Fast drei Jahre war es eine der meist fotografierten Attraktionen von Paris, wie zahlreiche Instagram-Posts beweisen – der wunderbar gestaltete weiße Bauzaun an der Ecke Rue Cambon zur Rue du Faubourg Saint Honoré. Karl Lagerfeld hatte ihn mit überdimensionalen Zeichnungen in seinem bekannt schwungvollen Strich mit den Ikonen des Hauses Chanel versehen. Ob Coco Chanel’s flacher Strohhut, den Kamelien, ihren Glücksbringern, dem Kleeblatt oder der berühmten abpaspelierten Jacke, dem fantasievollen Schmuck oder auch dem legendären N°5-Flakon, alles deutete darauf hin, dass sich dahinter Großes tut.
Architektur
(Villa Jako; Bild: Engel & Völkers / Herbert Ohge)
Zu Beginn der 1920er Jahre gab der Schiffsversicherer Hermann Witte den Bau einer Immobilie, ach, was sag ich, einer Villa am Wilmans Park 17 in Auftrag. Für die Gestaltung des ursprünglich einstöckigen Gebäudes zeichnet sich Walther Baedeker verantwortlich, welcher damals seine Bekanntheit vor allem durch den Bau von Landhäusern im Hamburger Stadtteil Blankenese erlangte. Heute dürfte der hanseatische Architekt hauptsächlich durch sein Schaffen auf Sylt und dort insbesondere in Kampen bekannt sein – wenn auch unbewusst: Über 20 Gebäude verantwortete Walther Baedeker in dem Dorf an der rauen Nordseeküste – darunter den Vorgängerbau der heutigen „Sturmhaube“, der abgerissen wurde, da die Kante des Kliffs immer näher rückte, und das legendäre „Kliffende“, über das einmal Thomas Mann sagte: „Wir reisen wieder einmal. Wie gut, daß Kliffende bleibt.“
(Bild: Courtesy of Diptyque)
Das Pariser Unternehmen Diptyque hat seit einigen Tagen mehr als einen Koffer in Berlin stehen. Schon Marlene Dietrich, eine der bekanntesten Persönlichkeiten, die bis heute für die Achse „Berlin – Paris“ steht, sehnte sich in „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ danach, immer mit einem Bein in ihrer Geburtsstadt zu sein. Sicherlich würde sie heute zu den Duftkerzen von Diptyque greifen – wenn sie denn noch leben würde.
(Bild: Courtesy of Christian Dior)
Kaum etwas sagt so viel über den Charakter eines Menschen aus, als der Einrichtungsstil. Die eigenen vier Wände, also dort, wo man ganz allein mit sich ist und wo man so sein kann, wie man will, ohne sich beruflichen Konventionen hingeben zu müssen, ist so etwas, wie es die Engländer auszudrücken pflegen, wie die Burg, die einen beschützt. „My Home ist my Castle“ bezieht sich natürlich besonders auf Menschen, die in erster Linie ihr Heim als Rückzugsort für sich und ihre Lieben sehen.
Außerdem prägen uns nicht nur unsere eigenen Wohnungen, sondern die Orte, die einen während des Lebens begleiten. Wer erinnert sich nicht an Details oder Möbelstücke, die man bei seinen Großeltern oder in seinem Elternhaus geliebt hat, die man heute aber garantiert nicht mehr in seiner Umgebung haben möchte …
JDS Architects, Hedonistic Rooftop Penthouses; Bild: Julien Lanoo / TASCHEN
Wenn man jemanden aufs Dach steigt, kann das verschiedene Gründe haben. Entweder man weist jemanden in die Schranken, oder man steigt jemandem wortwörtlich aufs Dach. Dann gehört man vermutlich zu den glücklichen Menschen, die eine Dachterrasse ihr Eigen nennen. Wir gehören dazu. Immerhin 16 Quadratmeter misst unser Glück, dem Hinterhaus im wahrsten Sinne aufs Dach gesetzt und man möchte es nicht missen. Sei es zum Rauchen oder zum Grillen, irgendwann gehörte sie zu unserem Alltag dazu und wird Jahr für Jahr neu bepflanzt, was dann – wie in diesem Jahr – optisch auch mal in die Hose gehen kann. Nächstes Mal wird alles besser …
Dass wir mit unserer Liebe zu „ganz oben“ nicht alleine sind, beweist der Taschen Verlag mit dem Bildband „Rooftops. Islands in the Sky“, der im November erscheint und der auch ganz oben auf meiner Wunschliste für Weihnachten stehen wird.
