Bild: TopasPictures / Heiko Weßling
„I wanted to get where the action was“ – Wir kennen ihre Ausrufe, ihr charakteristisches Grinsen und Dutzende ihrer Lebensweisheiten. Diana Vreeland gilt nicht umsonst, neben Coco Chanel, als die mächtigste Frau der Modewelt des 20. Jahrhunderts. Wir berufen uns auf ihre Worte, ihren unverwechselbaren Sinn für Ästhetik und die Legenden um ihre schillernde Persönlichkeit. Die wenigsten unter uns kannten Diana Vreeland persönlich, trotz allem wird ihr Name heute inflationär als Inspirationsquelle genutzt. Ich habe ihren Enkelsohn Alexander Vreeland bei der „Diana Vreeland Parfums“-Vorstellung (juhu, Unisex-Düfte) im APROPOS The Concept Store Hamburg zum Gespräch gebeten und mich ausführlich mit ihm über seine Großmutter unterhalten …
Aus gegebenen Anlass: Was fasziniert Sie an Parfums?
Das ist eine sehr gute Frage und ich muss gestehen, dass sie mir, trotz der Lancierung unserer Düfte, noch nicht allzu häufig gestellt wurden: Mich reizt vor allem, dass beinahe jedes Parfum unterschiedlich riecht. Der Duft eines Parfums führt immer und überall sein eigenes Leben. Es fasziniert mich, dass menschliche Beziehungen maßgeblich von Gerüchen abhängig sind. Wie wollen wir riechen und was fühlen wir bei den unterschiedlichsten Gerüchen? Es erwachen Erinnerungen und Parfums sind Teil dieser sehr persönlichen Geschichte.
Was war Ihre Inspiration für Diana Vreeland Parfums?
Es ist mir ein großes Anliegen, meiner Großmutter Respekt zu zollen, mich vor ihr zu verneigen: Es gibt unzählige Augenblicke und Gedanken, die bis heute weltweit mit meiner Großmutter assoziiert werden und diese Düfte helfen dabei, ihre Geschichte weiterzutragen.
Können Sie sich noch an den Geruch Ihrer Großmutter erinnern?
Das Interessante an meiner Großmutter war, dass es nie diesen einen Duft von ihr gab. Sie lebte in ihrem Haus mit einer Vielzahl an Gerüchen, die ich noch immer mit ihr verbinde. Ähnlich wie bei der Auswahl an Blumen, achtete sie auch bei den Düften auf eine abwechslungsreiche Note.
Die Frage der Fragen: Was für eine Person war Diana Vreeland?
Meine Großmutter hat sich unermüdlich mit ihrer Außenwelt beschäftigt: Was passiert wo? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen vollziehen sich? Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Veränderungen zu beleuchten und nachvollziehen zu können.
Es gibt Menschen, die sich entweder in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in der Zukunft bewegen. Meine Großmutter gehörte zu denjenigen, die nach vorne blickten. So war sie als Vogue-Chefredakteurin in der Lage, zukünftige Trends aufzuspüren und präsentierte als Kuratorin mit Balenciaga die erste „richtige“ Modeausstellung im Metropolitan Museum of Art. Mode wurde dank ihrer Arbeit immer stärker als Kunstform angenommen.
Ein Meilenstein!
Meiner Meinung nach gibt es bis heute verhältnismäßig wenige Helden der Mode, die sich auf dem Level eines Genies bewegen. Im 20. Jahrhundert gab es bei den Damen genau zwei dieser Ikonen, Coco Chanel und Diana Vreeland. Sie blickten nach vorne, drückten ihre Gedanken aus und bewegten damit ihre Mitmenschen.
Ausdruck?
Es gibt jede Menge Menschen, die kein Interesse verspüren, in die Zukunft zu blicken. Dann gibt es Menschen, die rückblickend sagen: „Oh, das habe ich schon vor Jahren geahnt.“ Meine Großmutter wiederum hat das Gespräch gesucht, ihre Gedanken in Worte ausgedrückt und sie anschließend auch in Taten umgesetzt.
In einem Gespräch mit dem Fotografen Bruce Weber, der häufig mit meiner Großmutter zusammengearbeitet hat, hat sich ein Satz in mein Gedächtnis eingeprägt: „Jedes Mal wenn ich die Bilder deiner Großmutter betrachte, höre ich ihre Stimme.“ Bruce hat es damit auf den Punkt gebracht, mit jedem Bild, jeder geschriebenen Zeile von ihr, höre ihre unvergleichbare Stimme.
