Präzision und Material-Rafinesse – Hermès Männer Herbst/Winter 2012

Bei der Herrenmodenschau von Hermès in der Galerie des Grand Palais am vorletzten Samstagabend hatte ich sofort eine Assoziation, nämlich das Gedicht von Rainer Maria Rilke, in dem er das Karussell im Jardin du Luxemburg in Paris beschreibt: Eine Zeile, die immer wiederkehrt „und dann und wann, ein grauer Elephant.“ weil immer, wenn der Kreis sich dreht, der Elephant wieder erscheint … Genau dieses Grau bildet den Grundtenor und die Tendenz der gesamten Kollektion.
Lediglich Schwarz, ein tiefes Burgund und ein wenig Nachtblau wechseln sich damit fragil ab, oder stehen im wechselseitigen Spiel mit den Grautönen. Einige wenige Durchgänge zeigen ein ganz helles, fast eisig wirkendes Himmelblau oder Silber.

Feinste Materialien und versteckte Raffinesse werden zur Meisterschaft gebracht. Auf den ersten Blick, kaum sichtbar, denkt man, da kommen ein Hemd und eine Hose spaziert ,aber bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Hemd, das man für eines aus Baumwoll-Popeline hielt, als ein Lederhemd daher, das so flach und fein wie Batist wirkt.
Nur Hermès kann solche Materialien verarbeiten. Eine Strickjacke, sieht aus wie Strick, der auf der Schulter ein wenig glänzt, auch hier zeigt sich etwas, das nur die Handwerker des Traditionshauses können. Die Schulterpartie ist aus Leder, das mit Hilfe von feinsten Nadeln in den Strick eingearbeitet ist und Übergänge von Leder zu Strick in Cashmere bildet.
Insgesamt ist die Linie an Purismus nicht zu übertreffen und erinnert an Jil Sanders Hoch-Zeiten in den 90er-Jahren.

Die Materialien, feinstes Kroko, Cashmere, Babycamel, Flanelle. Die Sportswear besteht lediglich aus einem unglaublich raffiniertem dicken Pulli und seinem Pendant als geknöpfte Schulter-Variante. Cordanzüge wie Samt zeigen sich casual und das neue Carrée-Motiv „C’est la fete“ in Nachtschwarz und Blau, wird als Cardigan, kombiniert mit Strick, gezeigt. Cardigan de Luxe, auch als Abenddress, durchaus gesellschaftsfähig.

Die Kollektion ist ungeheuer subtil, nichts für den oberflächlichen Blick, der da sagen würde: klassisch. Es ist eine Kollektion, die ruft, „komm und schau das einzelne Teil an, der Teufel steckt im Detail!“
Bei den Accessoires gibt es das tiefrote Bordeaux Leder, in der Qualität Taurillon Clemence, für weiche Taschen, in den Formen „Plume“ und „Victoria“. Richtige Männer-Taschen, die einen das ganze Leben und in jeder Lebenslage begleiten können.
Jedes Teil ist auf die Ewigkeit ausgerichtet und wird auch noch in zwanzig Jahren tragbar sein. Die Materialien dürften auch bis dahin keine Abnutzungen zeigen, bei all den Verarbeitungsstufen. Hermès leistet sich eine galaktische Zeitlosigkeit in der Kollektion, die Zeit, Raum und das Alter des Trägers total undefinierbar erscheinen lassen.
Man nimmt sich das Privileg heraus, als eine der wenigen und letzten echten Luxusmarken, keine Modekollektion in dem Sinne mehr zu zeigen, sondern eine Aneinanderreihung von handwerklichen Meisterwerken, die in Material und Verarbeitung fast wie ein Mirakel erscheinen und ähnlich der Philosophie des Hauses bei den Accessoires, einmal gekauft, nie wieder den Schrank verlassen müssen.

Die Winter Herrenkollektion von Hermès ist da angekommen, wo Männermode eigentlich hingehört, weit hinter dem Horizont von aufschreienden Trends und dem Neu sein wollen. Sie ist ein ewiger Klassiker.

Bilder: Hermès