History

Peter’s Cuttings – Als ‚Downton Abbey‘ noch ‚Das Haus am Eaton Place‘ hieß

In den letzten Jahren haben Fernsehserien die Mode und den Zeitgeist wie zu keiner Zeit geprägt. Wir schauen „Desperate Housewives“ und die Interieur-Branche und die Mode sind durch „Mad Men“ infiziert. Wir trinken wieder Whisky, weil uns die Gläser in den Büros von Sterling Cooper so gefallen und nordische Klassiker der 50er- und 60er-Jahre explodieren in den Preisen, weil uns plötzlich die Ästhetik so nahe ist.

Jede Sekretärin, auch in Villingen-Schwenningen, träumt davon wie Carrie zu sein und die Serie „Sex in the City“ löste wie kein anderer Film oder Serie einen Run auf sämtliche Designer aus. Jeder weiß, dass Louboutin und Manolo Blahnik die Schuhe macht, die man haben muss und das man für Hermès Taschen auf Wartelisten eingetragen wird. Fernsehserien machen Geschmack scheinbar demokratisch und bringen auch Dinge, die uns vorher altmodisch oder unerreichbar erschienen, en passant via Flimmerkiste wie von selbst in die eigenen vier Wände. Die Schwellenangst eine Chanel Boutique zu betreten schwindet dadurch genau so, wie wir denken, dass der Krankenhaus Alltag genau dem von „Grey’s Anatomy“ gleicht.

Manchmal lernen wir auch Dinge aus diesen Serien – wenn einen historischen Bezug haben wie zum Beispiel aus der britischen Serie „Downton Abbey“. „Coronation Street“ läuft dort schon seit gefühlten 26 Generationen und Engländer verstehen es besonders geschickt, Geschichte, Gesellschaft und Spielhandlung zu verknüpfen.

Jeder hat seine Lieblingsserie und viele von uns sind angeregt, bestimmte Dinge zu sammeln oder sich einen Style zuzulegen, weil er sich mit der Welt einer Serie besonders gut identifizieren kann oder möchte. Nun wechseln diese Serien im Beliebtheitsgrad natürlich häufiger, da unsere Zeit schneller und vielfältiger geworden ist. Außerdem – wenn man etwas älter wird, kommt einem die Laufzeit der Staffeln ja auch nicht so lang vor. In meinem Fall und durch „Dowton Abbey“ bin ich wieder darauf gekommen, ist es die BBC Produktion „Das Haus am Eaton Place“.
Gefühlt lief diese Serie meine ganze Kindheit und es gibt nichts auf der Welt, was mir so vertraut ist wie die Figuren der Geschichte, was mich stilistisch, geschmacklich und vom Niveau so geprägt hat, wie die im Original heißende „Upstairs Downstairs“-Serie.

Schon in meinem Kinderzimmer musste ein Chesterfield Sofa stehen, wir bunkerten Zuhause Gingerbread und ein ungeheurer London-Wahn nahm seinen Lauf. Praktisch, dass ich eine englische Tante hatte, die in Windsor wohnte und die aus dem Pakete packen gar nicht mehr raus kam. Das „Upstairs Downstairs“ Fieber hält bis heute an und wer es nicht kennt, dem sei es heute vorgestellt.

„Das Haus am Eaton Place“ gehört zu den erfolgreichsten TV Serien aller Zeiten. Sie hatte in 50 Ländern 300 Millionen Zuschauer und brachte es in fünf Staffeln (1971-1975) auf 68 Folgen.

Am Eaton Place Nummer 165 wohnen der Politiker Richard Bellamy und seine Frau Lady Marjorie Bellamy geborene Southwold. Es ist der Beginn des 20.Jahrhundert und die Kinder Lieutenant James und Miss Elizabeth Bellamy sorgen immer wieder für Aufruhr und Abwechslung in dem feinen Haus. Das es den Herrschaften an nichts mangelt und ein reibungsloser Tagesablauf gewährleistet ist, dafür sorgen die Dienstboten, denen mit väterlicher Strenge der Butler Angus Hudson vorsteht. Misses Bridges ist die fulminante Köchin Rose (die Schauspielerin Jean Marsh hatte auch die Idee zu der Serie und hat sie mitproduziert) das erste Hausmädchen.

