„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erscheint im New Yorker Rizzoli Verlag ein Bildband, das Modefreunde einfach nicht kalt lassen kann – „Dior by Avedon“.
Unumstritten gehört Richard Avedon zu den berühmtesten Modefotografen des 20. Jahrhunderts und ist seit vielen Jahren mein absoluter Lieblingsfotograf. Nicht nur, dass er ungeheuer gut aussah und charmant war: Seine Fotos bilden sozusagen eine Chronologie der Modegeschichte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sein Porträt der Donna Marella Agnelli – das berühmte „Schwanenhals“-Porträt aus dem Jahre 1950 – ziert seit meiner Jugend, zwar als Postkarte, aber immerhin mit der Unterschrift von Richard Avedon, meinen Nachttisch.
„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Für alle seine Freunde und seine berühmte Mentorin Diana Vreeland war Richard Avedon nur „Dick“. Niemand nannte ihn Richard. Vreeland war von ihm hingerissen und sein „indianisches“ Aussehen entzückte sie so sehr, dass sie ihn immer um sich haben wollte. Avedon war auch der Fotograf, den die Modejournalistin am liebsten beauftragte, um Saison für Saison die Pariser Modelle spektakulär abzulichten. Avedons Aufnahmen sehen zwar spontan aus, aber viele berühmte Anekdoten berichten darüber, dass der Fotograf in seinen Produktionen akribisch auf den „Great Shoot“ hinarbeitete.
So ließ Avedon in Paris vor der „Bar des Théâtres“ und dem „Hôtel Montaigne“ in die gesamte Fahrbahn der breiten Avenue Montaigne weiß streichen, nur damit das Licht besser auf das Modell reflektierte. Die Aufnahmen wurden in der Nacht gemacht, schließlich ging es ihm um das perfekte Fluidum.
„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Avedon war in seinem Berufsfeld schon früh eine Berühmtheit. Doch der Fotograf inspirierte auch den Film und wird Vorbild für die Filmfigur „Dick Avery“, der in „Ein süßer Fratz“ von Fred Astaire gespielt wurde. Da Astaire nicht selbst Meister-Schnappschüsse machen kann, sind die Standbilder und die berühmten „Think Pink“-Sequenzen mit Suzy Parker und Dovima von Avedon. Parallel zum Film erschienen die Bilder auch in der „Vogue“ – Avedon arbeitete eben schon damals multimedial …
Christian Dior und Dick Avedon mochten sich sehr. Dior, selbst eher schüchtern, war von dem Temperament und der Ästhetik des sehr amerikanischen New Yorkers Avedon fasziniert. Kein Wunder also, dass von der Gründung der Maison Dior bis kurz vor dem Tod Avedons 2004 die Kreationen wie eine Chronologie jetzt in dieses wunderschöne Buch gebannt werden können.
1947, als Christian Dior seine erste Haute Couture-Modenschau präsentiert, kommt Richard Avedon zum ersten Mal nach Paris und fotografiert die Kreationen der Maison. So lässt das Model Renée ihren „Corolle Rock“ vor erstaunten Passanten auf der Place de la Concorde wirbeln. Der Stoff, der darin verarbeitet wurde, die Kreation, die ultrafeminin und voluminös ist, dieser ungewöhnliche Anblick zu der damaligen Zeit: Das ist der Esprit des New Look, den Avedon in einem scheinbar spontanen Schnappschuss festhält.
„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Saison für Saison macht Richard Avedon die Architektur der Dior-Kreationen sichtbar. 1952 etwa stellt er die Geometrie eines Ensembles aus der Linie Profilée durch eine Komposition vor einer mit Graffitis besprühten Mauer heraus. Doch die markanteste Fotoserie aus der Pariser Arbeit von Avedon ist zweifelsohne die des Models Dovima, die 1955 für Harper’s Bazaar in einem langen Kleid in der Menagerie des Winterzirkus zwischen Elefanten posiert. Ein legendäres Bild, das ein Kleid zeigt, von Diors Assistenten Yves Saint Laurent entworfen, der nach dem plötzlichen Tod Christian Diors 1957 kaum 21 Jahre alt sein Nachfolger wird. Später gründet Saint Laurent zusammen mit Pierre Bergé sein eigenes Modehaus und Avedon fotografiert auch seine Kleider mit Vorliebe …
„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Nach dem Tod von Christian Dior arbeitete Richard Avedon weiter für das Haus Dior und schuf das Portrait von Yves Saint Laurent, Hand in Hand mit Suzy Parker, oder das Foto aus dem Jahr 1961, das Marc Bohan zusammen mit Roger Vivier, dem Schuhdesigner, und Mitzah Bricard, der ewigen Muse von Christian Dior, zeigt.
Avedon liebte es, neue Gesichter, wie China Machado und Jean Shrimpton, zu entdecken, die er 1964 in Dior fotografierte. Er arbeitete sehr gern mit Twiggy, Veruschka, Penelope Tree und all den anderen großen Models der damaligen Zeit zusammen, die er in Dior verewigte, manche von ihnen sogar mehrfach.
Zeitzeugin Jacqueline de Ribes, einer Stilikone, der zurzeit selbst eine Ausstellung im Metropolitan Museum gewidmet ist, berichtet in „Dior by Avedon“ über die Arbeit mit Richard Avedon. Dazu interessante Kapitel der britischen Autorin Justine Picardie, Chefredakteurin des britischen Harper’s Bazaar und Horstson-Lesern bestens durch ihre CHANEL-Biografie bekannt. Die Instanz der Modehistorie, der Leiter des Pariser Palais Galliers, des Modemuseums mit dem wohl größten Bestand an Originalen von Dior, Olivier Saillard, hat das Nachwort geschrieben.
„Dior by Avedon“; Rizzoli Verlag; Courtesy of Dior
Ein Amerikaner in Paris, den man sich nicht entgehen lassen sollte …
Dior by Avedon
Das Buch ist im Rizzoli Verlag erschienen.
206 Seiten; Verlagspreis: €150 / £115
Siegmar
1. Dezember 2015 at 14:25wunderbares Buch, leider werden die auch immer teurer.
Serven
1. Dezember 2015 at 21:12@ Peter Kempe
Oh, was würde ich gerne den Nachttisch mit der Postkarte sehen!
@ Siegmar
Wie wahr. ich habe heute für 300 Euro Bücher abgeholt und bin
jetzt pleite! 🙂
Monsieur_Didier
2. Dezember 2015 at 13:35…ein wunderbares Buch, ich bin hin und weg…
…das war in meinen Augen die wundervollste Zeit für Mode…
Dior war ein ganz großer und wenn für solche Menschen absolut begnadet talentierte Menschen arbeiten, dann wird das einfach göttlich…
und Avedon war ein Gott, wie ich mich vor ein paar Jahren in der großen Retrospektive im Gropius-Bau vergewissern konnte…
…ich habe vor kurzem noch ein paar Haute Couture Schauen von Galliano auf Youtube gesehen und ich war wieder total geflasht…
das war alles sehr Dior zugetan, ich vermisse so etwas sehr aktuell…
…das Buch ist sehr sehr schön, aber ich habe momentan leider andere Prioritäten, sonst käme ich schon ganz arg ins grübeln…!
Die Woche auf Horstson – 49/2015 | Horstson
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