von Martin Labisch
Neben der Louis Vuitton Menswear Show für S/S 2019 gab es auf der Paris Fashion Week vergangenen Juni ein weiteres Highlight in Sachen Männermode. Kim Jones hat seine erste Kollektion als Artistic Director und Nachfolger von Kris van Assche (der 2007 das schwierige Erbe Hedi Slimanes antrat) präsentiert.
Dass dies keine zu unterschätzende Aufgabe ist, zeigt Diors Position als „Top Apparel Brand“ im Forbes Global 2000 Ranking (The World’s Largest Public Companies), noch vor dem spanischen Textilunternehmen Inditex und dem US-amerikanischen Sportartikelhersteller Nike.
Dior Homme wurde vom französischen Modehaus erst 1970, unter dem damaligen Creative Director Marc Bohan lanciert, der den ins Militär eingezogenen Yves Saint Laurent ersetzte. Zuvor gab es Dior für Herren einzig in Form von Businesswear, welche nach Lizenzvergabe produziert wurde und wenig bis gar nichts mit der DNA des Hauses gemein hatte.
2017-2022 wird der Absatz von Luxusmode für Männer rasanter ansteigen als jener der Damenmode und dementsprechend opulent fiel das Dior-Debüt Jones aus:
Für das Setting konnte der New Yorker Künstler KAWS gewonnen werden, der Christian Dior zu einem seiner Companions werden ließ. Der mittels 70.000 Blumen in Überlebensgröße dargestellte Gründer des Modehauses trägt seinen geliebten Hund Bobby auf der linken Hand und beobachtet in monumentaler Form wie sich Männer nächstes Jahr in seinem Namen kleiden sollen.
Müsste ich die Kollektion in einem Absatz zusammenfassen, so wäre Folgendes in etwa das Wichtigste, das nach der ersten Durchschau hängengeblieben ist: Kim Jones hat für Dior elegante Streetwear entworfen, hauptsächlich in Pastellfarben wie etwa Rosa und Hellblau, einige weiß gehaltene Outfits präsentiert und clevere, florale Muster auf schwarzen Kleidungsstücken untergebracht. Zweireihige Sakkos! Wow, in der aktuellen Athleisure-Phase der Mode hat man fast schon vergessen, dass es die noch gibt. Direkt ins Auge gefallen sind mir die Mützen und deren Verschlüsse, die auch bei Gürteln, Accessoires und Schmuck Verwendung finden. Überraschend für Dior sind die Cargohosen. Unter Kim Jones wird Dior für Herren wieder männlicher und robuster als in den vergangenen Saisons, mit Fokus auf Tailoring, Konstruktion, Stoff und Tragbarkeit der Entwürfe.
Der Brite setzt die DNA des Hauses in eigentlich leicht wirkende Kleidung um, oft mit abgerundeten, sportiven Schultern und Elementen aus der Utility Wear. Dabei sind seine Entwürfe aufgeladen mit Referenzen aus den Dior Archiven, und zwar beginnend mit der Zeit Christian Diors, bis hin zu jener John Gallianos.
Die floralen Motive wurden zum Beispiel direkt von Herr Diors privatem Porzellanservice genommen.
John Galliano hat Ende der 1990er das derzeit eine Renaissance erfahrende Saddle Bag eingeführt, welches Kim Jones nun als Accessoire für uns Männer auf den Laufsteg geschickt hat und auch das Design der von Hutmacher Stephen Jones gefertigten Schirmmützen inspiriert hat:
Diese Kollaboration zwischen Dior und Stephen Jones zeigt, was solche Zusammenschlüsse oft vermissen lassen, wenn zwei Namen aus der Modebranche gemeinsame Sache machen. Hier wurde wirklich zusammengearbeitet, Kim Jones hat sich Hilfe bei Spezialisten ihrer Fächer geholt und diese werden für ihren Beitrag auch dementsprechend gewürdigt. Zu oft werden einfach Logos auf die Produkte anderer Marken geklebt und als Sondereditionen verkauft.
So hat Matthew Williams vom Streetwear Label Alyx die industriell anmutenden „CD“-Schnallen der Gürtel entworfen, welche auch an den Mützen Verwendung finden. Und Yoon Ahn, die Mitbegründerin von Ambush, hat eine ganz ähnliche Art von Verschluss aus den beiden Initialen des Dior-Gründers für den von ihr designten Schmuck dieser ersten Kim Jones Kollektion verwendet. Sie wird wohl auch fest als Schmuckdesignerin beim französischen Modehaus angestellt.
