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Karl forever 2019 – Grand Palais Paris

(Karl forever 2019 Grand Palais; Bild: David Atlan)

Als Hommage für das Jahrhundertgenie Karl Lagerfeld fand am vergangenen Donnerstag im Pariser Grand Palais die gemeinsam von den Marken Chanel, Fendi und Karl Lagerfeld eingeladene Gedenkfeier statt.
Einerseits um ihn und sein Werk zu würdigen, aber auch um mit vielen Mitarbeitern, Freunden, Prominenten und den Inhabern der einzelnen Häuser auf die Zukunft anzustoßen, so wie er sich es immer gewünscht hatte, denn nichts liebte Lagerfeld so sehr wie die Zukunft zu kreieren. Das schwarz-weiß Dekor von dem kanadischen Opernregisseur Robert Carsen genau so erdacht, wie die 56 großen Lagerfeld Porträts, die das gesamte Grand Palais wie eine übermächtige Lagerfeld-Galerie erscheinen ließen. Bilder, die wir alle kennen.
Ob sein Debüt bei Jean Patou mit dicker James-Dean-Haartolle und schmolligen Lippen, Porträts von Helmut Newton in seiner 18. Jahrhundertwohnung oder Karl lachend mit seinen Freunden in der Brasserie Lipp. Lagerfeld in allen Aggregatzuständen, Aug in Aug mit allen, die gekommen waren, um ihn zu ehren.
Das Who-is-who der Pariser Gesellschaft erschien an diesem Abend fast vollständig. Und weil Lagerfeld das Spiel der Gesellschaft und seiner Branche so liebte, erklangen beim Hinsetzen viele seiner klassischen Lieblingsmusikstücke – ob Bachs Cembalo Konzerte, die er schon in seinem Kinderzimmer vor einer Kopie von Adolph von Menzels „Tafelrunde in Sanssouci“ gern hörte bis zu „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinski.

Charlotte Casiraghi, H.R.H. Princess of Hanover, Andrea Casiraghi and Madame Emmanuel Macron at Karl Forever at the Grand Palais in Paris on June 20, 2019. Photo by Luc Castel and Julio Piatti

Unter den Gästen: Ralph Lauren, Valentino, Stella McCartney, Donatella Versace oder Alessandro Michele, ebenso alle LVMH-Designer, die Pinaults, Familie Arnault und natürlich Alain Wertheimer. Wäre an diesem Abend das Grand Palais eingestürzt, hätte man die gesamte Modebranche neu aufbauen müssen. Caroline von Hannover, seit ihrem vierzehnten Lebensjahr mit Lagerfeld eng befreundet, mit Tochter Charlotte und Sohn Andrea, Carole Bouquet und auch Brigitte Macron, selbstverständlich Claudia Schiffer, Carla Bruni und Ines de la Fressange. Die Aufzählung könnte endlos weiter geführt werden, fast jeder im Raum begleitete Lagerfeld ein Stück seines Weges und von Jacques Lang, Jacques Grange bis zu Pierre Passebon, viele schon seit seiner frühen Pariser Zeit. Wichtig aber vor allem seine persönlichen Freunde und Lagerfelds Mitarbeiter seit vielen Jahren, ob Sylvia Fendi, Caroline Lebar von Lagerfeld oder die „Chanel-Familie“ aus dem Studio und den Ateliers. Alle waren sie gekommen.

Karl wollte niemals eine Trauerfeier, deshalb sollte an diesem Abend sein Werk, sein Humor, sein Geisteswitz und vor allem seine wahnsinnige breit gefächerte Bildung und allumfassende Gegenwart im Vordergrund stehen. Dazu hatte Carsen auf drei großen Bildschirmen plus einer Bühne, eine Collage aus Interviews und Live-Performances zur Karl-Rolle vereint. Nachdem Anna Wintour das Anfangsstatement sprach, folgten Überraschungsmomente von tiefen persönlichen Eindrücken vieler Weggefährten, die sich bisher nicht zu Wort gemeldet hatten. Auch viele vertraute Gesichter aus Lagerfelds enger Wahlfamilie – Fanny Ardant zitierte Colette und wurde flankiert von einem Reigen aus den Kreationen Lagerfelds, vom Chloé-Gitarren-Kleid, über frühe Fendi Pop-Art Roben und Pelze bis zu Chanel-Looks aus mehr als drei Jahrzehnten. Tilda Swinton rezitierte Auszüge aus Orlando von Virginia Woolf, einem der Romane, den Lagerfeld sehr liebte und mit einer imposanten Fotostrecke illustrierte. Helen Mirren gab Karl Lagerfelds Bonmots zum Besten und Lang Lang spielte Chopin.

Karl Forever at the Grand Palais in Paris on June 20, 2019. Photo by Luc Castel and Julio Piatti

Ergreifend und tief romantisch Lagerfelds Liebe zu lateinamerikanischen Tänzen mit einer wunderbaren Performance von Carlos Gardels „Por una Cabeza“ von 1935, welche er auch schon als Kind in Hamburg im Radio hörte.
Ob bei Fendi, Lagerfeld oder Chanel, jeder, der ein Interview vor Karls großer Bücherwand in der Rue de Lille abgegeben hatte, war beeindruckt von Lagerfelds Eigenschaft sich vollkommen auf sein Gegenüber einzulassen und egal in welchem Bereich faszinierte sein ungeheures Wissen, seine Neugierde und seine Schlagfertigkeit immer und immer wieder auf’s Neue. Seine Facetten schienen grenzenlos zu sein und das in jedem Abschnitt seines Lebens und jeder Zeit, in der er sofort zu Hause war. Die Gabe, sich mit dem Rapper von der Straße genau so unterhalten zu können, wie mit Staatsoberhäuptern, eine Eigenschaft, die er sicherlich, für viele Franzosen befremdlich, seiner norddeutschen Heimat und seinem grandiosen Gerechtigkeitssinn zu verdanken hatte und die, wie ein beflügelndes Zaubermittel, motivierend auf seine gesamte Umgebung wirkte. Was er Tag für Tag gesät hat, trägt jeder weiter tief im Herzen und ist für alle der Schlüssel zur Zukunft.
Pharrell Williams beendete die Live-Performance bevor Karl von der Leinwand aus in einer Collage von bunt gemischten Défilé-Final-Küsschen in die Menge warf – sein symbolisches Tschüss, kein Adieu.
Champagner für alle, denn auch wenn er keinen Alkohol trank, das fröhliche Feiern liebte Karl, um die Menge dabei zu beobachten, wie sie sich amüsierte. Eine schöne Hommage, die nicht auf irgendwelche Vollständigkeit oder elegische Verklärung aus war, sondern die Zukunft einer großen bunt gemischten Familie einläutete, die Lagerfeld auf faszinierende Weise über sein Leben zusammen gebracht hat.
Karl forever – gemacht von seinen Freunden, für alle die ihn immer lieben werden.

Karl forever 2019 Courtesy of Chanel

  • JayKay
    25. Juni 2019 at 14:29

    Danke für den schönen Artikel.

  • