(Bild: Courtesy of Nya Nordiska)
Deutsche Kreativität und Design kommen nicht unbedingt nur aus Städten wie Berlin, Hamburg oder München. Es gibt eine ganze Menge von Unternehmen, die es abseits der großen Ballungszentren geschafft haben, ihre Vorreiterrolle mit Weltgeltung aufzubauen und in Ruhe Produkte zu kreieren, die international einen sehr guten Ruf genießen.
Auf einer Sommerreise habe ich jetzt einige dieser Diamanten der innovativen deutschen Wirtschaft besucht und landete gleich zum Anfang meiner Reise in einer der landschaftlich schönsten Regionen Norddeutschlands: Die Elbtalaue, die zu den romantischsten Flusslandschaften Europas gehört. Unweit von Lüneburg liegt das Städtchen Dannenberg, in dem das Textilunternehmen Nya Nordiska seinen Firmensitz hat.
Wer eine DIOR-Boutique, BOSS-Flagshipstores besucht, würde nie auf die Idee kommen, dass Nya Nordiska die Ideen und Produkte in dieser Region erdenkt. Doch nicht nur das: Wer weit rumkommt und sich akribisch mit Design und handwerklich perfekter Qualität beschäftigt, legt natürlich auch darauf Wert, seinen Firmensitz mit besonderer Architektur und Atmosphäre zu versehen.
Bild: Courtesy of Nya Nordiska
Zwei Kollektionen werden in jedem Jahr bei Nya Nordiska neu erdacht. Das, was auf internationalen Messen und Designweeks präsentiert wird und später in Wohnmagazinen wie AD oder World of Interieurs erscheint, wird wie aus aller Welt zusammengetragen und mit dem Blick in die Weiten der freien Natur konzipiert. Das Licht dieser Region setzt besondere Farben und Nuancen frei und so entstehen Textilien, die in Kooperation mit italienischen Seidenwebern, belgischen Leinenmanufakturen oder jahrhundertealten Schweizer Wirkereien produziert werden.
1964 gründete Heinz Röntgen im Ruhrgebiet Nya Nordiska. Das Unternehmen erhielt den Namen dadurch, dass der Gründer ursprünglich für eine schwedische Firma arbeitete, die traditionelle schwedische Heimtextilien produzierte. Mitte der Sechziger Jahre schwappte das heute wieder so beliebte nordische Design mit seinen Designern, wie Poul Kjearholm, Fritz Hansen oder auch Finn Juhl, über ganz Europa und erlebte durch seine Klarheit großen Zuspruch. Kaum ein Stil symbolisierte so die Moderne und passte sich den veränderten Lebensgewohnheiten so perfekt an, wie skandinavisches Design.
Bild: Courtesy of Nya Nordiska
Die Textilien des österreichisch-schwedischen Architekten Josef Frank beeinflussten den Zeitgeschmack schon seit den dreißiger Jahren und wurden zum schwedischen Exportschlager. Inspiriert von der Stilistik und der Logik des Designs beschloss er, genau diesen Look nach Deutschland zu bringen. Eine logische Konsequenz, denn eigentlich knüpfte genau dieser Stil an die funktionale Designmaxime des Bauhauses an.
Der neue skandinavische Stil prägte den Firmen Namen „Nya Nordiska“, was für die „neue nordische Klarheit“ steht. Mitte der siebziger Jahre siedelte die Firma genau dorthin, wo man heute den beeindruckenden Betrieb findet. Bei Nya Nordiska ist man zwar seinen Grundsätzen treu geblieben, hat aber die Vision längst weiter gesponnen. Man beschäftigt sich heute mit den unterschiedlich gewordenen Märkten und Bereichen und widmet sich vielen Hotel-, Residenz- und Jacht-Projekten. Hinzu kommt der traditionelle Wohnbereich von Privathaushalten, der in den eigenen Ateliers mit Maßanfertigungen bedient wird.
Bild: Courtesy of Nya Nordiska
Nya Nordiska hat sich dem innovativen Textildesign verschrieben. Viele Stoffe ihrer Kollektionen wurden mit einem oder mehreren Designpreisen ausgezeichnet. Die Anfänge des Textilunternehmens waren stark von der skandinavischen Designschule geprägt. Heute finden sich in den Kollektionen Designeinflüsse aus Europa und der ganzen Welt; Bereiche, wie Mode, Interieur und technische Neuentwicklungen fließen spielerisch ineinander über und beeinflussen sich immer stärker. Hunderte Preise lassen die bodenständigen Stoffzauberer aber nicht abheben. Neben Textilien werden auch architektonische Glaselemente gemeinsam mit der Compagnie de Saint-Gobain gemacht, die in Designer Stores von Montblanc über DIOR bis zu CHANEL Textilien aus Dannenberg zu gestalterischen Elementen der Shoparchitektur und der Fassadengestaltung werden lassen.
