Auf engstem Raum entwickelten Jahrhundertgenies wie Picasso oder Matisse ihre stärksten Schaffensphasen und das Licht hat den Ruf eines der schönsten der Welt zu sein.
Auch Modeschöpfer ließen sich seit jeher von den Farben und der Natur Südfrankreichs inspirieren. Jüngstes Beispiel dafür ist Raf Simons. Simons zeigte als künstlerischer Direktor bei Christian Dior seine Cruise Collection in der Location, die noch heute futuristisch wirkt. Gleichzeitig setzte Simons den Trend fort, Mode und Architektur zu verbinden: Karl Lagerfeld zeigte in Südkorea im Bau von Zaha Hadi, Nicolas Ghesquière in Palm Springs in der Bob Hope Foundation des Architekten Lautner und nun also Dior im Palais Bulles.
Bevor wir zu Raf Simons beachtenswerter Kollektion kommen, müssen wir einfach mehr über das Gebäude erfahren, das einfach kein vergleichbares Gegenstück hat. Die Idee kam dem Architekten Antti Lovag erstmals 1975. Er war beeindruckt von den kupferfarbenen Bergen, die direkt an der Côte Azur zwischen Cannes und Monaco liegen. Wie Blubberblasen fügen sich die runden Wohneinheiten mit den Verbindungsgängen sanft in die Hügelkette ein. Große Terrassen und Pool Anlagen lassen sofort „James Bond“-Feeling und Jetset-Atmosphäre aufkommen.
Antti Lovag, der sich selbst als Anti-Architekt bezeichnete und keine rechten Winkel mochte, hatte ein in Ansätzen ähnliches Haus, das aber wesentlich kleiner als das 1.200 Quadratmeter große Palais Bulles war, bereits für Antoine Gauder in Tourrettes-sur-Loup realisiert. Futurismus hatte Lovag stets beeindruckt. Er wollte das Konzept des „Wohnens ohne gerade Wände“ weiterentwickeln und auf die Spitze treiben. Pierre Bernard, ein französischer Industrieller, ließ sich von Lovags Entwürfen überzeugen. Nachdem die ersten „Wohnblasen“ fertiggestellt wurden, konnte ihn der Architekt sogar noch zu Anbauten begeistern. Von 1979 bis 1984 wurde dann auf und in den Berg unter massivem technischen Aufwand die Gesamtanlage gebaut und ausgestattet. Sogar ein Amphitheater mit 500 Plätzen und eine große Veranstaltungshalle wurden integriert. 1991 starb Bernard und Pierre Cardin erwarb das Haus, welches er bis heute bewohnt. Cardin, der neben André Courreges ab Mitte der Sechziger Jahre die Mode so gestalten wollte, wie er sich das Leben im Jahr 2000 vorstellte und ebenso stark vom Futurismus infiziert war, nutzt heute das Palais auch zur Ausstellung seiner Designsammlungen, seiner Möbel und der Interieur Entwürfe.
Der 92-jährige Cardin ist einer der Menschen, der am längsten in der Mode tätig ist. Geboren wurde Cardin 1922 in Italien. Er kam 1944 zu Jeanne Paquin, weil er außergewöhnlich gut zeichnen konnte. Dann ging alles wie in Zeitraffer. Cardins visionäres Talent scheint ihn immer genau dort hingebracht zu haben, wo Modehistorie geschrieben wurde: 1945 arbeitete er drei Monate bei Schiaparelli. Genau in dieser recht kurzen Zeit nähte er die Kostüme für Jean Cocteaus „Die Schöne und das Biest“. 1946 sollte er zu Balenciaga gehen, was aber nicht klappte. Durch Zufall hatte er aber bei Paquin einen Mann kennengelernt, der sich gerade selbstständig machte und der ihn bat, in seinen Ateliers anzufangen: Christian Dior.
Als Christian Dior seine erste Kollektion zeichnete, landete ein Entwurf im Atelier auf dem Tisch, den Cardin mit realisieren sollte. Dieser Entwurf beeinflusst bis heute den Stil des Hauses. Das „Tailleur Bar“ war einer der Gründe, warum die amerikanische Presse nach der Premiere im Februar 1947 begeistert „The New Look“ ausrief. Christian Dior wurde dadurch der berühmteste Modeschöpfer seiner Zeit und legte den Grundstein dafür, dass das Haus Dior bis heute eines der erfolgreichsten ist. Als Cardin nun während der Präsentation in der Front Row saß, hat er sich bestimmt diebisch gefreut, das Raf Simons Dior genau mit dem visionären Esprit weiterentwickelt, mit dem Cardin damals mit Monsieur Dior zusammengearbeitet hat.