Der Ex-Louis Vuitton Menswear Designer zeigt uns also in seinem Debüt für Dior, wie Kollaborationen zwischen Modeschaffenden richtig funktionieren können. Er hat sich Hilfe geholt und das Design des Hauses mit den Kollaborateuren Stephen Jones, Matthew Williams und Yoon Ahn vorangetrieben. Der gleichzeitige Rückgriff auf Objekte aus dem Dior-Archiv beschert uns Rezipienten clevere Accessoires wie die Saddle Bag für Männer, einen neuen Must-Have Gürtel, der die Off-White Spanngurte hoffentlich endlich zurück in ihr eigentliches Arbeitsgebiet verbannt, und vom legendären Hutmacher Stephen Jones entworfene Mützen, die das Dad-Cap als angesagteste Kopfbedeckung ablösen könnten.
Schnitttechnisch sind vor allem die „Tailleur Oblique“ genannten Sakkos von Interesse. Auch diese hat Kim Jones nach Vorbild von Teilen aus dem Archiv entworfen. Der eigentlich einfache Kniff, ein Stoffband als zusätzlichen Verschluss von der linken Innenseite zum Knopf an der rechten Brust des Trägers anzubringen, verleiht dem Dessin einen asymmetrischen und interessanten Look.
Eine weitere Referenz an die Geschichte des Hauses Diors hat Kim Jones ganz subtil in sämtliche blau-weiß gestreiften Kleidungsstücke einweben lassen. Die Streifensetzung hat er nämlich nach Vorbild von ersten Entwürfen des Künstlers und Modeillustrators René Gruau anfertigen lassen, der 1960 fast Menswear Designer für Dior wurde. Doch da die Verträge aufgrund von Monsieur Diors Tod nicht mehr unterzeichnet werden konnten, sind nur Entwürfe René Gruaus erhalten. Kim Jones hat seine zeichnerisch festgehaltenen Ideen nun textil umgesetzt.
Eher enttäuschend sind die präsentierten Sneaker und Schuhe. Ja, durchgehend zeitgemäß, aber nichts besonderes. Irgendwie sind sie auch einen Tick zu sportlich, um zum Dior Look zu passen. Die Modelle mit Allover-Dior-Logo sind sogar fast schon etwas trashy.
Insgesamt ist Kim Jones also eine sehr kaufbare Debütkollektion für das Traditionshaus gelungen, mit einzelnen Teilen, die geradezu Kult-Charakter bekommen könnten. Er offeriert uns Herren eine durchdachte, mit cleveren Referenzen an die Geschichte Diors bespickte Kollektion, welche durch Qualität in Design und Herstellung überzeugt, ohne auf übermäßigen Hype-Faktor setzen zu müssen, denn die Kollaborateure, die in diesem Fall an der Entwicklungsphase der Produkte maßgeblich beteiligt waren, bestechen durch fachspezifisches Savoir-Faire und wurden nicht einzig aufgrund ihrer Namen an Bord geholt.
Das Marketing Team Diors hat mit der von KAWS speziell neu gestalteten, ursprünglich von Hedi Slimane als Logo für die Herrenkollektionen eingeführten, Dior-Biene den richtigen Riecher bewiesen und sie als animiertes Logo bereits am Tag der Show als Gif auf Instagram integrieren lassen. Die Gucci-Biene mag aktuell zwar stärker im Bewusstsein der Fashion Victims sein, doch auch bei Dior hat sie Tradition, soll sie doch auf des Gründers Liebe für das Gärtnern hinweisen. Und so steckt tatsächlich etwas von jedem Vorgänger Jones in dieser Kollektion für S/S 19.
Ähnlich wie bei Louis Vuitton, war die erste Reihe der Show besetzt mit aktuellen Kulturbeeinflussern: ASAP Rocky, Skepta, Kanye West, Virgil Abloh, Victoria Beckham, Karl Lagerfeld, Takashi Murakami, eine der Hadid Schwestern (auseinanderhalten kann ich sie nicht). Und alle haben sich brav mit den in Baby Dior gekleideten KAWS Companions ablichten lassen und diesen quasi bei der Übernahme Instagram geholfen.
I also need one of these. @Skepta you lucky son of a bitch. pic.twitter.com/HiIDIZFTnA
— I’m your finder. (@hllwy) 24. Juni 2018
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Dior dank Kim Jones nun auf Hypebeast, Highsnobiety und Co. stattfindet und das aufgrund gut gemachter Mode, die eine neue Zielgruppe erreicht. Jones ist der derzeitige Champ der Menswear, der das obsolet gewordene Dior Homme, ab sofort ohne das „Homme“, zurück in die Kleiderschränke der Herren führt, vor allem aber auch in die der jüngeren Generation.
Siegmar
3. August 2018 at 13:46Sehr, sehr gelungen!
Glencheck
6. August 2018 at 17:32Eigentlich wäre diese Mode nicht ganz mein Fall. Aber die Begeisterung, die aus dem Artikel spricht, ist so ansteckend, dass ich ganz begeistert bin. Und dass René Gruau selber Kleidung entworfen hat, wusste ich auch nicht. Danke, Martin Labisch, für diese supertolle Rezension der Schau!
Martin
7. August 2018 at 13:15@Glencheck Gerne doch! Freut mich, dass die Rezension gefällt 🙂