(Bild: Courtesy of Nya Nordiska)
Deutsche Kreativität und Design kommen nicht unbedingt nur aus Städten wie Berlin, Hamburg oder München. Es gibt eine ganze Menge von Unternehmen, die es abseits der großen Ballungszentren geschafft haben, ihre Vorreiterrolle mit Weltgeltung aufzubauen und in Ruhe Produkte zu kreieren, die international einen sehr guten Ruf genießen.
Auf einer Sommerreise habe ich jetzt einige dieser Diamanten der innovativen deutschen Wirtschaft besucht und landete gleich zum Anfang meiner Reise in einer der landschaftlich schönsten Regionen Norddeutschlands: Die Elbtalaue, die zu den romantischsten Flusslandschaften Europas gehört. Unweit von Lüneburg liegt das Städtchen Dannenberg, in dem das Textilunternehmen Nya Nordiska seinen Firmensitz hat.
Wer eine DIOR-Boutique, BOSS-Flagshipstores besucht, würde nie auf die Idee kommen, dass Nya Nordiska die Ideen und Produkte in dieser Region erdenkt. Doch nicht nur das: Wer weit rumkommt und sich akribisch mit Design und handwerklich perfekter Qualität beschäftigt, legt natürlich auch darauf Wert, seinen Firmensitz mit besonderer Architektur und Atmosphäre zu versehen.
Palazzo Fendi Rom – Highlights Herbst/Winter 2016
Posted on 29. März 2016Bild: Courtesy of Fendi
Während der Mailänder Modewoche präsentierte Fendi nicht nur die neue Prêt-à-porter-Kollektion für den nächsten Winter. Das italienische Label wiedereröffnete gleich im Anschluss – mitten in der römischen Innenstadt- den Palazzo Fendi. Das Gebäude ist das Stammhaus der römischen Dynastie und tritt frisch renoviert als neue Sehenswürdigkeit der italienischen Hauptstadt auf und birgt gleichzeitig viele Überraschungen.
Dadurch, dass die Verwaltung des Unternehmens im vergangenen Jahr aus den Räumen ausgezogen ist, konnte man über neue Konzepte nachdenken. So entstand nicht nur der Flagshipstore des Hauses, sondern eine ganze Welt, die sich komplett Fendi widmet. Dass Fendi für die Italiener ein Nationalerbe ist, zeigte sich spätestens daran, dass sogar der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi zur Einweihung des Palazzo Fendi kam …
Aesop Kaiserplatz Frankfurt; Bild: Aesop
Die Frankfurter Küche galt bisher als Urtyp der modernen Einbauküche. Im Rahmen des Projekts „Neues Frankfurts“ trat sie 1926 ihren Siegeszug durch die deutschen Küchen an, um die Handlungsabläufe in der Küche zu rationalisieren. Zuvor waren Einzelmöbel in Küchen üblich …
Seit einigen Tagen kann man der Frankfurter Küche noch eine weitere Aufgabe zuschreiben: sie diente den Architekten von Philipp Mainzer Office for Architecture and Design als Inspirationsquelle für den Aesop Store am Frankfurter Kaiserplatz …
Schon als Kind, wenn wir mit dem Auto in die Ferien fuhren, wurde ich ungeduldig, wenn wir an der französischen Küste das Esterel-Gebirge passierten. Nicht nur wegen der leuchtenden Terrakotta-Farben, sondern auch, weil dort schon damals eines meiner Lieblingshäuser stand – das von Antti Lovag entworfene „Palais Bulles“. Für mich hieß es aber damals wie heute das „Barbapapa-Haus“, das mittlerweile dem französischen Modeschöpfer Pierre Cardin gehört.
Stark geprägt von Filmen wie „Fantomas“ und den tollen französischen Comic Figuren stellte ich fest, dass es diese Welt tatsächlich zu geben schien, die wir nur aus dem Fernsehen kannten.
Südfrankreich, mit seinem Licht und seiner ganz bestimmten Stimmung, hat schon immer Künstler beeinflusst und scheint in jeder Generation eine Renaissance der Inspiration zu erleben. Auf engstem Raum entwickelten Jahrhundertgenies wie Picasso oder Matisse ihre stärksten Schaffensphasen und das Licht hat den Ruf eines der schönsten der Welt zu sein.
