Gucci, Kurfürstendamm Berlin am vergangenen Samstag; Bild: Horstson
Die Letzte Generation hat am vergangenen Samstag die Schaufenster einiger Luxusläden auf dem Berliner Ku’Damm mit Farbe beschmiert: „Euer Luxus = unser Klimakollaps“, so die etwas diffuse Botschaft der Aktion, bei der es schwerfällt, von Protest zu reden. Bitte nicht falsch verstehen, Protest ist ein sinnvolles Mittel, Widerspruch zu leisten, nur erschließt sich dem Betrachter dieses (und anderer) Coups nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Steht die Blockade von Straßen (und zur Folge der Stillstand von Autos) zumindest noch in einem Kontext zum Problem, entfernt sich die Letzte Generation durch das Beschmieren von Schaufenstern von ihrem Ziel, gegen den Klimawandel einzutreten.
In der Pressemitteilung erklärt die Letzte Generation, dass die reichsten Deutschen tausendmal so viele Treibhausgase wie der Durchschnitt emittieren. „Während die einfache Bevölkerung die Konsequenzen tragen muss, können sich einige wenige von den katastrophalen Folgen der Klimakatastrophe, die sie maßgeblich mitverursacht haben, noch für lange Zeit freikaufen.“ Auch lässt die Letzte Generation eine Aktivistin zu Wort kommen: „Der Luxus, der hier in den Schaufenstern zur Schau gestellt wird, steht in krassem Kontrast zur Lebensrealität tausender Menschen, die sich trotz harter Arbeit kaum noch ihren Wocheneinkauf leisten können. Während wir an jeder Ecke sparen, verfeuern wenige Reiche unsere Zukunft. Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten.“
Klar ist, dass die Produkte der von der Letzten Generation beschmierten Läden, hochpreisig sind. Klar ist aber ebenso, dass eben nicht nur ‚die Reichen‘ dort einkaufen sondern Menschen, die auf eine Tasche oder eine Uhr gespart haben, um sie im besten Falle ein Leben lang zu tragen. Es handelt sich eben nicht um Wegwerfprodukte, die nach einigen Saisons ihre Aktualität verlieren. Und genau da ist das Problem, was es zumindest mir schwer macht, die Form des Protests zu verstehen. Sollte der Adressat nicht eher die Fast-Fashion-Ketten sein? So wird die Schuld des Klimawandels einer kleinen Gruppe übergestülpt, die sicherlich Mitverursacher für globale Erwärmung sind, aber nicht die alleinigen und vor allem nicht Hauptverantwortlichen. Statt mit dem Finger auf „die Reichen“ zu zeigen, ist es sinnvoller, bei sich selbst anzufangen und dazu gehört eben auch die Lebensrealität tausender Menschen dazu, bei Fast-Fashion-Ketten einzukaufen …
JayKay
24. April 2023 at 12:33Sehe ich genauso wie du, Horst. Das ist auf den Punkt gebracht. Sobald man aber die Sinnhaftigkeit der „protestierenden“ letzten Genaration etc. anzweifelt, bekommt man extrem frechen und unverschämten Gegendruck. – Natürlich genauso inhaltlich sinnfrei.
