Credit: L’église de Firminy: © F.L.C. / ADAGP, Paris [2022]; Louis Vuitton Men’s Collection by Virgil Abloh Pre-Fall 2022 ‘Daybreak’ © Louis Vuitton – All rights reserved; Foto: Osma Harvilahti
Da wir gerade von den Entwürfen von Virgil Abloh für Louis Vuitton sprachen … Doch bis die Herbst-Winter-Kollektion des Luxuslabels in die Boutiquen kommt, dauert es noch ein wenig. Anders bei „Daybreak“, wie die aktuelle zwischengeschaltete Linie heißt, die schon im März erhältlich ist.
Die Idee bei „Daybreak“ war, Ablohs anthropologische Herangehensweise an die Zwischenkollektion zu veranschaulichen. „Meine Philosophie ist sehr stark von der Kleidung geprägt, die die Menschen tatsächlich tragen“, wie der viel zu früh verstorbene Designer sein Vorgehen erklärte. „Was ich mache, ist eine Analyse einer Generation: Was kaufen die Leute und warum tragen sie es? Diese Frage weckt natürlich ein ebenso großes Interesse an der Tradition wie ihre Veränderung. Aber es geht auch darum, mich selbst herauszufordern und verschiedene Gebiete zu erkunden. Das ist kreative Freiheit.“
Sorgen Hauptkollektionen mit großen Inszenierungen für Furore, verhält es sich bei der kleinen Schwester, der Pre-Kollektion, anders. Ursprünglich waren sie für die Luxusmarken-Klientel gedacht, die zwischen den Saisons ihre Garderobe auffrischen wollen. Vorreiterin war Gabrielle Chanel, die 1919 zum Ende des Herbstes ihren Kunden eine kleine Kollektion von einfacher Couture, die von den Kreationen abwich, die sie für die Saison in Paris entwarf, präsentierte. Das kam bei Presse und Kundinnen gleichermaßen gut an, nicht zuletzt, weil die Preise etwas günstiger ausfielen und somit in einer Zeit, in der eigentlich Flaute herrscht, für Umsatz sorgte.
Auch die Pre-Fall-Kollektion bei Louis Vuitton fällt wesentlich schlichter aus als glamouröse Hauptlinie: Maßgeschneiderte Hosen werden mit viel Volumen versehen und mit Blousons anstelle eines Blazers getragen. Es findet sich eine schwarze Wolljacke mit geprägten Monogram-Lederärmeln und Logo-Grafiken aus Leder, eine weiße Leder- und Shearling-Bomberjacke oder eine flaschengrüne Bikerjacke mit Lederdetails. Die Louis-Vuitton-Codes sind klar zu dechiffrieren, wie bei einem blauen Anzug mit dem charakteristischen Hakenverschluss, der von Virgil Abloh bei Louis Vuitton kreiert wurde, doch alles wesentlich leichter. Die Streifen – identisch mit denen, die in der Vergangenheit die Badehosen des Hauses zierten – finden sich in einem Anzug wieder, der aus einer passenden schwarzen Baseballjacke und Hose besteht. Die Idee des dreiteiligen Anzugs nimmt neue Formen in formellen Silhouetten an, die tonal aus Jacken, Hosen und – die einzige modische Extravaganz – Wickelröcken bestehen. Alles in einem eine grundsolide Kollektion, die nicht den Anspruch verfolgt, aufzufallen, sondern den Träger über Jahre hinweg gut zu kleiden.
So zurückhaltend die Mode, so aufregend die Location: Die Bilder wurden an der Kirche Saint-Pierre in Firminy aufgenommen. Der Betonbau ist das letzte große Werk von Le Corbusier, einem von Virgil Ablohs Designhelden, das 1973 begonnen und 2006, also mehr als vierzig Jahre nach seinem Tod, fertiggestellt wurde. Heute befindet sich hier das Interpretive Centre, das dem Werk des legendären Architekten gewidmet ist.