Meine Mutter würde mich an dieser Stelle passenderweise als „Kaschmirziege“ schimpfen und gerne gebe ich zu, dass ich bereits vor Jahren ein Faible für die angenehm-leichte Wolle entwickelt habe. Meinen ersten (zugegeben, nicht ganz günstigen) Pullover trage ich bis heute durch die Gegend. Komplett selbstfinanziert ohne Cyrillus-Eltern, dem Jahresgehalt durch das Zeitungaustragen sei Dank. Komplett verschlissen und mit Löchern an den Ellbogen, fristet er noch immer sein wollmäusegebeuteltes Dasein bei mir. Im Laufe der Jahre habe ich für Kaschmirkonkurrenz gesorgt, der Schrank wurde zum Hochsicherheitstrakt im Kampf gegen Motten. Alsbald es nasskalt wird und der Herbst an der Tür klopft, krame ich nach V- oder Rundhalsmodellen. Wirkliche Abwechslung gibt es nur bei den Farben, die Form bleibt gleich. Glücklicherweise durfte ich nun die wohlig-warmen Entwürfe von Almonigo testen, sehr schön! Ich habe mich für einen äußerst bequemen Hoodie und die farblich passende Pant in Dunkelblau mit grauen Details entschieden.
Natürlich darf der richtige Anlass zum Ausführen nicht fehlen, für die Fotoaufnahmen war ich in Kopenhagen unterwegs und habe dem Hamburger Wetter den Rücken gekehrt. Den grünen Pullover habe ich im Louisiana Museum probegetragen, ein Garant für „Ich-Fühl-Mich-Wohl-In-Meiner-Klamotte “. Hier ein Motiv mit dem Grün der Parkanlage, dort die weiße Wand – ich weiß, wie ich meinen Freund in den Wahnsinn treibe. Reine Outfitposts sind bei uns auf Horstson eher die Ausnahme, gerne verknüpfe ich die Ausflüge in Richtung Selbstdarstellung mitsamt Content. Dieses Mal habe ich die Gründer Maximilian und Alexander Moser hinter Almonigo zum Gespräch gebeten. Das Label wurde 2010 von Maximilian in Düsseldorf gegründet und profitiert vom Knowhow seines älteren Bruders Alexander. Seit über 15 Jahren ist dieser im Modebereich tätig, gilt als Profi für Europa Distributionen – Erfahrungen und Kontakte der beiden wurden clever genutzt, um mit dem eignen Unternehmen als The Cashmere Brothers in die Selbstständigkeit zu gehen.
Woher kommt die Liebe zur weichen Wolle? Die Jungs müssen nicht lange überlegen und setzen auch hier übereinstimmend auf Familie: „Unser Großvater hat immer wieder Cashmere getragen, er war regelrecht Fan. Seit jeher assoziieren wir die herrlich weichen Pullover mit ihm, nicht?“ Einvernehmliches Nicken samt Ausführung: „Als Kinder fanden wir das natürlich super, gerade beim Spielen. Diese ganz bestimmte Haptik der Wolle hält bis heute Erinnerungen in uns wach!“ Natürlich interessieren mich als Cashmere-Tester und neugieriger Interviewpartner nicht nur Kindheitsgeschichten. Ich wage mich an die unbequemen Themen, schließlich schwappen regelmäßig Schlagzeilen von mensch- und tierunwürdigen Verhältnissen ins Bewusstsein unserer stetig hungrigen Konsumgesellschaft. Gerne werden solche Überschriften überlesen oder verschwinden als Zweizeiler in der flüchtlingsgebeutelten Tagespresse, von brennenden Fabrikhallen und flinken Kinderhänden haben wir in den letzten Jahren schließlich genug gehört – außerdem gibt’s beim Discounter gerade tolle Angebote. Zuletzt hatte Horst Schnäppchenpreise auf dem Neuen Wall hinterfragt, ein Artikel der mich wieder einmal zum Nachdenken angeregt hat. Ich fackele nicht lange und starte mit meiner Naseweißfragerei.
Ich habe mir Eure Website etwas näher angeschaut und war ziemlich überrascht: Wie schafft ihr es als unabhängiges Label, so günstige Preise anzubieten?
Diese Frage wird uns häufig gestellt, zurecht ein gleichermaßen sensibles und wichtiges Thema. Wir verzichten bei Almonigo auf jeglichen Zwischenhandel, somit fallen bei uns alle unübersichtlichen Zwischenschritte weg. Man muss sich das, vereinfacht gesagt, folgendermaßen vorstellen: Wir bilden die komplette Produktionskette selber ab und machen somit dem Endverbraucher unsere Cashmere-Produkte über den Onlineshop und unsere Kooperationspartner direkt zugänglich. So erhalten unsere Kunden ein Premiumprodukt zu einem fast konkurrenzlosen Preis.
Das müsst ihr mir näher erklären: Wo lasst ihr produzieren?
Die Kaschmirwolle unserer Entwürfe stammt aus der Inneren Mongolei, dort wird die eigentliche „Rohware“ ausgewählt. Ausschließlich von Züchtern, die hochwertige Wolle produzieren – eine auserlesene Auswahl von Partnern, mit denen wir immer wieder zusammen arbeiten.
Wie geht der Fertigungsprozess dann weiter? Gerade hier wird es doch interessant!
