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London calling – „Wanderlust“ by John Lobb Autumn 2015

Im Januar, wenn der Männermodezirkus seine wichtigen Schauen für den Winter zeigt (in der Modebranche haben die Winterkollektionen einen höheren Stellenwert als die Sortimente für den Sommer), kommen wir Autoren kaum mit dem Schreiben hinterher. Während wir noch von London berichten, laufen in Mailand bereits die Kollektionen über die Stege. Abseits davon finden aber auch Präsentationen und Events statt, kleine Cocktails und Showroom-Termine. Bevor wir sozusagen nach Mailand schwenken und die vielen noch nicht rezensierten Kollektionen nach und nach besprechen, möchte ich Euch auf eine kleine Reise entführen, die besonders zauberhaft ist und mit genau dem zu tun hat, was Qualitätsprodukte und Handwerk ausmachen …

John Lobb steht bei Männerschuhen wie kein anderes Londoner Haus für gute Leisten, customized Shoes und tadellos verarbeitete Konfektionsschuhe. Die Manufaktur (wir stellten sie bereits ausgiebig vor) arbeitet mit den besten Gerbereien zusammen, benutzt besondere Leder und spezielle Sohlen und Verarbeitungstechniken. Das Archiv ist so umfassend, dass dort immer wieder Modelle aufgestöbert werden, die aktualisiert perfekt zu den Modeströmungen und Tendenzen unserer Zeit passen.

Für den Winter 2015 wurde nun, neben einer besonders raffinierten Sneakers-Kollektion, Monks und Brogues, eine Linie von Bottines vorgestellt, die nicht nur schnell zum Klassiker des modernen Dandys werden dürften, sondern auch noch genau das erzählen, was wir besonders an Mode lieben. Etwas, was den Schuhen und der Präsentation einen zusätzlichen Zauber verleiht:
Bevor der Schuhmacher John Lobb in London seine Werkstatt begründete und damit die Grundlage für das Haus Lobb legte, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Cornwall. 1851, als er 22 Jahre alt war, ging er zu Fuß von Cornwall nach London um die Großstadt zu erobern und sich Arbeit zu suchen. An den Füßen seine ersten eigenen Boots. Genau von diesen „Moorlands“, wie man die Form heute noch nennt, ließ sich Designerin Paula Gerbase inspirieren. Heraus kam eine Range von Moorlands, die mit einem Strap sowie einer Schnalle und ohne Nähte auf dem Blatt, total klassisch wirken, aber dennoch ungewöhnlich und sehr neu sind.

Der Combe und der Morval bilden das Herzstück dieser kleinen und feinen Premiere in einem Haus, das man sich englischer nicht vorstellen kann und wie aus der Welt von Charles Dickens gefallen zu sein scheint. Sicherlich genauso beeindruckt war der junge John Lobb, als er in das unfassbar große London kam und damit begann, seine Schuhe herzustellen. Zunächst wie beim Combe, mit einer Schnalle, dann mit zweien, wie beim Morval, allerdings kürzer geschnitten und elegant-robust aus einem Mix aus feinem Kalbs- und wasserfestem Büffelleder. Der Grove ist in Veloursleder hingegen etwas besser für die Stadt geeignet und wirkt von seiner Linie her eleganter und ist der ideale Boot zum Anzug.
Für den ganz auf Exzentrik ausgerichteten Dandy ist sicherlich der Oake der richtige Boot. Er spielt mit dem Kontrast von Veloursleder und Nappa und wirkt schon fast wie ein Gamaschen-Schuh. Vielleicht ist er ein toller Zusatzkauf für Burberrys Bohemiens im Herbst …

John Lobbs Wanderung macht totale Lust auf Qualität und lädt zum Träumen ein und erinnert mich gleichzeitig daran, dass ich unbedingt auf ein Paar Schuhe aus dem Hause John Lobb sparen muss, denn darin kann man wirklich beruhigt der Zukunft entgegen gehen – stilvoll und heute genauso wie 1851.

