Sneakers

Klasse Klassiker

(„Home of Classics“-Kollektion; Bild: adidas Originals)

Leute, ich habe eine ordentliche Meise und bin mir dieser auch noch bewusst. Das klingt abgeklärt und irgendwo reflektiert, ist es aber bei weitem nicht. Wie lebt man mit einem – nennen wir es in meinem Fall – völlig beknackte Defizit an Realitätssinn? Links liegen lassen und tun, als wäre nix verkehrt? Klappt nicht, echt oft versucht! Folgendes Beispiel zur Veranschaulichung: Erst kürzlich klopfte diese fiese Laune der Natur an meinem Hinterstübchen und hörte nicht auf dieses Geräusch zu machen. Keine Ahnung, was für ein Geräusch Meisen machen, aber sie hörte nicht auf damit. Es ging um Schuhe, vielmehr deren Größe. Da spielt bei mir nämlich alles verrückt. Lange Zeit redete ich mir ein, dass meine Füße geschrumpft wären.

Also nicht nur ein bisschen, sondern mindestens um eine halbe Größe. Fatal, wirklich fatal für einen passionierten Turnschuhsammler wie mich. Plötzlich war ich von meiner vertrauten 42 so weit entfernt, dass in meinem Hinterkopf nur noch signalrot untermalte 41,5 tanzten. Alsbald ich die Schwelle eines Schuhladens betrat, waren mir die gewohnten 42er-Modelle viel zu groß und die halbe Nummer kleiner schrie nur so, tanzte barfuß Samba. Panik machte sich breit, bloß keine falsche Größe kaufen. Fortan kaufte ich alles (und zugegebenermaßen nicht zu wenig) in der kleineren Version. So weit, so gut. Rund zwei Jahre war dahingehend Stille in meinem Kopf. Vor ein paar Monaten kam bekannte Meise jedoch wieder zu Besuch und hörte nicht auf zu klopfen: Meine Stan Smith drückten plötzlich arg und gaben sich am dicken Zeh ungewöhnlich eng. Oh weh, dabei hatte ich ab- und nicht zugenommen.

Das innere Zwitschern überhörte ich erstmal tunlichst, an ausreichender Selbstreflektion soll es bei mir als Psychologensohn schließlich nie scheitern. Naja, einen Stadtbesuch und wehe Füße später, revidierte ich meine ungewöhnlich erwachsene Einstellung des Überhören und sämtliche Alarmglocken schrillten auf: Du kaufst zu kleine Schuhe, Julian! Tja, was nun? Sämtliche Stan Smith – mittlerweile hatte ich, ohne prahlerisch zu klingen, in verschiedenste Farb-, Sohl- und Ledervarianten investiert – verkaufte ich vorsorglich auf dem Flohmarkt. Bei meinen wesentlich teureren Margiela Replicas bin ich nicht mutig genug bzw. Tag für Tag unentschlossen: Müssen sie gehen oder dürfen sie bleiben? Mit solch kostspieligen Investitionen lastet schließlich immer auch eine gewisse Verantwortung auf den Schultern des Käufers! Alle anderen Sneaker wurden knallhart um-, aussortiert und verscherbelt.

Mein Lieblingsschuhe-Fach ist dementsprechend kleiner geworden und jeden Morgen tapse ich vor einer traurigen Auswahl an Yung-1-Modellen in EU 42 umher. Ich bin mir bewusst, dass dieser Wahnsinn ein absolutes first world problem ist – auch hier bin ich absolut besonnen und selbstreflektiert. Und trotzdem: diese Hin und Her nervt. Aktuell flüstert die Meise, dass ich auf den nächsten Schlussverkauf warten muss. Denn dann komme ich Sparfuchs wieder zum Zug und investiere meine Flohmarkteinkünfte in zeitlose Stan Smiths. Und wäre es damit nicht schon umständlich genug für meinen ganz persönlichen Schuhwahn(sinn), hat adidas Originals kürzlich die „Home of Classic“-Kollektion vorgestellt. Ich möchte gerne alle haben, ausnahmslos alle. Das Portemonnaie glüht vor. Eine kurze Vorstellung: Seit über 50 Jahren stehen die Herzogenauracher für weiße Ledersneaker und wie beinahe jeder weiß – und man unschwer in jeder Fußgängerzone mittel- bis großer Städte erkennen kann – hat sich das Ganze mit Modellen wie Superstar oder Stan Smith zu einem globalen Trend entwickelt.

