1.836! Es klingt unglaublich, aber lt. der Online-Community „Parfumo“ wurden allein im laufenden Jahr 2020 1.836 neue Düfte auf dem Markt gebracht. Doch neue Düfte, insbesondere solche von Designerlabels und Popstars, haben heutzutage eine Halbwertszeit im Bereich von Eintagsfliegen. Ein Großteil dieser Neuerscheinungen verschwindet nach wenigen Saisons, nur die wenigsten überdauern einige Jahre und noch viel weniger haben das Zeug zum Klassiker.
Wir haben uns durch einige Neuigkeiten geschnuppert, ein Klassiker kommt im Pride-Gewand und zwei Düfte aus dem Jahr 2019 gefallen uns immer noch. Das Ergebnis: Unsere aktuellen Duft-Favoriten.
Beauty
Shixin Huang; „Boy de Chanel“; Courtesy of Chanel
DIrgendwann stand er vor mir, groß, männlich, ein leichtes Make-up aufgetragen, aber nicht dezent genug, als dass man es nicht sehen sollte. Oh ja, man sollte es sehen. Es war an einem Ort, an dem ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem geschminkten Mann gerechnet habe; ganz nebenbei, sehr selbstverständlich und eben nicht im Club, wo man Anfang der 2000er bestenfalls Trägern der Make-up-Linie „Le Mâle Tout Beau Tout Propre“ von Jean Paul Gaultier begegnen konnte. Doch vielleicht war damals die Zeit noch nicht reif für eine dekorative Männerkosmetik-Serie, zumindest verschwanden nach einiger Zeit die Nagellacke, Bräunungspuder, Concealer, Lipgloss und Eyeliner wieder aus dem Programm des französischen Designers.
Vor knapp zwei Jahren lancierte dann Chanel die erste Label-eigene Kosmetiklinie, die sich an Männer richtete. Vermutlich ist die Zeit nun sehr reif für den mattierten Mann, denn „Boy de Chanel“ wird nun um einige Produkte ergänzt.
In einer Zeit, in der man gerne Reisen möchte, es aber nur unter allerlei Umständen machen kann, ist die Vorstellung eines Ausflugs, den man im Geiste erlebt, sehr verlockend. Gestern Malediven, morgen Wuppertal, übermorgen Paris – kein Problem, zumindest wenn man mit einer gehörigen Fantasie ausgestattet ist. Inspiration liefern Coffee Table Books, Musik, Filme und natürlich Düfte, die eh dafür stehen, die Fantasie anzuregen und die Sinne beleben. Zudem lösen sie Assoziationen zu bestimmten Orten aus und lassen uns durch ihre exotischen Zutaten in Gedanken verreisen.
Eine Maison, die beides – also Düfte und die Reisen – verbindet, ist Louis Vuitton. Dass das Haus eine lange Duft-Geschichte hat, wird oftmals vergessen. So wurde im legendären Store an der Champs-Élysées in den 1930er-Jahren eigene Duftkreationen angeboten, die die häufig extra nach Paris gereisten Kunden kaufen konnten, wenn sie sich ihre Reisekoffer bestellten. Namen wie „Eau de Voyage“ (1946), „Je tu il“ sowie „Heures d’Absence“ (jeweils aus dem Jahr 1927) entlehnten schon damals ihre Inspirationen und Namen aus dem Gefühl des Fernwehs.
Hermès, seit 1837 ein Haus der Objekte, präsentiert mit La Beauté Hermès und der ersten Kollektion Rouge Hermès, die der Schönheit der Lippen gewidmet ist, sein sechzehntes Métier und erstmals in der Geschichte dekorative Kosmetik. Parfums sind bei Hermès schon lange fester Bestandteil des Sortiments und Klassiker wie Calèche oder Amazone gab es schon früh. Doch an eines wagte sich das Familienunternehmen lange nicht heran, Make-up Linien wirkten fast zu profan, sollte man meinen. Der Anspruch bei Hermès ist hoch und so ist das Ergebnis auch keine normale Lippenstiftlinie. Kleine Kunstwerke wurden mit vielerlei Bezügen zur Geschichte des Hauses kreiert und die Geschichte der Entwicklung begann schon vor fünf Jahren.
Wie konnte das passieren? Vor wenigen Jahren hätte es vermutlich niemand für möglich gehalten, aber der Bart ist weiterhin sexy. Dieser sollte natürlich auch gepflegt sein und so verwundert es nicht, dass Barber Shops eine Art Renaissance feiern. Eine schöne Entwicklung, wie ich finde, denn nachdem seit den 1990er-Jahren das Geschäft mit den seelenlosen 10€-Friseuren expandierte, weiß man, dass die Qualität nicht an die der klassischen Handwerksbetriebe rankommt, zudem dort auch der Umgang mit dem Rasiermesser nicht gescheut wird.
Doch nicht nur der Bart ist wieder da, sondern auch Produkte, die sich schon vor Jahrzehnten ins Duftgedächtnis geprägt haben – so zum Beispiel ein Klassiker, der in den 1950-Jahren seine Premiere feierte und den mit Sicherheit jeder kennt …
(Gaspard Ulliel, Gesicht der „Bleu De Chanel Le Parfum“-Kampagne; Bild: PR)
… da ba dee da ba daa. Die Sache mit Ohrwürmern ist unberechenbar. Sie kommen scheinbar aus dem Nichts, ausgelöst durch einen Trigger – in diesem Falle ein Wortspiel – und setzen sich dann für einige Zeit fest. Im besten Fall ist der Song gut, im ungünstigsten Fall von Eiffel 65. Dankt mir später. Doch es soll hier nicht um nervenden Europop der End-90er gehen, sondern um eine angenehme Neuigkeit aus dem Jahr 2019. Doch von Anfang an.
Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass der Bart wieder out ist. So ein Quatsch. Das wäre in etwa so, als ob man sagt, Kopfhaare seien jetzt unmodern. Im Grunde genommen geht es eh nur darum, dass der Bart gepflegt und gehegt ist. Wer, wie ich, kein ruhiges Händchen für den eigenen Bart hat, dem empfehle ich den regelmäßigen Besuch eines Barbiers – mindestens alle zwei Wochen sollte man sich den Besuch im Barber Shop gönnen, gerne aber auch wöchentlich.
(Bild: Sébastien Zanella)
Karl Lagerfeld sagte einmal: „Wer auf meiner Party über Kinder oder das Wetter redet, wird nicht mehr eingeladen“. Nun möchte ich hier natürlich nicht über das Wetter plaudern, dennoch lieferte mir ein flüchtiger Blick auf meine Wetter-App den Beweis für eine gefühlte Veränderung: Es wird tatsächlich wärmer und ja, wir haben sonnige Aussichten.
Neben einer Vorliebe zur kurzen Hose, zu der sich übrigens mein Verhältnis zu Flip-Flops antiproportional verhält, ändern sich bei mir auch die Duftgewohnheiten – weg von den schweren Parfums, hin zu sommerlich-leichten Düften.
(Ted Young-Ing und Stefan Kehl; Bild: AER)
4.533! Es klingt unglaublich, aber lt. der Online-Community „Parfumo“ wurden allein im Jahre 2017 4.533 neue Düfte auf dem Markt gebracht. Natürlich verschwindet ein Großteil dieser Neuerscheinungen nach wenigen Saisons, nur die wenigsten überdauern einige Jahre und noch viel weniger haben das Zeug zum Klassiker.
Kaum Marketingbudget, keine großen Werbegesichter – Nischendüfte haben es im Verhältnis zu den Duft-Blockbustern naturgemäß schwerer, sich am Markt zu behaupten. Dabei sind es doch gerade die kleinen, feinen Düfte, die sich ganz besonders lohnen, entdeckt zu werden.
(Bleu de Chanel; Bild: Chanel)
Eltern werden es kennen: Kinder überraschen – stolz wie Oskar – als Geschenk oder einfach nur zwischendurch ihre Liebsten mit selbst gemalten Bildern, die dann häufig am Kühlschrank in eine Art heimischen Galerie präsentiert werden.