Investitionen steckte Nya Nordiska in ihren Firmensitz, der sich nicht nur auf Funktion und Praxis beschränken sollte, sondern auch ein Beispiel für weitsichtige Architektur, die die Firmen-DNA und die Umgebung zusammen mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter verquickt, ist. Dafür schuf das Büro von Staab Architekten aus Berlin eine gelungene Verbindung aus historischer Fachwerkarchitektur und zurückhaltender Modernität, die Maßstäbe setzt und die man sicherlich nicht in so einem Städtchen vermuten würde.
Das Objekt steht inmitten der verwinkelten Altstadt des norddeutschen Dannenberg. Da man die alten gründerzeitlichen Fachwerkgebäude auch erhalten wollte, schrieb der Bauherr 2008 die Erweiterung der Bestandsgebäude in einem Wettbewerb aus. Den ersten Platz gewannen Staab Architekten für die „funktionale Klarheit und harmonische Integration in die Stadtsilhouette“, wie der Bauherr in der Wettbewerbsbegründung betont.
Was dann entstand, ist einfach großartig: In nur einjähriger Bauzeit gelang bei dem Projekt ein Raumgewinn um 4.100 m² für Ateliers, Büros und Lager. Die Form und Ausformulierung stellt einen Zusammenhang zwischen Alt- und Neubau her, sodass aus den einzelnen Teilen eine Einheit für den Betrachter und den Nutzer entstehen konnte. „Das Gebäude dokumentiert mit seiner einheitlichen Haut aus rötlich eloxiertem Metall seine organisatorische und gestalterische Einheit und seine heutige Entstehungszeit. Es zeigt, dass eine innerstädtische Verdichtung auch mit einem Produktionsstandort zu einer städtebaulichen Aufwertung beitragen kann“, erklärt das Architektenteam.
Bild: Courtesy of Nya Nordiska
Alte wie neue Gebäudekörper gruppieren sich um einen zentralen begrünten Innenhof und sind von außen für den Betrachter von der Straße kaum erkennbar. Dazu trägt auch eine Fachwerkfassade bei, die während der Bauarbeiten vorübergehend zerlegt wurde. Hinter der alten Fassade sind neue Räume entstanden, auf die ein rotes Schaufenster in der ansonsten unveränderten Fachwerkstruktur hinweist.
Die gestalterische Raffinesse des Projekts offenbart sich teilweise erst auf den zweiten Blick, so etwa die wie plissierter Stoff wirkenden gefalteten Bleche der Außenhaut. Es handelt sich nicht um übliche Industriebleche, die Aluminiumprofile wurden maßgeschneidert produziert und unterschiedlich gefaltet. Mit deren rötlich eloxiertem Aluminium wird ein Bezug auf die textile Gestaltung im Innenraum und auf die außen vorherrschende farbliche Prägung der historischen Fassaden der Altstadt hergestellt. Gen Himmel zeigen die neuen Sheddächer, die durch eine scharf umrissene Linienführung ohne störende Aufbauten auskommen. Auch wenn es ein Industriebetrieb ist, könnte man dort genauso ein Museum, Kunstfoundation oder einen internationalen Campus für Design einziehen lassen.
Bild: Courtesy of Nya Nordiska
Nya Nordiska ist kein Einzelfall für weitsichtige Unternehmen mit Vision und sozialem Gewissen und in den nächsten Tagen gibt es ein weiteres Beispiel dafür, dass wir nicht nur das Land der „Dichter und Denker“ sind, sondern auch in Kreativität und moderne Architektur häufig die Nase vorn haben.
Von der Elbe an die Weser – Fortsetzung folgt …
Siegmar
14. Juli 2016 at 11:54Das Gebäude ist schon sehr toll und die Textilien finde ich auch großartig.
sven bechert
14. Juli 2016 at 11:56Fascade by http://www.mn-metall.de Neustadt/Holstein
Die Woche auf Horstson – KW 28 / 2016 | Horstson
17. Juli 2016 at 15:04[…] Am Donnerstag konnte man von Peter einiges über das Textilunternehmen Nya Nordiska und deren fantastischen Gebäuden […]