Ausstellung

N°5 Culture Chanel Exhibition – Palais de Tokyo Paris

Bild: Chanel

Es ist der Duft ihres Lebens und es ist der Duft unseres Lebens und des 20. Jahrhunderts: das 1921 kreierte Chanel N°5. Noch heute duften die von ihrer Großnichte Gabrielle Labrunie verwahrten persönlichen Kostüme von Mademoiselle Chanel nach dieser Duftlegende – dem ersten Aldehyd Parfum der Welt.
Aber es ist nicht nur allein das Parfum oder die Welt des Duftes, die die Basis einer großartigen Ausstellung, die vom 5.Mai bis zum 5.Juni im Palais de Tokyo in Paris stattfindet, bildet. Es ist gleichzeitig die Kunst, die Avantgarde und die großartige Geschichte einer Frau, die nicht nur eine Legende ist, sondern auch wie ein Verbindungsglied zwischen den Künsten fungierte …
Die Kunstwerke, Fotografien, Archivmaterialien und Objekte, die in der Ausstellung gezeigt werden, stellen den Bogen der Inspirationen des Universums und der Empfindungen durch den Zeitgeist von Mademoiselle Chanel da, aber auch die Reflexion, die sie wiederum durch ihre völlig einmalige Kreationen auslöste oder förderte.
Chanel sur la plage
Gabrielle Chanel; Foto: Chanel

Neider würden sagen: Chanel war zur rechten Zeit am rechten Ort, weil Ihre Freunde und Weggefährten, wie Jean Cocteau, Pablo Picasso, Guillaume Apollinaire, Igor Stravinsky, Francis Picabia und Pierre Reverdy, sie mit ihrem Vordenken und ihrer Kreativität mitrissen. Aber es war die Wechselwirkung einer der spannendsten geschichtlichen Perioden, in dem sich die Gesellschaftssysteme so rasant und abrupt wie nie veränderten.
Genau diese Veränderung hatte auch Gabrielle Chanel kurz vorher dort hingebracht, wo sie 1921 stand. 20 Jahre zuvor war es noch undenkbar, das sie, die 1919 mit Arthur Capel die Liebe ihres Lebens verloren hatte, als ledige Frau ein Imperium begründete und die Basis für ihren Ikonographischen Stil legte. Vielleicht war es die große Leere neben ihr, wie es in dem Gedicht „Absences“ von Paul Eluard, das sie bis zu ihrem Lebensende immer bei sich trug, beschrieben wird, das sie zu einem radikalen Bruch mit allen Konventionen bewegte.
poeme
„Absences“ von Paul Eluard; Bild: Chanel

Während andere Häuser in verspielten Flacons eindeutig definierbare Düfte präsentierten, die noch immer den Proustschen Beschreibungen vom Ende des 19. Jahrhunderts glichen, schuf Ernest Beaux verschiedene Proben, die der Fantasie entsprechen sollten – wie eine moderne, sich zur femininen, jedoch autarken Persönlichkeit bekennenden Frau entsprechen sollte. Chanel wählte die fünfte Probe, die ihr vorgelegt wurde. Auch das ein Novum und ganz Avantgarde – eine Ziffer und nur der Name einer Frau zierten das grafisch strenge Etikett, das wie der Titel der dadaistischen Bewegung daherkam. Keine Orientfantasien eines Poiret oder ein geheimnisvoll verführerischer Titel. Eine Zahl, gebieterisch wie ein Signal und alle Trends und Zeiten, jede Sprache überwindend.
Dazu wiederum – wie ein Schwerthieb – kubistisch und pur der Flakon, der wie ein zurückhaltendes Behältnis mit Understatement daherkommt und seinen Inhalt erst verströmt, wenn man den geschliffenen Stöpsel, der mit den in sich verschlungenen Siegel seiner Schöpferin verschlossen ist, aufbricht.
Carole Bouquet
Carole Bouquet; Bild: Chanel

