Berlin Fashionweek

Selbstausrufung der Berliner Moderepublik

Man muss nicht unter den ersten und schnellsten sein, die ihre Expertisen und Nachlesen zur Fashion Week in Berlin verfassten und veröffentlichten. Abgerechnet werden Orderschauen weltweit ohnehin nur in den Kassen der Designer und Modeunternehmer. Die Hauptakteure können direkt nach ihrer Schau erst mal nur durchatmen, weil alles so weit gut ging und kennen vielleicht eine erste Tendenz bei den Einkäufern, wenn überhaupt. Zu schade, man braucht sie, die nationalen und internationalen Einkäufer, denn, die Kollektionen werden leider nicht direkt nach der Präsentation von bis zur Selbstauflösung begeisterten Journalisten, Bloggern und Promis geordert…

Umso erstaunter war ich über die geradezu rührenden Ansichten, die Tillmann Prüfer vom ZEIT Magazin, einer der Kenner der Branche, in der Conclusio zu seinem Artikel Berlin hat seinen Stil gefunden, zum besten gibt: Demnach fehlten in Berlin überspitzt und mit meinen Worten ausgedrückt nur potente Venture Capital Companies, Business Angels und sonstige ebenso risikolustige und gebefreudige Geldesel, die dem Umstand Rechnung trügen, dass, wie Tillmann Prüfer das auf den Punkt bringt: Große Mode braucht große Budgets, die den Designer freie Hand für Experimente geben. Die meisten der jungen Designer habe das nicht. Sie wurschteln sich von Kollektion zu Kollektion, in einem ständigen Ringen um Investoren, Kooperationspartnern und Vertriebsmöglichkeiten. Wenn ich das richtig verstehe, sind also mal wieder die Anderen schuld, weil die jungen Deutschen Designer nicht in die Pötte kommen – sich in ihren Straßenlokalen und Hinterhof-Ateliers von Kollektion zu Kollektion wurschteln müssen…

Als ob der internationale Modezirkus drauf gewartet hätte, ein paar Handvoll mehr oder weniger begabter und gut oder weniger gut ausgebildeter Neo-Designer aus Deutschland nach Waldorfs-Methoden behutsam in seine Mitte zu nehmen. Zwar kümmert sich augenfällig niemand um die internationalen Einkäufer und selbst beim nationalen Fachpublikum sieht es mau aus, man schafft es nicht, Akteure der internationalen Presse zu aktivieren und damit das Bild der Schauen in Berlin nach und nach zu internationalisieren, aber Berlin ruft sich schon mal als Moderepublik aus….
Die ganze Wahrheit über Berlin, den Status der MBFWB und die Performance der Designer konnte man hier lesen, unter der Headline The German Geradlinigkeit, beschreibt Claire vom LesMads Gastblog C’est Clairette, dem ich schon einen eigenen Bericht gewidmet habe, das Dilemma der Mutlosigkeit, des Berliner Beharrens und der damit verschenkten Möglichkeiten. Dieser Bericht ist für mich inhaltlich und stilistisch nicht mehr zu verbessern. Besser kann man auf einem Modeblog nicht berichten. In diesem Text sollten sich die Begabten unter den Designern erkennen und an der Nase fassen und endlich damit beginnen, die Gesetzmäßigkeiten der Branche für sich anzunehmen.
Ohne durchgehend gute Kollektionen und eine nachvollziehbare Entwicklung, die Einkäufern eine gewisse Sicherheit signalisiert, wird das nichts. Und man bekommt seine Orderkunden leider nicht im Körbchen vor die Tür gestellt. Ich vermute, dass die gesammelten Mangelerscheinungen des Vertriebsmarketings der Designer und der Organisatoren der MBFWB schon da beginnen, dass niemand das 1A gepflegte Adressenmaterial der wichtigsten Einkäufer national und international hat. Aber genau diese Leute stehen bei jeder Prêt à porter im Fokus der Organisatoren und der Designer. Man kann als Designer drauf pfeifen, dass die gesammelte Deutsche Prominenz über den Roten Teppich wackelt. Iris Berben wird auch bei ihrer nächsten Preisverleihung kein Kleid von Michael Sontag – sondern das eines der internationalen Häuser – tragen… Wichtig sind immer die, nach denen kein Fotograf kräht.
Verwendet eure Energie lieber dafür, fleißig Termine mit Einkäufern zu machen, besser umzusetzen, worauf es bei Kollektionen, die national und international geordert werden, ankommt. Das bringt mit den Jahren mehr, wenn man gut ist, als in den Ruf der Wölfe einzustimmen. Talent ist ganz sicher vorhanden, es kann aber wie bei Geigern auch mal länger dauern, bis man sein Handwerk virtuos beherrscht und die Welt Notiz davon nimmt. Nach jetzigem Stand der Präsentationen auf der MBFWB kann man noch nicht wissen, welche Labels als nächste den Reifegrad eines Kostas Murkurdis erreichen könnten. Dazu muss man schon das Biotop im Berliner Gurkenglas verlassen …
Rein dem Schedule und der Presse nach, ist Berlin schon ganz grandios. Wie gut die Geschäfte für die Teilnehmer wirklich laufen werden, schaue ich mir in einigen Monaten – unter den Menüpunkten Shops nach Ländern – bei den umjubelten Designerstars an. Dann wird sich ja auch schon abzeichnen, wie gut das gebetsmühlenartige Lob der von mir sehr geschätzten Vogue Chefredakteurin, Christiane Arp, und all der enthusiasmierten Modeblogger und Tillmann Prüfers dieser Republik an klingender Münze in die Kassen der gelobten Modemacher gespült hat.