Sarah, dass zweite Hausmädchen, ist die Skandalnudel des Hauses, das familiär aber mit klarer Klassenabgrenzung oben und unten im Haus lebt. Gesellschaftliche Entwicklungen, geschichtliche Ereignisse und das Leben der Hausgemeinschaft sind eng miteinander verknüpft. So bekommt Sarah ein Kind von James. Lady Marjorie geht 1912 mit der Titanic unter. Elisabeth kämpft für das Frauen-Wahlrecht und legt einen Skandal nach dem anderen hin.

Flankiert wird die Familie von meinen Lieblings-Charaktern wie Lady Prudence Fairfax, der exzentrischen Freundin von Lady Marjorie und dem wie eine Schildkröte aussehenden Familien Anwalt Sir Jeffrey Dillon, der bei Bedarf die Familienmitglieder aber auch die Dienstboten aus allerlei Verwicklungen heraus haut. Ruby ist das schusseligste Küchenmädchen der Welt und eigentlich ist der Eaton Place wie die ganze Welt – geballt in einem großzügigen, ungeheuer detailreich und perfekt eingerichtetem viktorianischem Reihenhaus zusammengefasst.

Gefühlt meine ganze Kindheit fieberte ich Woche für Woche auf den Sendetermin hin, die Titelmelodie im Ohr habend und nie eine Folge verpasst. Die Dialoge kann ich noch heute fehlerfrei mitsprechen und eigentlich waren die Bellamy’s genauso meine Familie wie meine eigene.

Das ich heute einen Beruf habe, der mit Interieur und Mode zu tun hat, würde ich felsenfest mit den Einflüssen von „Upstairs Downstairs“ und der Sendung „Neues vom Kleidermarkt“ begründen.

Vielleicht gibt es ja heute auch wieder ein Kind, das vor „Dowton Abbey“ sitzt, dem das gleiche wunderbare infizierende Gefühl befällt und deren Prägung dazu führt, etwas schönes zu machen. Manchmal sind Fernsehserien doch zu etwas nützlich, denn ich bin heute noch von einem tiefen zufriedenem Glücksgefühl durchströmt, wenn ich an das Haus am Eaton Place denke.

Übrigens: das echte Haus am Eaton Place steht an der Nummer 65 – man hatte eine 1 bei den Dreharbeiten davor gesetzt um die Bewohner des Hauses zu schützen. Kensington SW London ist heute eine der teuersten Immobilien der Stadt. Leider macht Mister Hudson nicht mehr die Tür auf…

  • Volker
    3. Dezember 2012 at 10:41

    Vor einigen Jahren habe ich durch Zufall die Fortsetzung gesehen. Mit dem Original nicht zu vergleichen.

  • Sybille
    3. Dezember 2012 at 11:11

    Lieber Peter Kempe,

    vielen, vielen Dank für die wunderbare Erinnerung an den Eaton Place. Mir ging es genau so wie Dir. Auch was Antonia Hilke angeht.

  • Daisydora
    3. Dezember 2012 at 11:50

    Wie immer eine sehr schöne Geschichte, Peter
    🙂 ….. auch wenn man kein Fan der Serie war ….

  • thomash
    3. Dezember 2012 at 12:28

    Ich hab mich immer gefragt, was “Pru“ eigentlich für ein Name ist 🙂

  • Siegmar
    4. Dezember 2012 at 10:25

    was für ein schöner Artikel über “ das Haus am Eaton Place“, einer wunderbaren Serie.

  • Monsieur_Didier
    4. Dezember 2012 at 10:30

    …das war meine absolute Lieblingsserie und ich habe jede Woche sehnsüchtig auf die neue Folge gewartet…
    und beim lesen der Namen mußte ich gerade lächeln, wie beim betrachten von alten Bildern…
    Freunde, die immer noch in der eigenen Erinnerung sind, aber die nicht mehr im aktuellen Leben sind…
    eine schöne Erinnerung…