Bild: PR
Können Sie sich noch an den wichtigsten Ratschlag von Ihrer Großmutter erinnern?
Wichtiger als jeder Ratschlag war mir ihre Vorstellung vom Leben: Sie war voller positiver Energie und ist ihren Träumen gefolgt. Das hört sich nach einer stark romantisierten Erinnerung an, sie hat sich jedoch immer nach den schönen Dingen des Lebens ausgerichtet. Meine Großmutter war keiner dieser nervösen Zweifler, die alles und jeden Schritt infrage stellen. Sie hätte heute garantiert in die Hände geklatscht und sich gefreut, bei strahlendem Sonnenschein in Hamburg sitzen zu dürfen. Sie war unglaublich enthusiastisch und hat sich immer und immer wieder auf die Schönheit der Welt berufen.
Mit was für Menschen hat sie sich damals umgeben?
Sie war immer auf der Suche nach kreativen und interessanten Köpfen. Hierfür tauchte sie nicht nur tief in die Kreise der Mode und Musik ein, sondern auch in die Bereiche Architektur, Film, Literatur und Tanz. Selbst Technikfragen war sie damals nicht abgeneigt – sie bewegte sich immer dort, wo der Puls der Zeit schlug oder zukünftig einmal schlagen würde.
Das Leben Ihrer Großmutter in einem einzigen Soundtrack, welcher wäre es?
Wieder eine dieser interessanten Fragen! (lacht) Als meine Frau die Dokumentation „The Eye has to Travel“ über meine Großmutter gedreht hat, arbeitete sie eng mit Paul Cantelon zusammen. Ein sehr talentierter Filmkomponist, der es gleich zu Beginn des Projekts geschafft hat, meine Frau sprachlos zu machen: Er fragte sie, welches Instrument wohl am Ehesten Diana Vreeland verkörpern würde. Sie wusste auf diese Frage keine Antwort, zusammen einigten sie sich auf den Klang von Kastagnetten. Seitdem habe ich immer dieses rhythmische Rtrtrtr im Hinterkopf.
Wo begegnen Sie dem Werk Ihrer Großmutter im Alltag?
Bis heute folgen Fotografen und Kreativdirektoren ihren Ideen: Sie erschuf Bilder im Kopf, sie hatte ein unvergleichbares Gespür für Ästhetik und Schönheit – Mode war in ihren Augen weit mehr als nur ein Kleidungsstück, sie war ein Lebensgefühl. Wenn wir heute vor der Frage stehen, wie man einen Look oder eine Person inszenieren könnte, bewegen wir uns immer auch auf den Spuren meiner Großmutter. Wann immer ich mich mit Redakteuren und Stylisten unterhalte, wird mir berichtet, dass ihnen Diana Vreeland als Inspiration dient. Das zu hören, macht mich sehr glücklich.
Gibt es Unternehmen, die heute ihrem Streben nach Inspiration und Zeitgeist entsprechen würden?
Lass mich kurz überlegen, vielleicht Apple? Wir sind beinahe alle ausgestattet mit Apple-Produkten: Egal ob iPhone, iPad oder iMac, das Unternehmen verkörpert vielmehr als nur Technik und inspiriert dabei die Masse. Sie machen nicht nur Umsätze, sie prägen einen Lebensstil.
Der zweite Teil des Interviews folgt in Kürze …
PeterKempe
25. März 2015 at 09:53Superbe! Ein tolles Interview mit vielen Schlüsselsätzen! Endless Love!
Siegmar
25. März 2015 at 12:05tolles Interview und nicht so Phrasen behaftet !
Monsieur_Didier
25. März 2015 at 14:26…Interviews und Berichte von Dir zu lesen macht immer sehr viel Freude, weil Deine Fragen anders sind als die Worthülsen, die man oft so liest und hört…
Du schaffst es, Bilder zu erzeugen und Dein Gegenüber zum Erzählen zu veranlassen…
das ist eine Kunst, die nicht viele beherrschen…
…ich freu mich schon auf den 2. Teil des Interviews…!
Tim
25. März 2015 at 16:39Das Interview gefällt mir, ob der Duft auch gut ist, kann ich aus der Entfernung nicht sagen.
Der Enkel ist seiner Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
Monsieur_Didier
25. März 2015 at 16:45…die Nase, die NASE 😉
aber auch ansonsten ein sehr sympathisch wirkender Mensch…!
Alexander Vreeland, der Enkel von Diana im Interview, Pt. 2 | Horstson
27. März 2015 at 09:43[…] Teil eins des Interviews findet ihr hier. […]