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Madonna – „Madame X“

(Madonna – „Madame X“; Bild: Universal Music)

Waffengewalt im Video? Richtig, das hatte schon SIA, die mit „The Greatest“ nach dem Attentat auf einen (schwulen) Nachtclub in Orlando ein Musikvideo darüber machte. Das Video allerdings ging eher subtil und künstlerisch mit der Thematik um. Subtil ist ja eher weniger Madonnas Stärke. Dennoch zeigt diese die Thematik nicht weniger künstlerisch im neuen Video zu „God Control“. Gleich am Anfang des Videos werden hier nämlich sie und ihre Partykollegen erschossen. Dazu läuft im Hintergrund fröhlich der eingängige Diskobeat ihres Songs. Regie führte Jonas Åkerlund, Mastermind hinter Musikvideos wie „Telephone“ (Lady Gaga & Béyonce), „American Life“ (Madonna), „Who’s that chick“ (Rihanna & David Guetta), aber auch „Ich tu dir weh“ (Rammstein) und vielen mehr.

Wehgetan hat vielen Fans auch ihr Auftritt beim ESC in diesem Jahr. Mit dem Livesingen hatte sie es ja eh nie so besonders und dieses Mal ging es besonders schief. Vom Ende ihrer Karriere war die Rede und ihr neues Album „Madame X“ wurde regelrecht zerrissen. Am Anfang machte das noch Spaß. Man konnte mit auf den Zug aufspringen, fand „Medellin“ albern oder bekloppt und sie solle sich doch endlich mal vernünftig bzw. ihrem Alter entsprechend anziehen. Alles Meinungen, bei denen auch ich mitgezog. Und doch ist es mittlerweile so, dass ich mich dieser Madame X angenähert habe. Schauen wir uns das Album also mal genauer an.

Als erstes war „Medellin“ zusammen mit Juan Luis Londoño Arias oder besser bekannt als Maluma. Maluma? Nie gehört, dachten sich sicher einige Fans und wussten nicht, dass Maluma einer der erfolgreichsten männlichen kolumbianischen Säger ist. Denn natürlich singt Madonna nicht mit irgendwelchen Leuten zusammen. Auch wenn sie jüngst in einem Interview sagte, dass Zusammenarbeit „durch Socializing“ und „organisch“ bei ihr entsteht. Die knapp 44 (Maluma) bzw. 39 Millionen (Anitta) Follower kommen beim organischen Socializen sicher ganz gut. Es folgten die Singles „Crave“ und „Dark Ballet“. Während Crave eine seichte, aber sehr schöne R&B Ballade ist/war und ihr Feature (Swae Lee) ihr Sohn sein könnte, beschert uns Dark Ballet einen erfrischenden „What the Fuck“ – Moment. Mykki Blanco steht als Verkörperung vor einem religiösen „Gericht“ und wird auf dem Scheiterhaufen wie eine moderne Johanna von Orleans verbrannt. Während der Song zu Beginn vor sich hin plätschert gibt es zur Mitte hin auf einmal den Nussknacker zu hören. Mit Autotune verzerrter Stimme und Aussagen wie „Can’t you hear outside of your Supreme hoodie, the wind that’s beginning to howl?“ wird es politisch. Überhaupt sind politische Nachrichten und Anspielungen auf „Madame X“ Gang und Gäbe, wie zum Beispiel in „God Control“. Was auffällt: In ihren politischen und gesellschaftskritischen Phasen (Beispiel „American Life“), sind die Alben eher experimentell und unangepasst. In „Killers who are partying“ heißt es:

„I will be gay, if the gay are burned,

I’ll be Africa, if Africa is shut down,

I will be poor, if the poor are humiliated,

I’ll be a child, if the children are exploited.“

Politischer Aktivismus und gesellschaftliche Kritik als Booster für den Erfolg könnte man denken. Aber ist Madonna nicht schon längt so bekannt, dass sie im Grunde machen kann was sie will und damit durchkommt? Ein Luxus, den sich wenige leisten können. Nicht einmal eine Beyoncé, die trotz ihres politischen Engagements und Kritik in ihrer Musik doch immer mit einem auffällig glatten Image daherkommt. Diese Einstellung macht Songs wie „Faz Gostoso (feat. Anitta)“ oder „Batuka“ überhaupt möglich. Und bei Songs wie „I don’t search I find“ wird einem ein wenig warm ums Herz, klingt der Song doch wie ein von Mirwais produzierter Song zu ihren „Music“ Zeiten und weniger nach „Vogue“, wie viele Kritiker sagen. Aber warum missfällt vielen Kritikern „Madame X“ so sehr? Der neue Sound? Den gab es schon oft genug, das ist man gewöhnt. Meine Vermutung: Seit American Life (2003) waren ihre Alben seit längerem eher angepasst und soundtechnisch wenig experimentell. Vielleicht hat man diese Madonna einfach ein wenig vergessen. Und vielleicht brauchte es einfach Zeit und Alter, um ihre „I don’t give a fuck“- Attitüde auch mal wieder musikalisch hervorzuheben. Klar, es ist nicht alles Platinmaterial, was auf diesem Album zu finden ist. Vielleicht sogar gar nichts davon. Platin ist aber das Material, was Madonna aktuell am nächsten kommt. Denn „Platin ist aufgrund seiner hohen Haltbarkeit und Seltenheit besonders geeignet für die Herstellung hochwertiger Schmuckwaren.“ Oder anders: Madonna ist aufgrund ihrer hohen Haltbarkeit und Seltenheit besonders für die Herstellung hochwertiger Alben geeignet.

