Bild: Régis Golay, Federal Studio
Auf den Zeiger geschaut – Ich begebe mich in ungewohntes Gefilde und widme mich heute der hohen Uhrmacherkunst, sprich einem äußert eleganten Handschmeichler. Grund dafür ist das Traditionshaus Louis Vuitton, welches kürzlich mit dem Genfer Siegel „Poinçon de Genève“ ausgezeichnet wurde. Mit dieser Zertifizierung, die weltweit nur einem erlesenen Kreis an Uhrmachern vorbehalten ist, und einem brandneuen, filigran wirkenden Gehäuse, ist das Modell „Flying Tourbillon Poinçon de Genève“ subito in mein (zugegebenermaßen ungeschultes) Bewusstsein gerückt. Da schauen wir doch einmal genauer hin…
Bild: Régis Golay, Federal Studio
Optisch gesehen überzeugt die Uhr durch ihr skelettiertes Tourbillon-Uhrwerk. In dieser Form? Bislang einzigartig, das augenscheinlich auffällige Uhrwerk würde ich sogar ganz frech als Unikum beschreiben! Falls jemand etwaige Einwände haben sollte, ich freue mich über Nachhilfe. Das transparente Design wirkt wunderbar modern, eine Umschreibung, die unter Uhrenprofis nicht zwangsläufig als Kompliment verwendet wird. Ich für meinen Teil meine es in der laienhaften Beurteilung jedoch durchweg positiv und sehe den durchweg zeitgenössischen Ansatz des Modells als erfrischende Abwechslung zu der ein oder anderen Uhr im ähnlichen Preissegment.
Bilder: Régis Golay, Federal Studio
Handwerkskunst mit zeitgenössischem Ansatz – Bevor ich mich jedoch um Kopf und Kragen rede, mein Nichtwissen überwiegen sollte und ich den Faden verliere, halte ich mich lieber an Recherchearbeiten zur Qualitätsbescheinigung „Poinçon de Genève“. Es folgt ein minimaler Erklärungsansatz zur Veranschaulichung: Es handelt sich dabei um eine, von einer unabhängigen Organisation (gar nicht mal so unklug in einer Sparte der Luxusbranche, die jährlich immense Summen an Geldern umsetzt und von weniger als einem Dutzend Unternehmen regiert wird) erstellte Bescheinigung der Qualitätsstandards, deren Maßstäbe vom Genfer Kanton gesetzlich festgelegt sind.
Bild: Régis Golay, Federal Studio
Louis Vuitton selbst beschreibt die Bescheinigung in ihrer offiziellen Pressemitteilung wie folgt: Zur Erlangung des Genfer Siegels werden die Fertigung wie auch die Finissage (Anm. d. Red.: abschließender Veredelungsprozess) sämtlicher in der Uhr verarbeiteter Komponenten überprüft. Ganz gleich, ob Uhrwerk, Gehäuse, Mechanik, Gangreserve, Genauigkeit oder technische Details – alle Aspekte der Uhr werden beurteilt und zertifiziert. Seit 1886 garantiert das „Poinçon de Genève“ ein Höchstmaß an Handwerkskunst und die Einhaltung der festgelegten Uhrmacherstandards. Jedoch zeichnet sich die Herangehensweise von Louis Vuitton an jene Tradition durch Einzigartigkeit und Innovationskraft aus.
Knapp anderthalb Jahre nach Ansiedlung im Kanton von Genf, hat die hauseigene Manufaktur „La Fabrique du Temps Louis Vuitton“ nun mit dem erworbenen Qualitätssiegel eine neue Ära begonnen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass vor Ort ordentlich gefeiert wurde – die Punze ist die renommierteste Auszeichnung überhaupt, die eine Uhr tragen kann. Ein Beleg, gut erkennbar als Siegel auf dem Ziffernblatt, für die Erfahrung und das Know-How bei der Uhrenfertigung. Zum ersten Mal im Hause Louis Vuitton wohlgemerkt. Um eine solche Auszeichnung überhaupt zu bekommen, müssen auch die ein oder anderen optischen Auflagen erfüllt werden.
Bild: Régis Golay, Federal Studio
So müssen z.B. die Oberflächen aller Uhrenkomponenten verziert sein, kein Scherz! In diesem Fall wurde eine moderne, sehr reine Vision der hauseigenen Uhrenmacher umgesetzt: Das „V“ des Tourbillon-Käfigs auf der 6 ist vollständig blockpoliert und glänzt spiegelähnlich, während die Brücken (Lagerträger, meist erkennbar an ihrer länglichen Form) auf der Rückseite des Uhrwerks in horizontaler Richtung seidenmatt gebürstet sind. Beim genauen Betrachten des Gehäuses der „Flying Tourbillon Poinçon de Genève“ fällt zudem auf, dass Teile auf Hochglanz poliert und dabei mit einem kreisförmig gebürsteten, matten Finish versehen sind. Ich sage es euch, hier ist Detektivarbeit angesagt, denn jedes noch so winzige Detail der filigranen Uhr deutet auf Alleinstellungsmerkmale hin. Die könn(t)en nicht nur für alteingesessenen Uhrenfans von großer Bedeutung sein.
Bei folgenden Informationen kann ich definitiv nicht versiert genug berichten oder würde völlig zurecht als Abschreibkönig enttarnt, deswegen berufe ich mich erneut auf das offizielle Statement des Hauses: Das Kaliber LV104 wurde von „La Fabrique du Temps Louis Vuitton“ entwickelt. Um den „Poinçon de Genève“ zu erhalten, war dies sogar Voraussetzung: Schließlich ist es Pflicht, das Uhrwerk bereits von der ersten Komponente an nach den entsprechenden Zertifizierungskriterien zu entwerfen. Ein leeres Blatt Papier war also der Ausgangspunkt für das luftigste Uhrwerk, das jemals von Louis Vuitton designt wurde. Das skelettierte Kaliber scheint von unsichtbaren Kräften gehalten zu werden, so als würde es im aus Platin gefertigten Gehäuse schweben. Die skelettierte Struktur ist fest in der Uhrmacherkultur von Louis Vuitton verwurzelt, wurde im Hinblick auf ihre Filigranität aber noch niemals zuvor in solch einem Maß umgesetzt. Erreicht wurde dies mit einem minimalistischen Konstruktionsansatz mit nur 168 Komponenten.
Bild: Régis Golay, Federal Studio
Zu guter Letzt möchte ich noch einmal die leicht erkennbaren Äußerlichkeiten betrachten, für Laien vermutlich die beste Möglichkeit, etwas Neues zu lernen: Das Ziffernblatt ist nicht aus irgendeinem Glas, sondern aus feinstem Saphirglas. Dabei ist das Federhaus (ermöglicht dem Uhrwerk mit Handaufzug eine Gangreserve von 80 Stunden) ebenfalls sichtbar und die vertikal angeordneten Zahnräder des Uhrwerks wirken beinahe schwerelos – ich bin mehr als fasziniert von der detailreichen Feinarbeit. Erst nach mehrmaligem Hinschauen fallen einem die Details auf den Ziffern 6 und 12 auf. Bei ersterem dreht sich ein fliegendes Tourbillon (wird nur auf seiner Unterseite befestigt, nicht aber von einer oberen Brücke gehalten) minutiös mit einer Niedrigfrequenz von 21.600 Halbschwingungen pro Stunde um sich selbst. Bei letzterem werden die Stunden und Minuten auf einem dezentrierten Ziffernblatt angezeigt. Das eigentliche Gehäuse lässt sich, ähnlich wie die bereits oben erwähnten Merkmale, nicht wirklich in eine Schublade stecken. Es ist vielmehr eine gelungene Kombination aus Kreis und Quadrat. Weder kissenförmig noch oval, vielmehr eine völlig neue Form, die durch Raffinesse und Hochglanz besticht.
Bild: Régis Golay, Federal Studio
Fazit: Ich klicke mich zum allerletzten Mal durch die Bilder und ziehe an dieser Stelle einen Schlussstrich unter den Artikel. Ganz bestimmt habe ich an der ein oder anderen Stelle wichtige Aspekte oder Details unerwähnt gelassen. Sicherlich ist mir beim Recherchieren auch irgendein Fehler bei den Beschreibungen unterlaufen und vielleicht kriege ich auch den Stempel „information overloaded“ oder „der geht mir auf den Zeiger“ verpasst. Für mich war es vielmehr eine Annäherung an ein spiegelglattes Thema der Luxusbranche und ich ziehe meinen Hut vor denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die voller Feingefühl und spielerisch über die Kunst der Uhren berichten können, OHNE auszurutschen.
Siegmar
18. Februar 2016 at 15:42Vuitton ist sicherlich ein Traditionshaus was Taschen und Koffer betrifft, bei Uhren in der Preisklasse sind sie aber “ Newcomer “ eine Uhr mit Tourbillon ist höchste Uhrmacherkunst und die Uhr finde ich sehr schön und wirklich auch modern. Bei einem Tourbillon braucht man nicht nach dem Preis fragen, der ist wahrscheinlich mit Schnappatmung verbunden.
Schöner Bericht. 🙂