(Bild: Edouard Caupeil)
Véronique Nichanian verantwortet seit drei Jahrzehnten die Hermès-Herrenkollektionen. Wer bei ihr den schnelllebigen Trend sucht oder den Hunger auf „wir erfinden die Männermode neu“-Inspirationen stillen möchte, ist bei ihr an der falschen Adresse. Sie prägte das, was man den „Hermès-Stil in der Herrenmode“ nennt. Dieser Stil ist ein Mix aus eleganter Sportlichkeit, gepaart mit dem untrüglichen Gespür für Materialluxus. Nichanian versteht es gekonnt, Purismus und Klassik zu einer zeitlosen Garderobe zu mischen und jedes Hermès-Kleidungsstück zu einem geliebten Dauerbrenner im Kleiderschrank werden zu lassen. Dazu arbeitet sie gern auf der Basis einer ruhigen Farbpalette, gewürzt mit den Schmuckfarben ihrer nordafrikanischen Wurzeln. Effekte erreicht Véronique Nichanian meist über die Materialien und die Raffinesse, wie sie nur die Hermès-Ateliers beherrschen. Wenn sie auf Gadgets setzt, dann doch auf die, die auf humorvolle Weise mit den Codes des Hauses spielen.
Bild: Edouard Caupeil
Wer wirklich gut angezogen sein will, sollte sich hin und wieder ein Hermès-Stück kaufen, denn genau das, wozu das Luxus-Prêt-à-porter erfunden wurde, garantiert die Kontinuität der Kollektionen aus der Feder von Véronique Nichanian. Kaufe einmal teuer, dann bist du lebenslang gut angezogen – eine Regel, die im Fast-Fashion-Zeitalter und der ununterbrochenen Aneinanderreihung von Kollektionen manchmal fast vergessen zu sein scheint.
Wer nun denkt, ‚ach wie langweilig‘ oder ‚wie belehrend‘, sollte gerade deshalb einen Blick auf die kommende Herbst/Winter-Kollektion werfen, die genau das widerlegt.
Bild: Edouard Caupeil
„Der Mann ist in der Mode in den letzten Jahrzehnten mutiger geworden“, sagte Veronique Nichanian in einem Interview. Das bedeutet bei ihr nicht, dass man plötzlich Jacken mit drei Ärmeln trägt. Die Herbst/Winter-Kollektion setzt auf Brillanz im wahrsten Sinne des Wortes: Gesteppte, glänzende Paddock-Mäntel und -Jacken in eigenwilligen Farbverläufen aus feinstem Plongé-Leder oder Techno-Twill und Shearling- oder Lammfellmäntel, die über eine weite und lässige Linie geworfen werden. Hosen sind, bis auf wenige schmale Ausnahmen, mit bequemen Bundfalten versehen und wirken gemütlich und luxuriös.
Oversize-Pullover mit grafischen, abstrakten oder fancy Motiven werden mit geknoteten Tüchern getragen. Die Farbpalette ist gediegen und brilliert zu Schwarz und Royalblau mit Mineraliennuancen wie Quartz, Kaugummipink, Chartreuse, oxydiertem Grün, Himbeere, Kobalt, Akazie oder Haselnuss.
Bild: Edouard Caupeil
Am schönsten ist der Strick: Rollkragenpullis mit Intarsien, kuschelige Kaschmirnorweger oder leuchtende Uni-Pullover, die unter ein- oder zweireihigen Jackets getragen werden. Lederjacken und gezippte Velourlederhemden mit Mountain-Applikationen und Stickereien erinnern an den Winter in den Bergen. Der Abend steht ganz im Zeichen von gechinzten Materialien und körniger Seide bei Anzügen, Sakkos und Hosen in warmen Brauntönen und Racing-Green. Kleine, kaum sichtbare Polkadots lockern die edlen Materialien auf und zitieren den klassischen Parisienne-Stil.
Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auch bei den Männern auf den Accessoires. Bowling Bags und Sacs Plumes in Clemence-Taureau-Leder und Abwandlungen der Tasche „Haut a courroie“, die später zur Birkin Bag wurde, werden in großen Formaten und mit Motiven aus der Bergwelt zum Fashion Item, ohne ihre Ursprünglichkeit zu verlieren.
Eine „brillante“ Herbst/Winter-Kollektion, die mich besonders wegen der raffinierten Farben und der Originalität, die aber nicht lächerlich oder lustig sein will, beeindruckt. Raffinesse, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, darin liegt Nichanians Könnerschaft. Sicherlich ist es auch das, was Hermès zu einer Ausnahmeluxusmarke macht. Wenn man langfristig denkt und nicht nur an Quartalsergebnissen interessiert ist, muss man nicht auf jeden Trend aufspringen. Eine im wahrsten Sinne des Wortes Wärme ausstrahlende, wunderbare Herbst/Winter-Kollektion mit sportlicher Eleganz. Eine Nische, die nicht mehr so viele Designer- und High-End-Label bedienen. Eine Insel mit eigenen Gesetzen, in der es viel zu entdecken gibt.
JayKay
23. Februar 2018 at 11:03Sehr schöne Kollektion. Die zweifarbigen Steppjacken gefallen mir sehr gut. Und der mit den Metallklammern bestückte Gürtel ist genau mein Ding.