Auch Modeschöpfer ließen sich seit jeher von den Farben und der Natur Südfrankreichs inspirieren. Jüngstes Beispiel dafür ist Raf Simons. Simons zeigte als künstlerischer Direktor bei Christian Dior seine Cruise Collection in der Location, die noch heute futuristisch wirkt. Gleichzeitig setzte Simons den Trend fort, Mode und Architektur zu verbinden: Karl Lagerfeld zeigte in Südkorea im Bau von Zaha Hadi, Nicolas Ghesquière in Palm Springs in der Bob Hope Foundation des Architekten Lautner und nun also Dior im Palais Bulles.
Bevor wir zu Raf Simons beachtenswerter Kollektion kommen, müssen wir einfach mehr über das Gebäude erfahren, das einfach kein vergleichbares Gegenstück hat. Die Idee kam dem Architekten Antti Lovag erstmals 1975. Er war beeindruckt von den kupferfarbenen Bergen, die direkt an der Côte Azur zwischen Cannes und Monaco liegen. Wie Blubberblasen fügen sich die runden Wohneinheiten mit den Verbindungsgängen sanft in die Hügelkette ein. Große Terrassen und Pool Anlagen lassen sofort „James Bond“-Feeling und Jetset-Atmosphäre aufkommen.
Antti Lovag, der sich selbst als Anti-Architekt bezeichnete und keine rechten Winkel mochte, hatte ein in Ansätzen ähnliches Haus, das aber wesentlich kleiner als das 1.200 Quadratmeter große Palais Bulles war, bereits für Antoine Gauder in Tourrettes-sur-Loup realisiert. Futurismus hatte Lovag stets beeindruckt. Er wollte das Konzept des „Wohnens ohne gerade Wände“ weiterentwickeln und auf die Spitze treiben. Pierre Bernard, ein französischer Industrieller, ließ sich von Lovags Entwürfen überzeugen. Nachdem die ersten „Wohnblasen“ fertiggestellt wurden, konnte ihn der Architekt sogar noch zu Anbauten begeistern. Von 1979 bis 1984 wurde dann auf und in den Berg unter massivem technischen Aufwand die Gesamtanlage gebaut und ausgestattet. Sogar ein Amphitheater mit 500 Plätzen und eine große Veranstaltungshalle wurden integriert. 1991 starb Bernard und Pierre Cardin erwarb das Haus, welches er bis heute bewohnt. Cardin, der neben André Courreges ab Mitte der Sechziger Jahre die Mode so gestalten wollte, wie er sich das Leben im Jahr 2000 vorstellte und ebenso stark vom Futurismus infiziert war, nutzt heute das Palais auch zur Ausstellung seiner Designsammlungen, seiner Möbel und der Interieur Entwürfe.
Der 92-jährige Cardin ist einer der Menschen, der am längsten in der Mode tätig ist. Geboren wurde Cardin 1922 in Italien. Er kam 1944 zu Jeanne Paquin, weil er außergewöhnlich gut zeichnen konnte. Dann ging alles wie in Zeitraffer. Cardins visionäres Talent scheint ihn immer genau dort hingebracht zu haben, wo Modehistorie geschrieben wurde: 1945 arbeitete er drei Monate bei Schiaparelli. Genau in dieser recht kurzen Zeit nähte er die Kostüme für Jean Cocteaus „Die Schöne und das Biest“. 1946 sollte er zu Balenciaga gehen, was aber nicht klappte. Durch Zufall hatte er aber bei Paquin einen Mann kennengelernt, der sich gerade selbstständig machte und der ihn bat, in seinen Ateliers anzufangen: Christian Dior.
Als Christian Dior seine erste Kollektion zeichnete, landete ein Entwurf im Atelier auf dem Tisch, den Cardin mit realisieren sollte. Dieser Entwurf beeinflusst bis heute den Stil des Hauses. Das „Tailleur Bar“ war einer der Gründe, warum die amerikanische Presse nach der Premiere im Februar 1947 begeistert „The New Look“ ausrief. Christian Dior wurde dadurch der berühmteste Modeschöpfer seiner Zeit und legte den Grundstein dafür, dass das Haus Dior bis heute eines der erfolgreichsten ist. Als Cardin nun während der Präsentation in der Front Row saß, hat er sich bestimmt diebisch gefreut, das Raf Simons Dior genau mit dem visionären Esprit weiterentwickelt, mit dem Cardin damals mit Monsieur Dior zusammengearbeitet hat.
