(Foto: Courtesy of Prada)
Auch wenn Gucci erst im März während der Frauenschauen seine neue Herbst/Winter-Herrenkollektion zeigt, möchte ich schon mal frech behaupten, dass eine der ausgereiftesten und schönsten Männerschauen vor einigen Tagen von Miuccia Prada präsentiert wurde.
Ganz nach dem Sprichwort „Einem alten Seemann spuckt man nicht in den Bart“ brachte die Herbst/Winter-Kollektion die Marke und ihre Heritage auf den Punkt. Angefangen vom Dekor der Schau, das wieder gemeinsam vom Design- und Architekturbüro AMO und Prada erdacht und konzipiert wurde, zeigt sich auch hier die Rückkehr zum Realismus.
Foto: Courtesy of Prada
Nachdem futuristische Dekore nicht mehr in unsere politisch wechselhafte Zeit passen, nimmt Prada hier den Trend zur Intimität auf: Betten, flache Bücherregale und abgerundete Wände, die die Sitzgelegenheiten von Fachpublikum und Presse bilden. Dabei ist es ein scharfer Kontrast zwischen der kargen Industriearchitektur der Halle und den typischen italienischen Wohnmaterialien wie Terrazzo, Holz und Majolika-Fliesen, die den Dekor der einzelnen Sektionen bilden.
Jeder Besucher bekommt durch die ungewöhnliche Aufteilung eine ganz eigene perspektivische Sicht auf die Models und die Looks. So, als würde man es aus seinem eigenen Kokon heraus betrachten.
Fotos: Courtesy of Prada
Die Verbindung von Kunst und Mode, von konstruktivistischen Ansätzen, gepaart mit der italienischen Mode der Sechziger und Siebziger ist das, was Prada in den Neunziger groß gemacht und den besonderen Stil geprägt hat. Etwas, was viele Häuser erst in den letzten Jahren entdeckt haben, ist bei Prada Teil der Heritage.
Diesmal unternimmt die Herrenkollektion einen Ausflug in die Siebziger und zeigt auf luxuriöse Weise das, was mein Physiklehrer 1976 trug: Anzüge aus Breitcord und Sakkos in erdigen Farbtönen; dazu Crochet- und Strukturstrick-Pullover. Ein bisschen die Spuren der ersten politisch aufgeklärten 68er, die an den Studentenbewegungen teilgenommen hatten und dann doch in einer Festanstellung gelandet sind. Junge Idealisten, die damals der ersten Ökobewegung nicht abgeneigt waren, die dann aber doch zu Typen wie Kris Kristofferson oder Kenny Rogers neigten.
Damals begann das, was wir uns heute auf die Fahne schreiben – Umweltbewusstsein, die Rettung der Wälder, Konsumbewusstsein und soziales Denken wurden von der ersten Nachkriegsgeneration in Schulen und Unis eingeführt.
Fotos: Courtesy of Prada
Natürlich – typisch Prada – werden die Anzüge mit breitem Stepp und Lederapplikationen geadelt, die sie von den Inspirationen meilenweit absetzen und ihnen etwas Dekonstruiertes verleihen. Breite Gürtel in Ponyfell und Desert Boots im „Kicker’s“-Stil oder zweifarbige, kontrastierende, halbhohe Schnürschuhe mit Wandertag-Appeal dazu, werden nicht nur mich begeistern, sondern ganz bestimmt Bestseller. Die Anzüge gibt es auch in dicken, an irische Anzugstoffe der Fünfziger Jahre erinnernden Wollkaros, zu denen die Winterversion des Prada-Klassikers – die Cross Sandale – besetzt mit matten dezenten Nieten, getragen werden. Dazu werden schwarze Socken, Ton in Ton, kombiniert, sodass man die Sandalen erst auf den zweiten Blick als Bruch wahrnimmt.
Fotos: Courtesy of Prada
Die Hosen sind komfortabel geschnitten, gerade mit bequemer Hüftweite und ein bisschen zu lang, der Pitti-Uomo-Pfau mit ultrakurzen Hosen gehörte noch nie zu den Prada-Anhängern. Die Prada-Spezialität schlechthin – Schlichtheit gegen Extravaganz zu setzen – wurde auch bei der Herbst/Winter-Kollektion in den Looks umgesetzt, die mit blauen Chambray-Hemden und schlichten, grauen V-Pullovern zu Hose in Nappaleder mit auffälligen Accessoires spielen. Flauschige Motivpullover mit italienischen Landschaften und Stillleben der Nachkriegszeit – auch das Inspirationen, die man nur bei Prada sieht. Traumhaft und Key Items der Kollektion.
