Alexander Ekman: „Lib“; Bild: Jubal Battisti
Ein schwedischer Choreograph plus Musik von Talking Heads und John Lennon plus Kostüme des Modedesigners Charlie Le Mindu. Eine Rechnung die aufgeht. Wenn auch auf eine sehr krude und komische Art und Weise. „Lib“ ist das erste Stück an diesem Abend in der Staatsoper Unter den Linden. Alexander Ekman arbeitete hierfür das erste Mal mit dem Staatsballett zusammen und ist nach Stationen beim Cullberg Ballett, dem Nederlands Dans Theater oder der Sydney Dance Company natürlich kein unbeschriebenes Blatt mehr.
Sharon Eyal: „Strong“; Bild: Jubal Battisti
Mit den Haaren kommt die Befreiung
„Lib“ ist angelehnt an das englische „liberation“ (Befreiung). Und wie so oft ist so ein modernes Ballett relativ frei in der Interpretation. Das Stück beginnt im noch hellen Saal mit Start der Musik. Vier Tänzerinnen (u.a. Polina Semionova) performen vergleichsweise starr, aber mit unglaublicher Körperbeherrschung in klarer Abfolge. Und wie es manchmal auch im Leben ist, kommt ein erstes haariges, hundeartiges Wesen (Johnny McMillian) wie ein anfänglicher wilder Störfaktor auf die Bühne und wirbelt wild umher. Das Ganze bringt einen eher zum Lachen, was aber durchaus auch Ziel von Ekman ist. Nach und nach „verwandeln“ sich dann alle Tänzer(innen) in behaarte Kunstwerke, die zu ungewohnt modernen Klängen von John Lennon, den Talking Heads usw. performen. Man könnte also sagen: Mit den Haaren kommt die Befreiung! Alles zusammen ist relativ kurz, überaus unterhaltsam und lässt einen zum Glück auch das ein oder andere Mal lachen. Und das kommt viel zu selten vor im Ballett, wenn ihr mich fragt.
Berghain Ballett
„Während der Aufführung werden unvermittelte und starke Sound-Effekte ausgelöst, die unter Umständen ein gewohntes Maß überschreiten.“ Diese Fußnote im Programm sorgt in der Pause zwischen den Stücken für Gesprächsstoff. Während sich das ältere Kaliber sorgen macht, sich dauerhaft die Ohren zuhalten zu müssen, freuen sich die zahlreichen Berliner Clubber mit künstlerischem Einschlag über ein wenig Wums in der Bude. Beide sollten nicht enttäuscht werden. Sharon Eyal sagt von sich selbst: „Ich erkläre nicht gern … Ich bevorzuge es, wenn Menschen fühlen …“. Wer die Dior Show zur Frühjahr/Sommer Kollektion 2019 gesehen hat weiß, was sie damit meint. In der Kommunikation von Show und Kollektion ging sie damals zugegebenermaßen etwas unter. Wo ihr damals die Mode die Show gestohlen hat, kommt in „Strong“ die wahre Stärke von Eyal zum Vorschein. Das Stück ist kraftvoll, sexy und modern und schafft es über knapp eine Stunde hinweg den Zuschauer zu fesseln. Und zwar nonstop! Die Musik geht tatsächlich in Punkto Beat und Effekt an die Grenzen einiger Ohren der Zuschauer. Aber das muss sie auch. Die Tänzer bewegen sich dabei in perfekter Einheit und geben jede Nuance des Beats körperlich wieder. Zwischendurch performt das Ensemble dann auch noch die zeitgemäße und deutlich coolere Version einer mixed „Girlreihe“. Ich sage: MICDROP Sharon Eyal! Und natürlich darf man nicht vergessen: Ohne die großartigen Beats von Ori Lichtik, wäre alles natürlich nur halb so schön gewesen!
Weitere Termine von Ekman // Eyal in der Staatsoper Berlin:
MI 18.12.2019
DO 19.12.2019
DI 03.03.2020
MO 30.03.2020
SO 10.05.2020
SO 24.05.2020
SO 07.06.2020
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