(Bild: Courtesy of Diptyque)
Seelenlose Shopkonzepte, die von Merchandisern mit möglichst billigen Regalsystemen ausgestattet sind, dominieren unsere Innenstädte.
Ein Grund, warum wir bei Horstson Stores zeigen, die besonders individuell oder sehr einfallsreich gestaltet sind. Weit weg vom Einerlei, wie die Läden der australischen Kosmetikmarke Aesop, die unterkühlten Avantgardeboutiquen von Acne oder auch die Vintagewelten des Pariser Labels Maison Kitsuné.
Architekten stehen heute vor dem Problem, dass die Filialen weltweit individuell zu gestalten, was wesentlich schwieriger ist, als einzelne Läden einzurichten. Meistens bleibt es dann bei der Entscheidung, das Shopdesign zu vereinheitlichen, da der Aufwand und die Kosten zu groß wären, alles neu zu planen. Nur wenige Firmen bekommen den Spagat hin, das Corporate Identity zu übertragen, sich der regionalen Individualität zu stellen und sich nicht zu zeitgeistig einzurichten, um nicht Gefahr zu laufen, schnell wieder unmodern zu wirken.
Dabei gibt es so glänzende Beispiele in der Architektur von Ladengeschäften, die teilweise Jahrzehnte, manche auch Jahrhunderte nichts verändert haben. In diesen Geschäften möchte man einfach nur etwas kaufen, weil das Geschäft so schön ist und man von der Atmosphäre und dem Charme so eingefangen wird, dass man gar nicht anders kann. Dabei spreche ich nicht von Erlebnisshopping, wo eine Sensation nach der anderen aufgeboten wird, sondern einfach von Läden, die genau für das stehen, was sie sind: Oasen, in denen man sich wohl, geborgen und gut aufgehoben fühlt und in denen die Wurzeln des Handels in ihrer schönsten Form zelebriert werden. Das können Läden sein, die – meist inhabergeführt – neu eröffnen und liebevoll gestaltet sind, oder auch bestehende, die ich in lockerer Reihenfolge in der nächsten Zeit vorstellen werde. Vielen wird der ein oder andere Store bekannt sein, aber manchmal lohnt es sich auch, Orte wiederzuentdecken, die man lange nicht aufgesucht hat.
Neben der Architektur und Atmosphäre haben solche Läden meistens auch noch etwas anderes, nämlich eine echte Geschichte, die sie über viele Jahrzehnte zu absoluten Klassikern macht.
Desmond Knox-Leet, Christiane Gautrot und Yves Coueslant; Bild: Courtesy of Diptyque
Los geht es mit einem Laden, der eigentlich durch Zufall entstanden ist und einem ganz anderen Zweck gedient hat – Diptyque in Paris. Der Store liegt zwar an einer weltberühmten Straße – dem Boulevard Saint Germain – aber ganz am Anfang, wo noch nicht das Gewusel von Saint-Germain-des-Prés herrscht und wo die Straße noch ursprünglich ist.
Der Boulevard ist lang und fängt fasst noch an der Seine beim Institut du monde arabe an. Dort an einer Ecke liegt der Laden, zu dem Menschen aus aller Welt pilgern, um ihre Duftkerzen oder ihre Parfums und Seifen in einem ganz besonderen Ambiente zu kaufen.
Die Gründer von Diptyque, Desmond Knox-Leet, Christiane Gautrot und Yves Coueslant, begegnen sich erstmals 1959. Der eine Maler, die anderen beiden entwerfen Stoffe für die englischen Prestige Häuser Liberty’s und Sanderson – und das, obwohl sie gerade erst die Uni verlassen haben. Die Drei entsprangen einer Generation, die sich stark von Françoise Sagan inspirieren ließ. Sie begeisterten sich für die Kunst des Jugendstils und für Kalligrafie – Einflüsse, die sie in ihren Entwürfen umsetzten.