Werkreife? Vorschemaphase? Schemaphase I oder schon II? Kinderpsychologen würden vermutlich beim Anblick der Chanel-Kampagne zum Muttertag verzweifeln, zumindest in Hinblick darauf, die Werke den einzelnen Phasen in der kindlichen Entwicklung zuzuordnen. Fakt ist, dass die Bilder, die die Produkte des Hauses in den Mittelpunkt rücken, äußerst detailreich und szenisch sind, sodass es Spaß macht, sich durch die Galerie zu klicken:
Chanel lanciert demnächst erstmals eine Make-up-Linie für Männer. Für mich ein willkommener Anlass einmal einen Trend zu besprechen, den ich schon seit geraumer Zeit beobachte. Denn was, zumindest in meiner Generation, auf den ersten Blick unkonventionell erscheint, ist in globaler Sicht eigentlich nur eine längst überfällige Antwort auf eine Tendenz, die sich seit vielen Jahren verstärkt. Sicherlich schaut das Haus in erster Linie erst einmal auf die asiatischen Märkte und bedient natürlich als französische Luxusmarke, Europa, den wichtigen Ursprungsmarkt, mit. Weit gefehlt:
Denn genauer hingeschaut sind schon in südeuropäischen Kulturen und dem Nahen Osten bei Männern exakt gepflegte Augenbrauen und gefärbte Wimpern an der Tagesordnung. Bei den Asiaten verschwimmt, das belegt Instagram tagtäglich, eh die Grenzen zwischen Garderobe und Accessoires, die fröhlich aus der Damenmode adaptiert werden, viel fließender. Sicherlich auch aufgrund der Körpermaße einfacher zu bewerkstelligen als bei uns Nordeuropäern, aber auch das Bewusstsein zu den Geschlechtern ist ein anderes. In Asien sind schon allein durch Mangakultur, Pop-Art Tendenzen und die starken Idolisierungen von Stars und Designtendenzen, Männer mit Make-up Alltag und Produkte werden selbstverständlich überall angeboten.
Dass gerade bei der Generation zwischen 20 und 35 heute weniger Berührungsängste herrschen und besonders Mann viel bewusster und spielerischer mit seinem Körper umgeht, belegt nicht nur die allgemeine Tattoowelle oder auch der durchaus unkomplizierte Umgang mit Schönheitskorrekturen als es in meiner Generation, zwischen fünfzig und sechzig, gehandhabt wird. Einem Bild zu entsprechen, wie es dann häufig böswillig unterstellt wird, ist nicht der Hauptgrund, sondern die Selbstverständlichkeit von Bodyshaping, Ernährungsbalance und eben auch das Streben nach der Perfektion eines ausgeglichenen Teints und der Betonung von Gesicht und Ausdruck.
Im 18. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit, besonders bei Männern in der Aristokratie, später im neunzehnten Jahrhundert dann verschwunden.
Warum sollte man also, ich spreche weder von Nagellack noch Lippenstift, seinem Gesicht nicht das perfekte Finishing, natürlich aussehend, geben, wenn man darauf Lust hat?
Dass Männerhaut andere Eigenschaften hat, als die weibliche ist ein offenes Geheimnis und so findet Chanel jetzt, das es an der Zeit ist, dass die Jungs nicht die chicen schwarzen Packungen der Mädels stibitzen und benutzen. Es gibt eine maskuline etwas reduzierte Linie von Basic Make-up Produkten, die perfekt ins Männerbadezimmer und die Kulturtasche passen.
Unter dem Motto: Sei einfach nur Du selbst, nur besser! gibt es in der Linie Boy de Chanel eine kleine Revolution in dem Modehaus, das für seinen unwiederbringlichen Stil steht, an dem jetzt auch ein bisschen mehr die Männer teilhaben können, nachdem Pflege und Düfte schon vor Jahrzehnten auch bei den Männern zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Dabei konzentriert sich die Linie auf drei wesentliche Grundprodukte des Make-ups, eine Fondation, einen Lip-Balm und einen Augenbrauenstift in verschiedenen Nuancen. Eben das, was man als Basic für kleine Korrekturen und ein wenig mehr Ebenmäßigkeit und Gepflegtheit anwendet, um rund um die Uhr ein gutes Gefühl zu haben. Das mitternachtsblaue Packaging mit reduziertem typischen Chanel Design, pur und perfekt überzeugt dabei mit Modernität und Zeitlosigkeit und das jüngst designte Chanel Handcreme-Ei bekommt so sicherlich maskulinen Zuwachs in meiner Kulturtasche.
Im September startet Boy de Chanel in Südkorea. Ab Dezember gibt es dann für alle Jungs weltweit die Chance die Produkte auszuprobieren oder auch im Chanel Beauty-Online Store zu bestellen. Die Chanel Boutiquen lancieren Boy de Chanel ab Januar 2019.
Ich finde es eine wunderbare Sache, dass für uns Jungs eine eigene Linie geschaffen wird, denn Emanzipation ist ja keine Geschichte, die nur auf das weibliche Geschlecht begrenzt ist. Sondern für jederlei Geschlecht gilt.