Auch wenn heute die Zeiten anders sind, schafft es Simons, das „Tailleur Bar“ und die „New Look“-Silhouette so zu interpretieren, dass sie ihre Wurzeln nicht verlieren. „Spielerisch, kindlich, oft süß“, sagt Raf Simons, war sein Eindruck, als er das erste Mal das Palais Bulles sah. Genau so empfindet er auch oft den Geist von Dior, dessen Marke und Handschrift er weiterzuentwickeln versucht. Mode ist für Simons eine Art „Architektur in Stofflichkeit“ und muss mit Proportionen spielen.
So gibt er der „Bar“-Silhouette andere Gesichter, indem er die Taille hochzieht und im Stile von Claire McCardells Playsuits neue Ärmel einsetzt. Taft Shorts oder Flip Flops kombiniert Simons mit transparenten Materialien, die von ihm gegen strukturierte gesetzt wurden.
Überall finden sich Verfremdungen und überraschende Zitate der Dior Heritage: Die „Roger Vivier“-Schuhe der Sechziger mit neuen Proportionen und Absätzen. Diors Vorliebe für Blüten und die „romantische Blumenfrau“ übertragen auf fließende Fransen-Stickereien oder abstrakte Farbverläufe. Netzüberwürfe, die die berühmten Dior Plissees verschleiern, Spiele mit „Kurz-Lang“- Effekten. Einfachheit gegen Details gesetzt. Die Liste ließe sich noch unendlich weiterführen … Raf Simons beherrscht die Codes von Dior perfekt und hat es aber gleichzeitig geschafft, seine eigene Handschrift so einfließen zu lassen, dass eine frappante Modernität entsteht. Er bringt immer auch „arty Architecture“ mit ein. Die klassische Dior-Frau kann ihre Codes lesen, während die neue Kundin von Dior das findet, was man als „praktische Romantik“ beschreiben könnte: Easy Wear de luxe, die immer weiblich erscheint und die die Silhouette Diors in Komfort übersetzt.
Lurex, Patchwork oder gewirktes Crochet verarbeitet Simons modern wie kein anderer. Der Designer zeigt, das Prêt-à-porter oder Haute Couture bei Dior so umgesetzt werden, dass die Zukunft des Metiers auch in unserer globalisierten Welt nicht nur eine Berechtigung haben, sondern auch ihre heutige Form finden und das Haus begehrlich macht.
Als Hommage an die Côte Azur gibt es in diese Kollektion Drucke, die Matisse in Pop Art umsetzen, und gleichzeitig Farben des Esterel-Gebirges und Stickereien, die an Horizonte erinnern, verbinden. Raf Simons hierzu: „Verglichen mit meiner Heimat Antwerpen ist Südfrankreich das Land, in dem man immer zum Himmel hochschauen möchte, um das unendliche Licht zu genießen, das Farben so anders erscheinen lässt. Durch eben dieses Licht wirkt alles so magisch verschwommen, ganz anders als das Licht meiner Heimat, in dem alles scharf und präzise wirkt.“
Schöner kann man es nicht ausdrücken und seine Kollektion strahlt genau diese Magie aus – Diorissimo à la Raf Simons!
Bild: PR
Die Entwicklung des Pariser Modehaus ist voller Höhen und Tiefen. Gegründet 1945 von Pierre Balmain, wurde das Label schon bald im selben Atemzug mit Christian Dior und Jacques Fath genannt – nicht zuletzt wegen der aufwendigen Haute Couture-Linie. Es folgten Düfte, die zu Klassikern avancierten und zahlreiche Designer verdienten sich bei Balmain ihre Sporen – allen voran Karl Lagerfeld, der an einem Modewettbewerb teilgenommen, für den Pierre Balmain in der Jury saß. Lagerfelds Entwurf eines Damen-Wollmantels ging bei Balmain in Serie und er selbst wurde als Designer angestellt. Von nun an gings bergab.
Minga I mog dia – Ich mag München sogar sehr, sehr gerne! Liegt es an der touristisch-obligatorischen Weißwurst, den kleinen Lädchen oder der Eisbachwelle? Vielleicht liegt es auch am Glockenbachviertel oder an dem Viktualienmarkt? Fest steht, dass mich immer wieder spannende Besuche und Projekte für Horstson in die bayerische Hauptstadt ziehen.
Bilder: Julian Gadatsch
Bilder: Julian Gadatsch
Zuletzt habe ich im Showroom von Louis Vuitton vorbeischauen dürfen und dabei jede Menge inspirierende Looks für Herbst/ Winter 2015 ausgemacht. Im Fokus stehen dabei natürlich die Entwürfe für uns Männer, Kim Jones hat als Artistic Director of Menswear des Traditionshauses mal wieder alles richtig gemacht.