In unserer Spinnerei und Färberei in Tianjin wird die Rohware veredelt und zu Cones, Kegelspulen, weiterverarbeitet. Um bei deiner Frage zu bleiben: In der Färberei werden ausschließlich GOT’s, sprich Global Organic Textile Standard zertifizierte Farbstoffe verwendet. In unserem Strickbetrieb in Dongguan findet die Endfertigung und Konfektionierung auf modernen STOLL-Strickmaschinen statt.
Seid ihr selbst schon in den Produktionsstätten vor Ort gewesen?
Wir haben vorab verschiedenste Lieferanten besucht, bevor wir uns für unseren jetzigen Lieferanten entschieden haben. Neben dem Anspruch an allerhöchste Qualität sind uns ganz klar faire Arbeitsbedingungen wichtig. Die genannten Komponenten kann man als Label und Geschäftspartner nur gewährleisten, in dem man sich vor Ort selbst überzeugt – das war und ist uns ein ganz wichtiges Anliegen!
Wie sieht Euer Arbeitsalltag in Deutschland aus?
Alexander kümmert sich um die Kollektionen und beobachtet dabei immer auch die Entwicklungen, vielmehr die Strömungen der Szene. Daraus ziehen wir natürlich auch Inspiration für kommende Kollektionen, mitsamt unserer ganz eigenen Philosophie wird das Label somit stetig weiterentwickelt. Einen ebenso wichtigen Bereich deckt Maximilian mit seinem Aufgabenbereich ab: Er ist für die Finanzen verantwortlich. Rund um die Uhr ist er damit beschäftigt, Möglichkeiten für den weiteren Ausbau von ALMONIGO zu schaffen. Bei einem Label wie uns sollte man diesem Bereich seine nötige Relevanz beimessen.
Ein mehr als vernünftiger Gedanke! Viel zu oft hört und sieht man spannende Ideen, die aufgrund von fehlendem Geschäftssinn in Vergessenheit geraten oder wegsterben…
Genau. Deshalb gehen wir auch alles sehr durchdacht und wohlüberlegt an. Nachdem wir in den letzten Jahren einen guten Grundstock legen konnten, werden wir zukünftig noch stärker auf Bestseller wie unseren Hoodie oder die Pants setzen – Cashmere-Produkte, die gerade für Männer nicht alltäglich sind.
Damit wären wir auch schon bei einer weiteren Frage angelangt, die mir auf der Zunge brennt: Warum bietet ihr mit Euerm Label „nur“ Männerentwürfe an?
Wir haben uns vorweg ganz genau angeschaut, wie und wo Cashmere seinen Platz auf dem Markt bereits gefunden hat. Schnell haben wir festgestellt, dass die Damen ziemlich gut abgedeckt sind! Der Cashmere-Bereich für den Mann ist hingegen eher überschaubar und kommt immer mal wieder etwas angestaubt daher, nicht? Wir möchten diesen Umstand natürlich angehen, vielmehr ändern und erkennen an dieser Stelle enormes Potenzial für Almonigo.
Klingt plausibel…
Außerdem konzentrieren wir uns lieber auf eine Sache und üben uns hierbei in Perfektion. Das Gute ist ja, dass wir unsere Produkte selber tragen und quasi „leben“. Wenn wir uns im Getümmel der Damen-Cashmere-Bekleidung platziert hätten, wäre die eigene Trageerfahrung nicht so einfach zu realisieren.
Da gebe ich Euch durchaus Recht, umgekehrt ist es denn dann doch einfacher. Gerade vor ein paar Tagen habe ich ein spannendes Interview mit Donatella Versace in der französischen Ausgabe der L’Officiel Hommes gelesen. Sie trägt auf den Fotoaufnahmen durchweg Entwürfe aus ihrer aktuellen Herrenkollektion und sieht darin klasse aus – ein empfehlenswerter Artikel. Obacht, ich schweife vom eigentlichen Thema ab. Verratet mir lieber, wie ihr die Brücke zwischen Trends und Tradition schlagt!
Zuallererst wäre da der Wunsch, einem jüngeren Publikum Cashmere-Produkte zugänglich zu machen. Wir lassen uns dabei auch von vorherrschenden Trends inspirieren, jedoch nie unter Druck setzen. Wir interpretieren unsere Entwürfe sehr modern, als Beispiel sind hierbei die Bestseller Hoodie und Pant zu nennen.
Ich drücke die Daumen, dass weiterhin alles so funktioniert, wie ihr es Euch vorstellt. Eine letzte Frage hätte ich natürlich noch: Moderne trifft Tradition bei Almonigo. Was macht Eurer Meinung nach 2016 einen Gentleman aus?
Egal ob 2016, früher oder später – einen wahren Gentleman zeichnet aus, dass er alte Werte zeitgemäß lebt UND trägt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Anbei ein paar Fotoaufnahmen vom Testtragen. Kanntet ihr das Label bereits? Ich freue mich über Euer Feedback und wünsche euch einen wohlig-schönen Herbstanfang!
Siegmar
14. Oktober 2016 at 16:31Gutes Gespräch und schöner Artikel, Kaschmir ist eben toll zu tragen und der Jogginganzug ist super
Christian
15. Oktober 2016 at 01:59Kannste tragen 😉