Alles wird gerade in dieser Zeit und besinnt sich auf Funktionalität, in Deutschland wird das Bauhaus gegründet, in New York ragen die Wolkenkratzer aus dem Boden, die idealisierte Schönheit (meisterhaft durch Brancusis „Schlafender Muse“ in der Ausstellung dokumentiert) wandelt sich zu „Pureness“ und Natürlichkeit. Chanel N°5’s Ikonen durch alle Epochen werden immer diesen Gesetzen folgen und, egal ob Catherine Deneuve oder Carole Bouquet, die Botschafterinnen oder Gesichter des Duftes entsprechen immer diesen Signalen.
Alles ist zeitlos und fesselnd, weil es durch die Reduzierung auf das Wesentliche eine gewisse Unvergänglichkeit hat: die Form, die Typografie, die Philosophie, die Sehnsucht und Darstellung einer Frau, die nicht nur die Zeichen ihrer Zeit, sondern die Bedürfnisse, die so alt sind wie unsere Kultur, erkannte.
Bakst, Femme au chapeauCalligramme à Picasso, Apollinaire
Links: Bakst, ‚Femme au chapeau‘; rechts: Calligramme à Picasso, Apollinaire; Bilder: Chanel

Seltene Exponate aus dem Besitz von Mademoiselle Chanel, Privatsammlungen, Museen und den Archiven stellen auf einmalige Art wie ein Mosaik alle Komponenten des Mythos‘ N°5 Culture Chanel da. Die Ausstellung geht aber noch weiter: In einer Art Bibliothek werden die verschiedenen Ingredienzien und die Herkunft zum Erleben und Erforschen präsentiert – in einem speziell von Kurator Jean-Louis Froment entwickelten Konzept.
Für Kinder gibt es eine speziell eingerichtete Duftwelt, in der sie eigene Chanel N°5 Flacons gestalten können und alle Kampagnen, fast alle Meilensteine ihrer Zeit, können in einem eigenen Kino erlebt werden.
Bouchon N°5 1921
Bouchon N°5, 1921; Bild: Chanel

Mehr Informationen zu der Ausstellung gibt es auf der eigenen N°5 Culture Seite. Die Ausstellung ist täglich (außer dienstags) bei freiem Eintritt von 12 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. Das Palais de Tokyo zeigt außerdem noch die sehenswerte Retrospektive von Keith Haring und so kann man den ganzen Tag an diesem wunderbaren Ort mit direktem Blick auf den Eiffelturm in Paris verbringen.
N°5 Culture Chanel wird durch einen sehr gut gemachten Katalog begleitet, den man ebenfalls kostenlos in der Ausstellung erhält.
1920 Chanel and Dmitri
Chanel zusammen mit Dmitri Pavlovich, 1920; Bild: Chanel

Übrigens wird jeder sein Lieblingsobjekt in der Ausstellung finden, egal ob beeindruckende Zeichnungen von Picasso oder auch Jahrhundert-Photos von Man Ray. Mein Lieblingsstück ist ein Photo, welches Coco zusammen mit Dmitri Pavlovich in der Zeit der Entstehung von Chanel N°5 zeigt. Sie ist auf diesem Bild eine glückliche Frau, die die Liebe ausstrahlt, nach der man sich sehnt. Und die Liebe duftet sicher auch ein bisschen nach Chanel N°5 …

  • Siegmar
    7. Mai 2013 at 13:05

    sicherlich eine tolle Ausstellung um diese Ikone der Düfte, wunderbarer Artikel und auf dem Foto sieht sie wirklich glücklich aus.

  • thomash
    7. Mai 2013 at 13:57

    was von kempe erlebt, studiert, analysiert und geschrieben wird, und hier so en passant erscheint,.. das ist wie ein kulturgeschichtliches seminar!

  • Siegmar
    7. Mai 2013 at 15:06

    thomash
    ich stimme dir voll und ganz zu !

  • Daisydora
    7. Mai 2013 at 18:04

    Was soll ich noch sagen, das ich nicht ohnehin schon oft hier gesagt habe …. alles ganz wunderbar, wie immer sehr schön zu lesen …. danke Peter 🙂

  • Monsieur_Didier
    7. Mai 2013 at 19:31

    …ich kann nur beipflichten: …unglaublich informativ und sehr sehr schön geschrieben…

    über jeden einzelnen Deiner Artikel freu ich mich immer sehr, lieber Peter…