Knox-Leet, Gautrot und Coueslant beschlossen, eine eigene Stoffkollektion zu entwerfen, neben der sie allerlei Fundstücke, wie Kelims, die sie von ihren Reisen mitgebracht haben oder auch Kleinigkeiten, die es in Paris nicht gab, verkaufen wollten. Das Eckgeschäft mit den roten Markisen wurde so eingerichtet, wie sich Franzosen ein englisches Geschäft vorstellten und mit allerlei Möbeln aus dem 19. Jahrhundert und Perserteppichen eingerichtet.
Die Wände bespannten sie mit ihren Stoffen und legten Wert auf fantasievoll inszenierte Schaufenster. Schnell wurden sie zu einem Geheimtipp der Innenarchitekten und erste Magazine berichteten über sie. Als sie einmal deutsche Votivkerzen dekorierten, die man in der katholischen Region Allerheiligen anzündet, verkauften sie diese so schnell, dass Knox-Leet, Gautrot und Coueslant sich überlegten, solche in ihr Stammsortiment aufzunehmen.
Bild: Courtesy of Diptyque
1963 war es dann so weit und auf einem Blatt Papier wurde die bis heute ikonografische Schrift und das Emblem gezeichnet, das genauso für Diptyque steht, wie die berühmten Duftkerzen. Die Sorten „Tee“, „Zimt“ und „Weißdorn“ legten den Grundstein zu dem, was heute in keinem fashionablen Haushalt fehlen darf. Der Rest ist Geschichte, denn die Welt der Düfte löste bald die Stoffkollektionen ab und viele weltbekannte Parfums und Seifen entstanden: L’Eau Diptyque, Tam Dao, L’ombre dans oder auch Eau Lente sind heute Legenden. Der Duft Philosykos, der nach Feige duftet, ist einer der Sommerklassiker schlechthin und Verkaufsrenner seit dem Tag seines Debüts.
Die Kalligrafie, die Desmond mit den Elementen des Stoffes Pretorians und den hopsenden Buchstaben kreiert hatte, schmücken bis heute alle Produkte. Neben Duschgels und Kompaktparfums gibt es auch parfümierte Medaillons für den Kleiderschrank und alles, was man sich für das Ambiente des Hauses wünscht.
Bild: Courtesy of Diptyque
Die Kerzen bilden, nicht nur wegen der schönen Optik und den famosen Duftvarianten, eine Ausnahmeerscheinung. Auch durch die Konsistenz ihres Wachses, das in neun Arbeitsschritten von Hand in die streng grafischen Gläser gebracht wird. Der Docht muss exakt sitzen, weil nur dann die Kerze bis zu 70 Stunden perfekt brennt. Egal ob im Sommer mit Figuier oder im Winter mit Feu de Bois – jeder wird seine Lieblingskerzen in der Range finden.
Bild: Courtesy of Diptyque
Natürlich gibt es mittlerweile Diptyque-Verkaufspunkte in aller Welt und sogar eine eigene Produktlinie, die als magische Zahl 34 die Ziffer trägt, an der alles begann, aber das Stammhaus lohnt immer einen Besuch. Die Atmosphäre atmet immer noch den Geist der drei Freunde und ihrer Idee und der Spirit wandert automatisch mit in die Tüte. Ein Kleinod der Ladenarchitektur, das glücklicherweise jeden Tag geöffnet hat. Und als Überraschung gibt es auch demnächst in limitierter Auflage einige der Textilentwürfe wieder, denen die Adresse 34 Boulevard Saint Germain ihre Entstehung zu verdanken hat …
Siegmar
14. Juni 2016 at 12:40immer wieder schön, der Laden ist toll!
Horst
14. Juni 2016 at 20:48Super die Kerzen! Mag ich sehr und sehen auch chic aus!
Die Woche auf Horstson – KW 24/2016 | Horstson
19. Juni 2016 at 11:18[…] 2) Am Montag berichtete Peter wieder über einen ganz besonderen Shop. Diesmal: Diptyque in Paris. […]