Dass es bei fast allen Luxushäusern Anfang Mai eine Kollektionspräsentation gibt, geht eindeutig darauf zurück, dass Karl Lagerfeld im Jahr 2000 eine Tradition wieder aufleben ließ, die 1919 von der Gründerin des Hauses Chanel für ihre Boutique in Biarritz erfunden wurde. Für die Aufenthalte an der See kreierte Coco Chanel einfachere Kleider, bequeme Dinge zum Spazierengehen und Accessoires, die man in der Sommerfrische tragen konnte. Heute, im Zuge der Globalisierung, braucht man auch im Winter leichtere Materialien und Stoffe und so hat sich die Cruise, die Ende November in die Läden kommt, zu einer stärksten Kollektionen des Hauses entwickelt. Andere Modelabel adaptierten diese Idee und so gibt es jetzt eine Art zusätzliche Saison – auch auf dem Kalender der Fashioncrowd. Dass dabei die Locations immer exotischer werden, zeigt sich in diesem Jahr, wo Louis Vuitton in Malibu zeigte und Chanel in Südkorea.
Südkorea ist das erste Ziel, das nichts mit der direkten Historie von Chanel zu tun hat. Das asiatische Land gilt aber als einer der Hauptmärkte für Luxusprodukte in Fernost und zudem als Drehkreuz des gesamten Flugverkehrs der Region. Keine Duty-free-Shops sind größer als die in der südkoreanischen Hauptstadt, nirgendwo werden höhere Umsätze gemacht …
Korea ist eine der ältesten Kulturen Asiens und unterscheidet sich in der Stilistik grundlegend von der chinesischen und japanischen. Die Farben, die Traditionen und das Handwerk sind Dinge, die Karl Lagerfeld seit jeher faszinieren. Koreaner sind Meister der Keramikkunst und koreanische Lackarbeiten lassen sich zauberhaft als Stickereien umsetzen. Ihre Eigenheit auf schwarzem Grund, grafisch und, trotzdem sie Jahrhunderte alt sind, modern und poppig wirken, beeindrucken Lagerfeld tief. Außerdem liegen für den Designer die Spannungsbögen, die ihn zu neuen Kollektionen inspirieren, in den Gegensätzen. Korea ist traditionell aber avantgardistisch zugleich, nirgendwo liegen Vergangenheit und Zukunft so nahe beieinander wie in Seoul. Nachdem dort 2014 die Culture Chanel Ausstellung „L’Esprit des Lieux“ stattfand, wurde am letzten Montag im Dongdaemun Design Plaza die Chanel Croisière Kollektion 2015/16 präsentiert.
Ohne rechte Winkel und gerade Linien stellt sich das von Zaha Hadid entworfene weltweit größte neofuturistische Gebäude als zusammenhängende Symphonie klarer, ununterbrochener Kurven dar. Wie ein außerirdisches Raumschiff, das in Seoul gelandet ist, fügt sich die Silberkonstruktion mit einer Größe von 86.574 Quadratmetern nahtlos in die urbane Landschaft mit ihren fließenden, harmonischen Linien ein. Es ist wie alles in Seoul modern und trotzdem spirituell. Dennoch schließen sich hier Moderne und Spiritualität nicht aus. Neben hochtechnologischen Entwicklungen sind die Religionen Buddhismus, Konfuzianismus und Schamanismus weiterhin ein essenzieller Teil der südkoreanischen Lebensart. Kein Gebäude wird ohne ein Ritual zur Besänftigung der Geister errichtet und der weitverbreitete Glaube an die Philosophie von Yin und Yang spiegelt sich in der Flagge sowie den traditionellen Farben des Landes wider.
Farbenfrohe Glücksbringer, die göttlichen Schutz versprechen, finden sich überall im Alltag: ob auf traditionellen, von der Joseon-Dynastie (1392-1910) inspirierten Kostümen – Hanbok genannt – oder auf den Gesichtern junger Bräute, die ihre Wangen mit zwei roten Punkten zieren. Naturverbundenheit ist ein weiterer Bestandteil der nationalen Identität. Koreaner verbringen ihre Zeit gerne beim Wandern in den Bergen, ausgestattet mit der neusten Sportausrüstung, oder auf der sechs Kilometer langen neu gestalteten Uferstrecke entlang des Cheonggyecheon im Herzen der Hauptstadt.
