(Dior Men Herbst-Winter 2021/22; Bild: Adrien Dirand)
Während sich Virgil Abloh für die Präsentation der Louis-Vuitton-Herrenkollektion der kommenden Herbst-Winter-Saison entschied, einen Film abzuliefern, der an ein Musikvideo erinnerte, ging es bei Dior regelrecht klassisch zu: Kim Jones schickte seine Models ’nur‘ über einen Laufsteg, ganz ohne großes Drumherum, was eh meist nur ablenkt – schließlich ist Mode Kultur, die nicht durch Rapmusik und schneller Bildfolge in Szene gesetzt werden muss, sondern für sich selbst steht.
So einfach es klingt, ist das aktuell die eigentliche Mammutaufgabe. Aus Marketingsicht haben sich die Modehäuser im letzten Jahrzehnt von ihrer Kernkompetenz, der Kreation von Kleidung, meilenweit entfernt und sich zu Unterhaltungskonzernen entwickelt. Doch kann sich das einzelne Modehaus sonst durch Influencer und Celebrity-Gäste sicher sein, in den (sozialen) Medien wahrgenommen zu werden, gilt es jetzt, ausschließlich durch den Entwurf zu überzeugen. Die Stoffe, dich sich sonst während des Re-Sees einer Prüfung durch den Moderedakteur und die Einkäufer unterziehen müssen, werden allenfalls durch ein geschultes Auge oder durch die Pressemitteilung dechiffriert. Nachdem Ketten wie H&M die Mode demokratisiert haben, schafft es nun ein Virus, auch die Präsentation allgemein zugänglich zu machen. Wohl dem Luxuslabel, das mehr zu bieten hat als einen klangvollen Namen. So interpretiert Kim Jones für Dior die Couture-Linie des Hauses, die seinerzeit vom Firmengründer geprägt wurde und regelrecht einer Zeremonie glich. Christian Dior war es, der höchstpersönlich den Auftritt seiner Models für jeden neuen Look beschrieb und ihnen Namen gab.
Für Herbst-Winter 2021–2022 liefert Kim Jones Entwürfe, die an militärische Uniformen erinnern – allerdings mit Stickereien und Verzierungen, vor allem inspiriert durch die Académie des Beaux-Arts, eine maskuline Interpretation von Couture. Dekorative Details und Motive aus den Archiven des Modehauses interpretiert der Designer neu. Die „Bar Jacket“, jenes architektonische Meisterwerk der Damen-Mode, das den Fokus auf die Taille legt, wodurch indirekt die Röcke der Trägerin betont wurden, zeigt sich mit bezogenen Knöpfen maskulin. Das berühmte „Rosella“, ein Haute-Couture-Abendkleid aus den Sechzigern von Marc Bohan, mit goldener Stickerei, kommt jetzt als Neuinterpretation, „Vermont“, in Form eines Mantels, in Kombination mit einem Barett für die männliche Kundschaft daher. Da lohnt ein genauer Blick („Rosella“ findet sich auch in der Galerie).
Für die Herbst-Winter-Kollektion holte sich Kim Jones Verstärkung vom schottischen Künstler Peter Doig. Bei der Zusammenarbeit hat Doig nicht nur Motive entwickelt, sondern bei einer Reihe von Wollfilzhüten von Stephen Jones selbst Hand angelegt und Designs im Stil seiner eigenen Werke bzw. der Erinnerungen und Verbindungen mit dem Haus Dior entworfen.
Farblich bewegen sich Jones und Doig auf sicherem Terrain: dezentes Blau, Marineblau, gedeckte Malvenfarbe, Grau sowie ein knalliges Gelb, Blutorange und Grün – mehr braucht es nicht. Allesamt sind es aber Farben, die in ihrer Kombination jede Menge Lebensfreude ausdrücken und in einer trüben Zeit so etwas wie ‚Hoffnung‘ wach werden lassen.
Die Entwürfe wirken teilweise so, als seien diese selbst Gemälde von Peter Doig. Jones sei Dank, werden die Looks und Formen der Kollektion zu Leinwänden der Kunst, die es möglich machen, dem Lockdown, sofern es diesen noch gibt, wenn die Kollektion in die Läden kommt, ein Schnippchen zu schlagen: Die Museen haben vielleicht im Herbst noch geschlossen, einen echten Doig kann man mit Glück dann aber auf der Straße sehen …
Peter Kempe
25. Januar 2021 at 09:31Super Artikel und super Kollektion !