Credits: Bildmaterial: MBFWB, Anne Bernecker, Screenshot Gala Style.blog

  • siegmarberlin
    18. Juli 2011 at 14:27

    @ daisydora

    wie du schon richtig bemerkst zeigt erst die Zukunft den Erfolg, ab ist es nicht so, das gebetsmühligenartiger Lob, vielleicht dann doch zu einer Aufmerksamkeit führt? Ich möchte dir nicht zu nahe treten,aber empfinde deinen Bericht, wie eigentlich fast alle Berichte von Dir bezüglich der FW Berlin, immer sehr pesimistisch, fast schon trotzig und grundsätzlich ablehnend.

  • Daisydora
    18. Juli 2011 at 16:29

    @siegmarberlin

    Ich habe bei zwanzig der teilnehmenden Designer deren Distributionsentwicklung im Auge und darauf bezieht sich mein Bericht. Wenn du keine Kunden findest, die deine Kollektionen verkaufen, oder zu wenig, dann bleibt es leider dabei, dass die Designer sich von Kollektion zu Kollektion vorwärts mühen müssen. Ein Urteil zu allen Kollektionen kann ich mir gar nicht erlauben, deshalb mein HInweis auf den sehr guten Artikel von Clairette, die mehr als ich gesehen hat und dem Anschein nach auch sehr viel davon versteht.

    Mich stört an dem Tenor, den die Berlin Berichterstattung hat, dass es den Designern nichts nützt, bejubelt zu werden, von Bloggern, die dann doch wieder bei H&M und Acne landen und Frau Arp, in deren Vogue Deutsche Designer nicht mal in Spurenelementen vorkommen.

    Fazit: Ich erlaube mir nur ein Urteil darüber, dass man die Designer, von denen im Zuge der MBFWB die Rede ist, sonst in Deutschland oder international kaum wo zu kaufen bekommt.

    Ist es da nicht besser, darauf hinzuweisen, dass der Modezirkus in Deutschland leider auch nur so funktionieren kann, wie international. Und wie der funktioniert, weiß ich gerade auch von einer ganzen Menge junger Designer.

  • siegmarberlin
    18. Juli 2011 at 16:42

    @ dasydora

    selbstverständlich ist das vollkommen richtig. Ich stelle nur für mich fest, das bei der letzten MBFWB unisono alles nieder gemacht wurde, dieses fast alle es ganz toll fanden. Frau Arp hat sicherlich ein Problem kpl. mit der Vogue Deutchland. Gelesen habe ich, das nach der FW im Hotel de Rome eine Veranstaltung der Vogue “ Vogue Salon “ war, für deutsche Designer, Unter den Einkäufern waren Ursula Vierkötter (KaDeWe), Elke Braemer (Quartier 206), Dr. Adrian Kiehn (Peek & Cloppenburg), Emmanuel de Bayser und Josef Voelk (The Corner Berlin) und Mario Eimuth vom Onlineshop Stylebop, ein kleiner Anfang, wie gesagt man muss es beobachten.Lieben Gruss nach HH

  • Daisydora
    18. Juli 2011 at 17:40

    Lieber siegmarberlin,

    wahrscheinlich schreibe ich das für einen Modeblog, der in der Hauptsache von Verbrauchern gelesen wird, zu sehr aus der Sicht des Dahinters; weil es das ist, was ich sehr gut kenne. Glaube mir, icxh bin üb er sachdienliche Hinweise von dir sehr froh, weil mir ja manchmal gar nicht klar ist, warum etwas zu haken beginnt.

    Ich freue mich über jede Initiative und werde die einzelnen Label genau wie du beobachten … würde mir aber wünschen, dass die MBFWB hier den Designern mit einer besseren Anbindung an internationales Orderpublikum und ein erweitertes Aufgebot an internationaler Presse, hilft.

    Liebe Grüße nach Berlin

  • Mia
    19. Juli 2011 at 08:35

    Venture Capital Companies und Business Angels? Die meisten Designer haben von diesen Ausdrücken wahrscheinlich erst nurmal gehört. Dass man dafür gut durchgearbeitete Zahlen und Pläne vorlegen muss, um überhaupt von diesen Herrschaften erhört zu werden, übersteigt doch die kreative Job Description und sollte auch nicht dazugehören.
    Für einen jungen Designer ist es auf jeden Fall ratsam sich jemandem zu suchen, der den wirtschaftlichen Part übernimmt und Anteile als Gegenzug bekommt. Wenn man über den Hinterhof-Designer rauskommen will…

  • Daisydora
    19. Juli 2011 at 13:39

    @Mia

    Das ist ebenso interessant wie richtig, was du über den Zugang von Designern zu Risikokapitalgebern schreibst. Da müsste im übrigen schon ein neuer Tom Ford in der Tür stehen, damit VC infrage käme….

    Und ich stimme dir auch darin zu, dass der Wendepunkt bei den miesten Designern erst damit eingeleitet wurde, dass ein starkes Unternehmen den organisatorioschen und Wirtschaftspart übernimmt… An diesem Umstand sind selbst Leute wie Helut Lang einmal gescheitert…