Männermode

Possible Feelings – Prada Menswear Herbst-Winter 2021-22

Show Space, konzipiert von Rem Koolhaas & AMO; Bild: Courtesy of Prada

Am Sonntag zeigte Miuccia Prada im Zuge der virtuell stattfindenden Menswear Fashion-Week in Mailand die erste Herrenkollektion, die sie gemeinsam mit Raf Simons als Co-Designer gestaltete.
Schwere Zeiten für die Mode – aufgrund der Pandemie ist es nicht nur ein Manko, dass die Verbindung, die normalerweise zu den Journalisten und der Fashion-Community durch die Schauen aufgebaut wird, entfällt und Mode seit fast einem Jahr nur noch virtuell gezeigt und so fast etwas Zweidimensionales zu bekommen scheint. Hinzu kommt, dass auch die meisten Käufer durch häufige Schließung der Geschäfte und veränderten Lebensumständen eher zurückhaltend bei Kleidung und Accessoires reagieren und sich das Trageverhalten aktuell verändert.

Während im letzten Jahr eine Art Schockstarre in der Kreativität der meisten Labels einsetzte und man mit Kompromissen aus bewährtem oder gut verkauften Items und wahnsinnig viel Home- und Casualwear, wie Sweatshirts, Hoodies und Activewear darauf reagierten, dass wir ständig zu Hause oder im Homeoffice sind, zeichnet sich jetzt eine Reflexion ab, dass ein neuer Kleidungsstil die nähere Zukunft in der Herrenmode prägen wird – ein Stil, der auf unsere veränderten Lebensgewohnheiten reagiert. Schon in den Kollektionen bei Zegna und auch bei Silvia Venturini Fendi zeichnete sich dieser Trend ab.

Dabei sind natürlich eindeutig die Marken im Vorteil, die nicht in Panik verfallen sind und deren Designer aufgrund ihrer Erfahrung und dem Verstehen ihres Handwerks mit Kreativität, logischem Reagieren auf die Veränderung der Prioritäten und einer klaren Strategie der Balance zwischen High-Fashion und den veränderten Bedürfnissen der Käufer arbeiten.
Bei Prada gibt es gleich zwei Köpfe, die, eingespielt durch ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei Jil Sander (die Marke ging Ende der 1990-er Jahre an die Prada-Gruppe), wirken: Miuccia Prada und Raf Simons. Simons hatte schließlich eine seiner produktivsten und innovativsten Phasen unter Prada bei Jil Sander und die Erwartungshaltung gerade in einer solchen Zeit wurde durch diese Kollektion weit übertroffen.

Show Space, konzipiert von Rem Koolhaas & AMO; Bild: Courtesy of Prada

Eines kann man sicherlich sagen, die Herrenkollektion Winter 2021/22 setzt Maßstäbe und ist für mich der Höhepunkt der Mailänder Modewoche.
Der Show Space, konzipiert von Rem Koolhaas & AMO, unterstrich an sich schon das Konzept der Kollektion. Jeder Raum, durch den die Models einzeln defilierten, war wie die Materialsammlung eines Architekten mit verschiedenen gegensätzlichen Elementen: Kalte Steine, wie Marmor oder Travertin, in Pastellen wurden gegen warme Materialien wie Kunstpelz in Fuchsia oder Orange gesetzt. Verletzbarkeit und Härte, softe und harte Optiken, wie der Gegensatz zwischen drinnen und draußen.

Die Looks beschreiben genau diese Gegensätze in messerscharfen, sehr konzentrierten Silhouetten. Die Indoor-Devise: „Layer Look, viel Strick, enge und vergrößerte Proportionen“. Eine Art Beatnik-Look mit Rollis unter Hemden oder Strickpolos mit vergrößerten Spatenkrägen. Schmale Hosen, durchgehende Strickbodysuits mit „Long Johns“ – gemustert mit Jacquard-Dessins. Ansonsten „Long Johns“, die rund um die Uhr bequem im Homeoffice dekorativ die Jogginghosen ersetzen aber angezogener wirken. Art déco und Sixties Prada-Muster wechseln mit vergrößerten Jacquard-Strickbildern in Argyle oder Irish-Knit-Dessins ab oder werden gemischt. Platform-Creepers in Flaschengrün oder Schwarz bilden eine Alternative zu Sneakern aber in cleanerer Optik. Ein bisschen Sixties aber hochmodern und total plausibel.

Geht man dann nach draußen, wird ein Feuerwerk an Mänteln, Jacken und Bombern gezeigt. Auch hier Pastell, wie Hellblau und Blush, gegen extrem breite Edelsteinfarben wie Fuchsia, Knallgelb, Lila-Orange und viel Schwarz gesetzt. Die großen Polokrägen werden über die Mäntelkragen gelegt. Zweidimensionale übergroße Oversize-Optik macht die Mäntel zu wahren Hinguckern und sie schützen den Träger auffällig wie Kokons gegen die Kälte und die Umwelt mit grandiosem Auftritt.
Kleine applizierte Prada Reißverschluss-Täschchen blitzen von Rücken oder Armen.
Das Prada-Dreieck erscheint in Strick oder auch grafischer Aufnahme der Stoff oder Strickdessins.

Color-Blockings bei den grandiosen Accessoires. Handschuhe mit kleinen Prada-Zipper-Taschen, um zukünftig den Impfausweis mitführen zu können. Weiß, Knallgelb, Fuchsia, Orange oder Pink setzen Signale und kontrastieren grandios zu smaragd- oder fuchsiafarbenen Lederbomber in lässiger Oversize-Größe. Softe Lammnappa-Backpacks rutschen vom Rücken unter den Arm und werden extra in extrem kontrastierende Farbe zu den Handschuhen kombiniert.
Die Selbstverständlichkeit und grafische Silhouette beeindruckt in ihrer Konsequenz und inspiriert begeisternd durch den Gegensatz von ruhigem Schwarz und Grau mit dem Feuerwerk an Gewürz- und breiten Edelsteinfarben.

Prada bringt es auf den Punkt, dass sich Leisure-Wear und Formal-Wear fantasiereich und repräsentativ verbinden können. Miuccia Prada und Raf Simons kreieren einen Look, der die logische und höchst dekorative Konsequenz der derzeitigen Situation praktisch und mit wirklich neuer Vision umsetzt.