paule
24. April 2023 at 23:38Sehe ich nicht so wie du, Horst. Der Punkt liegt wo anders. Es handelt sich nicht um kleine Manufakturen, in denen eine blinde 80 jährige Pullover strickt. Es handelt sich um Multi-Milliarden Konzerne, die sicher den Fast-Fashion Ketten in vielen Dingen in nichts nachstehen. Es handelt sich um Unternehmen, die dir in ihren Boutiquen das Paar Schuhe in deiner Grösse einfliegen lassen. Ich finde es traurig, wenn Leute lange sparen, um sich Dinge dieser Firmen zu kaufen. ich finde es stilvoller und sinnvoller, lange zu sparen und sich von einem ordentlichen Schneider oder einer Schneiderin ein tolles Stück herstellen zu lassen. Bei mir um die Ecke gibt es einen Mann, der näht Sackos auf Mass und zwar von Hand. Darauf würde ich sparen. Aber das ist eine andere Sache. Ich finde diese Aktion gut. Vor allem, weil sie auch einen ästhetischen Reiz hat. Es sieht toll aus. Vor zwei Jahren hätte man Demna für eine solche Aktion in den Himmel gehoben und überschwänglich gefeiert. Nun kommt das eben von der Strasse. Wäre Demna nicht in der Belanglosigkeit verschwunden, hätten wir bald die Kopie dieser Aktion in den Balenciaga-Boutiquen und auf Taschen und T-Shirts etc. Das sind die Elemente, aus denen Design hervorgeht. Eine tolle Aktion. Ich finde die letzte Generation blöd. Schon von Anfang an, weil es auch tatsächlich nicht die letzte ist. Aber vielleicht die letzte, die Quatsch macht. Diese Aktion aber finde ich toll und gelungen. Teils aus den Gründen, die sie benennen, teils aus einen künstlerischen Aspekt. In Bezug auf Fast-Fashion. Auch wenn man es nicht glauben kann, gibt es Menschen, die auf ein Kleidungsstück der Fast-Fashion Anbieter sparen und sich dann lange daran erfreuen. Nicht alle werfen die Dinge sofort weg. Ich selbst habe heute ein Hemd eingepackt, von H&M, damals von der Marke LOGG, die es leider nicht mehr gibt. Ein weisses Hemd mit einer sehr festern, sehr guten Baumwolle. Ich habe es bestimmt schon 10 Jahre. Ein ähnliches habe ich von Etro. Die Baumwollqualität ist bei beiden ähnlich und ausgezeichnet. Es gibt sehr sehr viele Menschen, die sich selbst mit sparen nichts von den angesprochenen Marken leisten können. Mir ist es lieber, ein junger Mensch kauft sich bei H&M zwei Baumwollhemden für je 30 Euro und investiert 200 Euro in einen Sprachkurs, um sich weiter zu bilden. Anstatt für 260 Euro irgendeinen Schnickschnack bei LV zu kaufen. Wobei ich nicht mal weiss, was man für 260 Euro dort bekommt. Fast Fashion Ketten haben es meiner Meinung nach bei uns ermöglicht, dass Menschen, die vorher am Rande der Gesellschaft standen, näher ins Zentrum rücken zu können. Man ist heute mit einer Jeans und einem weissen Baumwollhemd gut angezogen. Es muss nicht mehr der Prada-Anzug sein. Das finde ich sehr befreiend und demokratisch. Die Arbeitsbedingungen stehen natürlich auf einem andern Blatt. Aber da weiss ich nicht, in wie fern diese bei den angesprochenen Firmen besser sind. Ich habe da auch Zweifel. ich finde die Aktion nicht schlecht. ich hätte noch etwas Glitzer in die Farbe gemischt für einen coolen Look.
Horst
25. April 2023 at 09:01@Paul natürlich gibt es einen Unterschied zwischen LVMH und dem kleinen Herrenschneider, nur geht es der LG um Symbolpolitik und da sind die Shops nicht die richtigen Adressaten. Was mich stört, ist, dass die Luxusunternehmen verteufelt werden.
Dass viele Menschen Bock auf Gucci, LV & Co. haben, sieht man jedes Wochenende vor den Stores – die Schlangen sind lang und es ist eher ein junges Publikum, die sich vielleicht mal was leisten wollen.
Der Vergleich mit Demna kam mir auch in den Sinn, spätestens dann, als die ersten Influencer vor den beschmierten Schaufenster Selfies gemacht haben 😉
Glitzer ist eine schöne Idee, aber leider nicht sonderlich umweltbewusst. Apropos: So leicht ging die Farbe nicht ab, gehe davon aus, dass die Fassaden neu gestrichen werden müssen. Dass dadurch der Umwelt geschadet wird, ist der LG vermutlich egal …
@JayKay die Erfahrung habe ich noch nicht gemacht.
JayKay
25. April 2023 at 12:58@Paule einige Punkte von dir kann ich nachvollziehen und stimme dir auch zu. Fast Fashion macht ein Erscheinungsbild tatsächlich demokratischer – Ich denke hier auch mal z.B. an Kinder in der Schule.
Nichts desto trotz handelt es sich bei der Aktion um Sachbeschädigung und nicht um PR, oder um Kunst. Und diese ist auch noch Umweltschädlich. Für mich nicht zu verstehen.