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Modeschätze – Karls erster Chanel Winter

Die Ausstellung „Karl Lagerfeld – Modemethode“, die noch bis September in Bonn läuft, haben wir euch ja schon ausgiebig zur Eröffnung vorgestellt. Letzte Woche hatte ich nun Zeit, der Ausstellung einen Besuch abzustatten. Die Exponate erklären nicht nur auf großartige Weise den Kosmos von Karl Lagerfeld mit den Kreationen für Fendi, Chloé und Chanel. Sie zeigt auch das „Drumherum“, wie Pressemappen, Filme und Einladungen bis hin zu den Knöpfen und Zeichnungen der einzelnen Modelle Lagerfelds ganzheitlichen Arbeitsmethode.

Das Tolle ist, dass die Präsentation komplett ohne Vitrinen und Glas auskommt und man sozusagen bis zur letzten Paillette alles unter die Lupe nehmen kann. Für mich ist „Karl Lagerfeld – Modemethode“ ein regelrechtes Eldorado und vieles, was heute als Museumsobjekt aus den Achtziger Jahren ausgestellt wird, habe ich hautnah in den jeweiligen Schauen als „Dernier Cri“ – als absolute Neuheit – gesehen. Besonders die großen Wände mit den Zeichnungen für die Kollektionen, worauf neben Lagerfelds Skizzen, die Anweisungen für die Schnittmacher, die Modellnummern und die Models, die das Kostüm oder Kleid in den Defilees trugen, vermerkt sind, laden zum stundenlangen Betrachten ein.
Solche Ausstellungen öffnen oft Quellen, die man zwar kennt, die man aber vorübergehend vergessen hat. So kam ich auch auf den Modeschatz, den ich heute vorstellen möchte …

In den Ausstellungsräumen stehen vier Modelle auf einem Podium, die aus Chanels Haute Couture-Kollektionen aus einer Zeitspanne von drei Jahrzehnten kommen. Sie sollen die aufwendigen Stickereien und die Inspirationsquellen von Karl Lagerfeld erklären. In diesem Fall lieferte die Inspiration wertvolle kleine Behältnisse, die sogenannten „Tabatieren“, des 18. Jahrhunderts, die reich verziert mit Emaille und Edelsteinen als besondere Aufemerksamkeiten der europäischen Königshöfe verschenkt wurden. Die Kleider aus den Jahren 1983, 2004 und 2010 zeigen, dass Couture immer wieder variiert wird und dass die Kleider heute so modern und tragbar sind, wie am Tag ihrer Entstehung.
Das Kleid aus dem Jahr 1983, gestickt von Jean Guy Vermont, wurde von dem Fotografen Arthur Elgort für die bisher größte und umfangreichste Kampagne fotografiert, die Chanel im ersten Winter nach dem Beginn der Arbeit von Karl Lagerfeld in der französischen Vogue veröffentlichte.

Nach dem Debüt der ersten Kollektion (damals noch in den Salons der Rue Cambon) und einem überwältigenden Presseecho, beschloss man erstmals in der Geschichte von Chanel, die Präsentation in großem Stil außerhalb des Stammhauses zu organisieren. Als Lagerfeld 1982 – zunächst nur für die Haute Couture – seinen Vertrag bei den Wertheimers unterschrieb, hatten diese ihm alle Freiheiten und Entscheidungsspielräume zugesichert. Die Bedingung war aber, dass die Renaissance der Marke „Chanel“ zum Erfolg wird, oder Familie Wertheimer wird das Modehaus, dessen Besitzer sie seit 1924 sind, verkaufen. Lagerfeld wusste genau, wie er zum Erfolg kommt, ohne etwas zu überstürzen. Seine Premierenkollektion huldigte allen Codes von Mademoiselle, ohne zu viel Modernität zu versprühen. Schließlich lebte man noch von den vorhandenen Kunden und die neuen, vornehmlich aus Amerika und dem Nahen Osten, mussten den Weg zu Chanel erst finden.
Um keine Zeit zu verlieren sollte Lagerfelds zweite Kollektion, die Haute Couture Winter 1983, nicht nur die doppelte Anzahl von Looks haben und in der École des Beaux-Arts in der Rue Bonaparte gezeigt werden, um mehr internationale Presse, Fotografen und Kunden als in den engen Salons der Rue Cambon einladen zu können, sondern auch alle Register des Couture Handwerks gezogen werden.