Am Fuß trägt man und frau Weiß, oft und gerne. Nicht nur hier, sondern (so kann ich es zumindest aus eigener Beobachtung beurteilen) auch in Afrika, USA oder Indien. Klar, jetzt stöhnen alle modeverrückten Individualisten unter uns: „Vollkommen überholt und out of fashion“. Lieber mal Klötze ans Bein, überdimensionierte Legoschuhe und weg vom Weiß? Neeee, so denke und rechne ich nicht! Ich finde weiße Stan Smiths gut, sehr gut sogar. Ist mir gleich, ob die viele anhaben. Passen gut zu sämtlichen Outfits, sind bequem und wunderbar zeitlos. Da gehöre ich gerne mit zum Mainstream. Wobei ich dieses M-Wort an dieser Stelle klar entschärfen will: Kramt man nämlich ein bisschen in der Vermächtniskiste der adidas Originals sieht und merkt man, dass sie in unzähligen Kulturen, Bewegungen und Generationen vertreten waren und sich gerade so immer wieder neu erfinden konnten, nicht?

Nimmt man nur mal den Superstar, der war einst als Basketballschuh gedacht und mauserte sich schnell zum Distinktionsmerkmal der Hip-Hop-Kultur – heute trägt ihn meine kleine Schwester im Zeltlager und transportiert so, auf unbewusste Weise, eine ganz neu-alte Geschichte weiter. Insgesamt wurden für die „Home of Classics“-Kollektion zehn Silhouetten hervorgehoben, der ein oder andere Name ist mir ein Begriff. Bei anderen muss ich erst mal recherchieren. Bei allen gefällt mir jedenfalls die beige-weiße Sohle im Kontrast zum Weiß des Leders: Torsion Comp, Nizza Hi RF, Continental 80, A.R. Trainer, Rivalry Lo, Superstar und Stan Smith wurden aus dem Archiv geholt. Drei weitere aktuelle Modelle erweitern das Angebot der zeitlosen Sneaker mit Klassikerstatus: Supercourt RX, Supercourt und S.C. Premiere. Ich höre jetzt mal auf zu tippen und verspreche eins: Wenn ich in eines der Modelle investieren sollte, dann nur in Größe 42. Niemals zu kleine Schuhe kaufen – das hat schon meine Großmutter gepredigt und ich denke an sie, alsbald die Meise wieder zu klopfen vermag…

Anbei einmal eine Auswahl an Bildern zu der „Home of Classics“-Kollektion von adidas Originals. Die Schuhe sind ab sofort erhältlich.

  • fred
    4. Juni 2019 at 16:47

    @JULIAN

    Ich denke, Du bist normal. Ich habe das auch. Ich kaufe noch immer bei allem eine M, obwohl ich sehr weit davon entfernt bin. Bei Schuhen hingegen kaufe ich oft eine 44, obwohl ich 42 habe, weil ich immer Angst habe, dass die Schuhe zu klein sein. Daher sind sie immer zu gross. Und die M, darüber wollen wir nicht sprechen…
    Meist denke ich beim Kauf: „wenn ich viel abgenommen habe, dann passe ich in die M“. Das kam noch nie vor. Ich passe in eine 80er-Jahre M. Und alle, die noch eine 80er-Jahre M im Schrank haben, wissen, dass das einer heutigen XXL entspricht und nichts mit der M von heute zu tun hat., die ich aber in der guten Hoffunung immer wieder kaufe. Auch weil ich mir die XXL nicht zugestehen möchte.

  • Julian
    4. Juni 2019 at 18:12

    Lieber Fred, Ich habe herzlich gelacht bzw. lache ich noch immer und freue mich richtig über deinen Kommentar! Er beruhigt mich vielmehr! Selbiges Problem habe ich auch bei Hosen noch dazu, da sitzt dann alles zu spack und am Ende trage ich es dann doch nicht, weil es einfach echt albern aussieht. ahahahahahahhahahahahahah

    Beste Grüße und dir einen schönen Feierabend,

    Julian

  • fred
    4. Juni 2019 at 18:41

    @ JULIAN

    Genau so ist es. Ich kenne das und habe einen Schrank voll davon.