Auch wenn heute die Zeiten anders sind, schafft es Simons, das „Tailleur Bar“ und die „New Look“-Silhouette so zu interpretieren, dass sie ihre Wurzeln nicht verlieren. „Spielerisch, kindlich, oft süß“, sagt Raf Simons, war sein Eindruck, als er das erste Mal das Palais Bulles sah. Genau so empfindet er auch oft den Geist von Dior, dessen Marke und Handschrift er weiterzuentwickeln versucht. Mode ist für Simons eine Art „Architektur in Stofflichkeit“ und muss mit Proportionen spielen.
So gibt er der „Bar“-Silhouette andere Gesichter, indem er die Taille hochzieht und im Stile von Claire McCardells Playsuits neue Ärmel einsetzt. Taft Shorts oder Flip Flops kombiniert Simons mit transparenten Materialien, die von ihm gegen strukturierte gesetzt wurden.
Überall finden sich Verfremdungen und überraschende Zitate der Dior Heritage: Die „Roger Vivier“-Schuhe der Sechziger mit neuen Proportionen und Absätzen. Diors Vorliebe für Blüten und die „romantische Blumenfrau“ übertragen auf fließende Fransen-Stickereien oder abstrakte Farbverläufe. Netzüberwürfe, die die berühmten Dior Plissees verschleiern, Spiele mit „Kurz-Lang“- Effekten. Einfachheit gegen Details gesetzt. Die Liste ließe sich noch unendlich weiterführen … Raf Simons beherrscht die Codes von Dior perfekt und hat es aber gleichzeitig geschafft, seine eigene Handschrift so einfließen zu lassen, dass eine frappante Modernität entsteht. Er bringt immer auch „arty Architecture“ mit ein. Die klassische Dior-Frau kann ihre Codes lesen, während die neue Kundin von Dior das findet, was man als „praktische Romantik“ beschreiben könnte: Easy Wear de luxe, die immer weiblich erscheint und die die Silhouette Diors in Komfort übersetzt.
Lurex, Patchwork oder gewirktes Crochet verarbeitet Simons modern wie kein anderer. Der Designer zeigt, das Prêt-à-porter oder Haute Couture bei Dior so umgesetzt werden, dass die Zukunft des Metiers auch in unserer globalisierten Welt nicht nur eine Berechtigung haben, sondern auch ihre heutige Form finden und das Haus begehrlich macht.
Als Hommage an die Côte Azur gibt es in diese Kollektion Drucke, die Matisse in Pop Art umsetzen, und gleichzeitig Farben des Esterel-Gebirges und Stickereien, die an Horizonte erinnern, verbinden. Raf Simons hierzu: „Verglichen mit meiner Heimat Antwerpen ist Südfrankreich das Land, in dem man immer zum Himmel hochschauen möchte, um das unendliche Licht zu genießen, das Farben so anders erscheinen lässt. Durch eben dieses Licht wirkt alles so magisch verschwommen, ganz anders als das Licht meiner Heimat, in dem alles scharf und präzise wirkt.“
Schöner kann man es nicht ausdrücken und seine Kollektion strahlt genau diese Magie aus – Diorissimo à la Raf Simons!
Bild: Miu Miu
Wenn Modemarken nicht nur auf textilem Gebiet innovativ sind, sondern auch Kunst und Architektur fördern und beeinflussen, entsteht meist eine interessante Symbiose zwischen der Handschrift des Architekten und den Eigenschaften und Codes der Marke. Kunststiftungen, wie die Fondationen von PRADA oder Louis Vuitton, bereichern die Ausstellungslandschaft ungemein und sind häufig in der Lage, Ausstellungen zu finanzieren, die durch öffentliche oder staatliche Budgets gar nicht mehr möglich wären. Bei der Storearchitektur sind, besonders in Europa, häufig keine spektakuläreren oder innovativeren Neubauten mehr möglich, da die meisten Innenstädte entweder keine freien Grundstücke mehr bieten, bzw. die Immobilien in den 1A-Lagen unter Milieu- oder Denkmalschutz stehen. Nur bei der Inneneinrichtung kann dann die eigene Handschrift angewandt werden, wenn nicht eh der Einheitsbrei nach dem Corporate Identity der Marke vorherrscht …