Ein wahrer Prachtrausch an Stickereien bildete den Großteil der 120 Modelle. Abendkleider mit Oberteilen, die nach den Rüstungen Zar Peters des Großen gestickt waren, mit Perlen und Pailletten bestickte Röcke mit Schmuckstücken des Barockzeitalters übersät, genauso wie Tweedkostüme mit russischem Zobel besetzt, folgten Schlag auf Schlag. Neben Inès de la Fressange, die im darauf folgenden Jahr ihren spektakulären Exklusivvertrag mit dem Haus abschloss, wurden die besten Models der Zeit in einem Defilee gebündelt. Lagerfeld übernahm zur gleichen Zeit auch die kreative Leitung für die Prêt-à-porter-Linie „Chanel Boutique“ und somit die gesamte Strategie und kreative Verantwortung für das Haus Chanel. Die Kampagne, mit mehr als 10 Seiten in den französischen und amerikanischen Ausgaben der Vogue, tat ihr Übriges. Nach noch nicht einmal einem Jahr hatte Lagerfeld es nicht nur geschafft, dass das Haus Chanel wieder ganz oben auf den Kalendern der Schauen stand. Auch erreichte er, dass sich die Orderbücher der Couture schlagartig füllten. Die Ateliers mussten zusätzliche Kräfte engagieren und hinter vorgehaltener Hand sprach man von saisonalen Verdoppelungen des Umsatzes. Ab der Saison zeigte Chanel seine Modenschauen in größeren Locations, wie dem Théâtre des Champs-Élysées ab den beginnenden 2000er Jahren und später dann auch das Prêt-à-porter im Grand Palais.
Die Salons in der Rue Cambon wurden nach über 70 Jahren, in denen sie den Vorführungen dienten, zu Anproben und zum Empfangen der Kunden umgewandelt.

Die Winterkollektion 1983 ist so etwas wie die Achillesferse in der Geschichte des Revivals von Chanel und zeigt wunderbar die Ansätze, die bis heute seine Arbeitsweise ausmacht und in fast jeder Kollektion mit frischen Zutaten die Grundlage den Stil des Hauses ausmacht. Das Prêt-à-porter und der Mut, sich weiterzuentwickeln und sich teilweise sogar zu persiflieren, brachte Chanel innerhalb von zwei Jahren wieder an die Spitze der Luxushäuser. Bereits 1986 gab es in den Boutiquen und bei den Konzessionären die Taschen und Mode meist nur auf Warteliste – die erste Welle, in der jeder von einer gesteppten Mademoiselle oder 2/55 Handtasche träumte, lief auf Hochtouren …

Die Kampagne zeigt heute auf eindrucksvolle Weise, dass sich zwar die Mode in den letzten dreißig Jahren rasant entwickelt hat, aber das Handwerk und die Details der Couture noch immer unverändert sind. Wobei wir wieder in Bonn und bei der Ausstellung sind: Die äußerst geschickte Präsentation und dadurch, das Mode und Accessoires der einzelnen Jahrzehnte gegeneinandergesetzt werden, wirken manche Dinge so modern, dass sie auch in der nächsten Saison über den Laufsteg gehen könnten und anders kombiniert als Neuheit gefeiert werden würde.

Ein Modeschatz, der die Weichen des heute überragenden Erfolges von Chanel zumindest zum Teil gestellt hat. Und es ist gleichzeitig ein Modeschatz, der sich auf jeden Fall lohnt, entdeckt zu werden …

  • Monsieur_Didier
    22. Mai 2015 at 14:03

    …ein ganz großartige Kollektion und ein wunderbarer Bericht…

    ich habe am Samstag im neu eröffnetem Kunstgewerbe-Museum noch ein Chanel-Kostüm gesehen aus der Vor-Lagerfeld-Zeit…
    das war wirklich sehr hausbacken und sogar leicht matronig…
    Lagerfeld bracht da völlig neuen Wind und einen sehr jungen, modernen Stil rein…
    Wollboucle-Kostüme sind ja von Hause aus etwas schwierig, weil sie, wie schon beschrieben, eine Tendenz ins hausbackene, tantige haben… 😉

  • Siegmar
    22. Mai 2015 at 15:39

    der Artikel ist großartig und zeigt mir wie wichtig Karl Lagefeld für Chanel ist und war. Die ist Ausstellung in Bonn würde ich mir gerne ansehen. Muss mal meine Schwester in Düsseldorf besuchen.
    @ Monsieur-Didier

    ich am ganz kurz nach der Neueröffnung im Kunstgewerbe-Museum und bin sehr überzeugt von der Modepräsentation dort, da sieht man tolle Exponate von Lanvin bis Rabanne, die Roben von Worth sind traumhaft und ja das eine schwarze Chanel-Kostüm ist einfach nur madamig. 😉

  • Die Woche auf Horstson – KW 21/2015 | Horstson
    24. Mai 2015 at 13:41

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