Fotos: Courtesy of Prada
Die absoluten Lieblingsstücke sind aber die kurzen Lumber-Blousons mit Kragen in Pepita und feinen Glenchecks und die knapp sitzenden Skiblousons im Stil von Luis Trenker der Dreißiger, die breit die Taille und den Kelchkragen betonen.
Sehr schön sind die Trenchcoats in Loden und Nappa; dazu, wie selbst gestrickte kleine College Schals und Muschelketten, sowie aus kleinen Holzastgabeln und Silber kombinierte Ketten.
Breite Tasselloafer in zweifarbiger, gebürsteter Optik in poliertem Leder – eine Technik, die kaum jemand so wie Prada beherrscht.
Fotos: Courtesy of Prada
Alle Looks wirken klassisch, aber nicht Basic; intellektuell, aber nicht verschroben. Die Botschaft ist ganz klar – die Kollektion ist tragbar und eher nicht nur eine Saison gültig. Anzüge und Sakkos werden durch die Materialien zu Casualwear; das Farbspiel erdig, Wasserblau, Curry, Brick, warmes Cognac, helle Grautöne und Herbstwald-Nuancen.
Fotos: Courtesy of Prada
Die Interpretation 2017 mit „Wanderlust“-Appeal zeigt, dass Prada ganz ohne Studienratallüre einen Chic für die neue Saison zeigt, der die Werte widerspiegelt, die Mode auch haben darf; Bildung ausstrahlen, ohne dabei an schreiende Märkte zu denken.
Für mich eine wunderschöne Kollektion, die feinfühlig auf den derzeitigen Zeitgeist und die Rückbesinnung auf Werte reagiert und die Prada damit sehr zukünftig macht. Eine Kollektion, die beim Betrachten große Harmonie und wohltuende Emotionen auslöst; die wunderbar entschleunigt wirkt und nicht jedermann zu bedienen versucht. Eine Kollektion, die ganz Prada bleibt und sich stilistisch nicht verbiegt.
„Back to the Woods“ mit Prada: Cord- und Runwaypulli – ich kann es kaum erwarten …
Elke Kempe
18. Januar 2017 at 11:07Na,das ist doch mal eine Mode,die Mütter für ihre Söhne lieben !
Siegmar
18. Januar 2017 at 11:46wunderbar, tragbar und schön, schöner Artikel
Elke kempe
18. Januar 2017 at 13:20Sehr sehr hübsch,besonders die Strickteile!!
Stephanberlin
18. Januar 2017 at 14:11Ich LIEBE deine 68er, die dann doch in einer Festanstelung gelandet sind!!! Du schreibst sooo toll!!!
blomquist
18. Januar 2017 at 16:44Ich finde die Kollektion so wunderbar.
vk
18. Januar 2017 at 17:16jawoll. permanent collection! alles und fuer immer. besonders strick und cord.
natuerlich sind es nicht irgendwelche berge, die hier die wanderlust treiben. nicht irgendwelche universitaeten. nicht bauhaus moebel. natuerlich nicht. wir sind in amerika. im guten amerika. wir sind in den rockies von colorado. in boulder, in den liberal arts colleges. die moebel wunderbarer amerikanischer internationalismo. eames, eames, hurrah! oder so.
das gute amerika!
nie war es wertvoller als heute.
well done!
danke miuccia! danke peter!
PeterKempe
18. Januar 2017 at 17:42Ich bin so verliebt in diese Kollektion und was mir schon lange nicht mehr passiert ist kann gar nicht abwarten,das sie in die Laeden kommt !
Markus Brunner
18. Januar 2017 at 18:19wunderbare Kollektion, ich hatte auch sofort meinen Physiklehrer im Kopf und auch alle anderen genannten Assoziationen, die handgestrickten Pullover sind Mega, eigentlich fehlen noch Holzclogs, wunderbar geschrieben Peter, vielen Dank dafür !!!