(La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit)
Der große Hermès-Laden in der Rue de Sèvres gleicht mit den Produkten aus den 14 Metiers einem kleinen, sehr feinen Kaufhaus. Doch jetzt wurde gleichzeitig eine Quincaillerie daraus, was, ins Deutsche übersetzt, ein Haushaltswaren- oder Eisenwarengeschäft beschreibt.
Der vordere Teil des Hermès-Geschäfts ist seit einigen Jahren meiner persönlichen Lieblingsabteilung vorbehalten, dem „petit h“. Der kleine Bruder von Hermès, das „petit h“, ist etwas, das über grenzenloser Fantasie verfügt und so eine Art ‚Insel mit eigenen Gesetzen‘ innerhalb des Traditionssattlers ist. Ganz nebenbei ist das „petit h“ sicherlich auch eine der luxuriösesten Recyclingmaßnahmen der Welt.
Gegründet wurde „petit h“ 2010 von Pascale Mussard, die aus der Hermès-Familie stammt und seit 1978 maßgeblich das Design und die Kreationen des Hauses mitgestaltet.
La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit
Bei den „petit h“-Produkten bekommt man fast immer ein Unikat, weil kein Material dem anderen gleicht. Die Handwerker müssen bei jedem Stück wieder neu durchdenken, wie sie es bewerkstelligen, daraus das zu machen, was schließlich und endlich in den orangefarbenen Kartons landet.
Fragt man die Sattler, Silberschmiede, Glasbläser oder Seidenrollierer, was ihnen an „petit h“ am meisten gefällt, erhält man immer wieder die Antwort, dass man jeden Tag dazu lernt, neu denken muss und immer wieder eine neue Lösung findet. Genau das ist es, was Arbeit Spaß machen lässt und die Freude daran bringt.
Alle sechs Wochen wird „petit h“-Bereich im Laden umgestaltet. Da die Materialien endlich sind, gibt es immer wieder Produkte, die man neu entdecken kann. Fast jedes Produkt wird so zu einem Sammlerstück: Manchmal gibt es Dinge nie wieder, weil im Fundus bestimmte Leder- oder Metallteile oder auch die Einzelteile zu einer bestimmten Kreation nie wieder auftauchen.
La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit
Seit Ende Januar hat sich jetzt das „petit h“ in die „La Quincaillerie de Hermès“ verwandelt, mit den für einer Eisenwarenhandlung typischen alten Schränken mit vielen Fächern und den Werkbänken. Es gibt „petit h“-Werkzeuge ummantelt mit Leder, Lineale und Geodreiecke; aus Leder geprägte Schlüssel, Flicken und Nähsets, um seine Kaschmirpullover aufzupeppen, Schnürsenkel aus Hermès-Carré-Resten oder auch Türstopper aus Steinen und Leder. Fundstücke und Objekte, die, wie Pascale Mussard es einmal formulierte, UPOS sind – unbekannte poetische Objekte.
„La Quincaillerie de Hermès“ wurde mit einem Workshop eröffnet, wo man sich gleich unter die Handwerker mischen und seine eigenen Kreationen erschaffen konnte.
La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit
An den verschiedenen Stationen galt es, sein handwerkliches Geschick und seine Fingerfertigkeit zu beweisen. Auf meiner Wunschliste stand an dem Tag vieles aus der „petit h“-Kollektion und so ging es als Erstes daran, ein nützliches Teil zu bauen, das die Ohrstöpsel samt Schnur vom iPad in Ordnung hält und praktisch verwahrt. Das Grundmaterial – feines Leder in der Hausfarbe „Rouge H“, ein feines Bordeauxrot – war schnell gewählt und mithilfe der Täschnerin ein Schaf ausgeschnitten, die Löcher gestanzt und der Druckknopf mit einer altertümlichen, traditionellen Maschine montiert. Darauf noch meine Initialen mit einem Punzierwerkzeug angebracht und schon war mein kleines Kabeletui von „petit h“ fertig.
Eine kleine Stofftasche aus Toile-Hermès sollte mein nächstes Projekt werden, die ich mit einem großen Knopf zum Schließen und pinkfarbenes Garn zu einem Schmuckstück verwandelte. Wie ein Kind in einer Bastelstunde macht so etwas fast süchtig und die in großen Schachteln und Kisten verwahrten Zutaten inspirierten zu immer neuen Ideen.
La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit
Ein Notizbuch aus Leder mit Carré-Applikationen und Monogramm sollte in die Stofftasche noch hinzugefügt werden und so begann die Arbeit, ein aus feinem Papier hergestelltem Notizbuch ein neues „petit h“-Kleid zu verpassen. Leder in allen Regenbogenfarben und Seidencarré-Abschnitte, die auf selbstklebenden Untergrund kaschiert sind, wurden mit Schere, Lineal und Kleber zu Leibe gerückt und so entstand mein eigenes UPO.
La Quincaillerie de Hermès; Bild: Alex Profit
Es ist herrlich, etwas Eigenes zu schaffen. Nach diesem Nachmittag in Hermès-Handwerkerschürze und stundenlanger mühevoller Arbeit kann ich den Stolz der Handwerker noch mehr verstehen. Natürlich fällt es diesen Materialien leicht, etwas Schönes zu erschaffen.
Die Quincaillerie war für mich wie ein kleines Paradies. Jedes „petit h“-Teil, das ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, hüte ich wie einen kleinen Schatz. Denn schöneres Recycling, das einen jeden Tag begleitet, ob am Schreibtisch oder in der Deko zu Hause, kann es gar nicht geben.
Pascale Mussard und ihr „petit h“ sind wie ein Labor und eine Wunderwerkstatt zugleich und lassen einen die Seele und die Tradition von Hermès deutlich spüren.
Ich freu mich schon wie ein Kind auf den nächsten Workshop. Die Hermès-Eisenwarenhandlung in der Rue de Sèvres sollte man sich nicht entgehen lassen, denn danach ist die Fantasie wie vom Götterboten gleichen Namens wunderbar beflügelt …
Hier einige Schnappschüsse vom Workshop des „La Quincaillerie de petit h“:
„La Quincaillerie de petit h“ ist noch bis zum 17. Februar 2018 in der Boutique Rue de Sèvres zu sehen.