  • Oliver
    19. Januar 2015 at 12:57

    So sehr ich auch John Lobb liebe, bei den aktuellen Neuheiten gefällt mir (bis dato) gar nichts. Auch wenn hier noch die besseren gezeigt wurden. „Me too“ kam mir (leider) in den Sinn. Aber die Zielgruppen sind ja auch nicht mehr ganz die selben wie früher.
    Trotzdem danke für den schönen Artikel, Peter!

  • Siegmar
    19. Januar 2015 at 13:02

    sehr schöner Artikel über John Lobb, mir gefallen da schon einige, ich denke man muss die Schuhe auch „live“ sehen und in der Hand haben.

  • vk
    19. Januar 2015 at 17:28

    lobb ist eigentlich der originaere utility shoe. aehnlich wie man im englischen sprachraum zwischen ‚tool watch‘ und ‚dress watch‘ unterscheidet, also uhren(marken) mit praedominant ‚werkzeug-DNA‘ einerseits vs ’schmuck-DNA‘ andererseits, kann man sich durchaus mit erkenntnisgewinn dem thema schuhe zuwenden. prototypische marke unter den tool watches ist rolex. auch unter verschaerften bedingungen – in der tiefsee, am polarkreis, in der sauna – broekelt kein diamant aus der krone. bei allem blingbling bleibt sie werkzeug zuerst. der charakter kommt von innen (auch ohne sich in dubioser komplikationsfolklore zu gefallen, wie es in der branche ggw ueblich ist).
    ich glaube, ich sagte es hier bereits an anderer stelle: lobbs erscheinen mir in ihrer machart eher wie ein abgesaegter stiefel denn als schuh. mit sattem plopp-klack schliessen sie sich um den fuss, in einer praezision vergleichbar einem gardena bajonettverschluss zb.
    auf parkett oder stein, auf tanzboden, im opernfoyer, im museum oder in weihevoller basilika wird dein schritt immer der lauteste sein. klack, klack, klack. im lobb ist der auftritt hackenbetont. gemessenes schreiten mit fast militaerischer interpunktion. keine ahnung, woran das wirklich liegt. keine ahnung, ob man in lobbs auch anders gehen kann. ich hab es noch nie versucht. es waere auch kaum so lustig.
    ich weiss nur, dass meine lobbs fundamentsl – durch und durch – anders sind als alles, was ich sonst kenne.
    und ich finde auch, dass lobb als marke seine bootmaker heritage eigentlich nicht genug spielt.
    so slick wie sie aussehen moegen, im wesen sind es stiefel. boots from an original bootmaker halt. nicht zu verwechseln mit leisetreter ‚working boots‘. bei leibe nicht. deutlich mehr rolex als redwing. mit ganz spezifischen charakter, der aus der konstruktion, der von innen kommt.

  • vk
    19. Januar 2015 at 19:04

    sie mal an: functional wear with an earthiness http://www.style.com/trends/mens/2015/paula-gerbase-functional-wear-with-an-earthiness-john-lobb
    man begibt sich also in die richtung. fehlt noch die zackig militaerische interpunktion.
    moos ist das eine… – wirklich ungeschlagen sind loobs allerdings auf resonanzfaehigerem bode. weniger earthiness, mehr ‚achtung fritz!‘. ich sagte es bereits.

  • Siegmar
    20. Januar 2015 at 11:06

    vk
    danke für deinen Beitrag, habe ich mit Interesse gelesen, die Rolex als „tool watch“ habe ich so noch nie gesehen, Patek sind dann „Dress wachtes “ ?

  • vk
    20. Januar 2015 at 14:42

    gerne, siegmar. freut mich. – kla, genauso kann man das sehen.

  • thomash
    20. Januar 2015 at 18:07

    shoe porn!! und das gilt auch mal wieder für den artikel von kempe.
    meine lobb sind alle super bequem, aber auch irgendwie streng. als ob sie es nicht gutheißen würden, wenn man sich mit ihnen schlunzig benimmt. “abgesägter stiefel“ trifft das gefühl echt gut.