Als Phänomen zwischen Tradition und Avantgarde hat sich die sogenannte Koreanische Welle entwickelt: eine popkulturelle Bewegung mit unstillbarem Durst nach Pop-Musik, Filmen und TV-Serien – in diesem Teil Asiens können die Protagonistinnen beliebter Fernsehserien mutmaßlich ganze Generationen beeinflussen – aus dem eigenen Land, die sich, nicht zuletzt dank der sozialen Netzwerke, über die ganze Welt ausbreitet. Der „K-Pop“.
Dass Karl Lagerfeld aus diesen Spannungsbögen nun eine „chanelisierte“ Form entwirft, beweist die Kollektion wunderbar. Sam McKnight entwarf Mangafrisuren und selbst die „Mary Jane“-Stiefeletten erinnerten in diesem Kontext an das Land, welches die Inspiration für die Kollektion lieferte. Das Make-up war flächig und von großer asiatischer Zartheit.
Honan- und Tussah-Seide gelten in dieser Kollektion als asiatische Antwort auf den Tweed aus der Rue Cambon. Die breite Farbpalette, die an Pop-Art erinnert, durchzieht die Kollektion wie ein Farbrausch: Fuchsia, Pink, Céladon, Mintgrün, knalliges Orange und Koralle, Royal Blau …
Schon das Dekor der Schau – reines Weiß mit „Smartie“-Hockern und Dots in Knallfarben, ließ Geschmack auf das Feuerwerk der Kollektion aufkommen. Selbst Chanels Kamelie wurde grafischer, denn in den koreanischen Mustern wird gern Florales ins Geometrische umgesetzt.
Die Silhouette: Jacken mit abgerundeten Schultern, weiten Ärmeln und koreanischen Krägen, „Peter Pan“-Ausschnitte und hochgezogene Bustiers zu fließenden weiten Hosen. Röcke, ausgestellt oder gerade, enden am Knie, wohingegen bei den Kleidern pure Silhouette und verspielter Dekor gekonnt gegeneinandergesetzt wird.
Der Hanbok, die koreanische Tracht, die über der Brust mit einer Schleife gebunden in eine weite Silhouette übergeht, wird immer wieder zitiert oder gleich in eine Reihe von neu interpretierten Abendkleidern umgesetzt. Breites Colour-Blocking, gestickt oder in grafische Kaleidoskop-Muster zerlegt, finden sich an fast jedem Modell wieder.
Stickereien von Lesage und Montex übertragen die feinen floralen Arabesken der koreanischen Lacke auf Tuniken, die asymmetrisch das „Ying und Yang“-Motiv aufnehmen. Bei den Materialien spielt Lagerfeld mit festen und luftigen Stoffen. Als Gegensatz dazu wird Broderie Anglaise auf texturierter Baumwolle, Lackleder und Leinen, Organza, Tüll, Spitze zur typischen Shantung Seide der Region eingesetzt.
Von unglaublicher Raffinesse und das erste Mal in solcher Vollendung sind die Gazar Mosaike und Quilts, die fast an Haute Couture grenzen. Ob in einer oder mehreren Lagen verarbeitet, wirken sie trotz ihrer Transparenz und trotz ihrer asiatischen Inspiration wie kubistische Kunstwerke. Eine der Lagerfeld am stärksten faszinierenden Kunstperioden, die er für das Jahr 2016 in Weiblichkeit verwandelt. Wirklich neu und spektakulär!
In den fast 100 Looks gibt es viel zu entdecken – ganz gleich ob Silhouetten, Farben oder Materialien. Dank Lagerfelds ganzheitlichem kulturellen Ansatz lernt man viel über ein Land, das sicherlich vielen von uns unbekannt ist. Trotzdem schafft er es auch, dass die Kollektion zu hundert Prozent Chanel ist und europäischen Bedürfnissen gerecht wird.
Einer meiner Lieblingslooks ist die Streifenjacke aus Linton-Baumwolltweed in Sorbetfarben. Kombiniert mit einem azurblauen „Dentelle de Calais“-Kleid ist sie sehr parisienne. Trotzdem erzählt die Jacke die Geschichte der Reise nach Seoul. So etwas zu schaffen braucht nicht nur Erfahrung und Können. Es zeigt auch, dass in Lagerfelds Kopf die Globalisierung schon vor Jahrzehnten stattgefunden hat. Stil hat keine Grenzen, man muss ihn nur haben.
Die Chanel Croisière Kollektion 2016 ist feminin und visionär zugleich und zeigte einmal mehr die ungeheuren Facetten von Chanel. Fantasie und den Mut, sie umzusetzen, ist heute für Lagerfeld genauso wenig eine Hürde, wie einst bei Mademoiselle in Biarritz. Sicherlich einer der Gründe, warum Mademoiselles Zauber noch heute auf den gesamten Globus wirkt …