„God Control“

„Dark Ballet“

 

„Crave“ (feat. Swae Lee)

 

„Medellin“ (feat. Maluma)

  • Horst
    28. Juni 2019 at 20:25

    Ich mag das Album auch ganz gern. 🙂
    Danke für die wohlwollende Rezension!

  • Peter Kempe
    29. Juni 2019 at 01:00

    Ich mag das Album ….und Madonna wird egal was sie tut Legende bleiben. Danke Jan!

  • thomash
    30. Juni 2019 at 15:03

    also dann hör ich es mir jetzt auch mal an. die auftritte und promo-kampagne überall hatten mich bislang abgeschreckt.

  • thomash
    30. Juni 2019 at 15:34

    Musste nach sieben Songs aufhören. Nichts hört sich an, als ob sie wüsste, was sie will oder wohin sie damit will. Die paar Protest-Lyrics finde ich unangenehm aufgesetzt. Wenn sie gerne Avantgarde machen möchte, warum macht sie es dann nicht? Eklektizistisch ist nicht automatisch interessant.

  • fred
    30. Juni 2019 at 21:50

    Ich bin ja ein Madonna Fan aus ziemlich frühen Zeiten. ich finde sie toll, nach wie vor. Ich verstehe nicht, warum sie sich ihrem Alter entsprechend anziehen soll. Was heisst das? Was heisst dem Alter entsprechend? Das hiesse auch, Männer über 30 tragen keine Shorts mehr. Also, was bedeutet das? Auch der Song-Contest. Warum sollte das ihr Ende sein? Eine Karriere, die weit über 30 Jahre geht und die immer neues hervorgebracht hat, geht nicht zu Ende, weil mal eine Auftritt bei einer Veranstaltung, die es ohne hin lange schon nicht mehr geben sollte, schief gelaufen ist. Madonna hat so viel gemacht und zum laufen gebracht, dass ich denke, dass wir uns das bis heute noch gar nicht ganz klar gemacht haben. Mit der Musik allerdings ist das so eine Sache. Es ist leider so, wie Elton John gesagt hat. Sie hätte nach Ray of Light aufhören sollen. Danach kam nichts mehr, was noch in irgend einer Form nennenswert gewesen wäre. Und auch das neue Album ist leider ein Qual. „Medellin“ allerdings finde ich gut. Ich weiss nicht, warum man es nie im Radio hört. Und das Madonna auf Latin aufspringt, wie überall zu lesen ist, ist lächerlich. Madonnas eigentliches Publikum von Anfang an war Latin. Aber ich ertrage die neuen Lieder einfach nicht mehr. Schon der Anfang seit 15 Jahren: „I have to tell you something…“. Immer dieser bedeutungsschwangere Kram und dann der billige Diskobeat. Warum funktioniert es nicht mehr. Das Madonna eine dünne Stimme hat, finde ich eher irrelevant. Es ist das lehrende, das mich nervt. Madonna hatte früher schon eine Botschaft, aber sie hat es gut rübergebracht und nicht als „Seherin“. Das nervt einfach. Am Anfang hatte ich noch Hoffnung, das ja vor einem halben Jahr oder so „Champagner rose“ rauskam. Quavo, Madonna und Cardi B. Ich hatte grosse Hoffnungen und bin jetzt leider enttäuscht. Nicht enntäuscht bin ich von ihren Interviews. Sie sieht wahnsinnig gut aus. Sie hat es immer noch drauf. Sie bestimmt sich selbst und das ist gut so. Ich würde mir nur wünschen, dass sie musikalisch mal wieder etwas relevantes machen würde. Ich habe mir, als ich enttäuscht von dem Album war, mal die Mühe gemacht und mir die Lieder überlegt, die ich von ihr am liebsten mag und habe dann gemerkt, dass sie wahnsinnig gute Sachen gemacht hat, die eigentlich immer „off“ liefen. Da ist recht experimentelles Material dabei. Zu Beispiel die „Up Down Suite“ aus den 90er Jahren oder das zweite Lied auf der „Secret“-Single oder mein absoluter Favorit „I’m going bananas“. Es wäre toll, sie würde mal wieder etwas machen, was diese Leichtigkeit hat und müsste nich mit einer grossartigen Einleitung das neue Zeitalter einläuten.

  • Vk
    1. Juli 2019 at 12:50

    Right said Fred.
    Ick mein: well said, Fred.
    Dito.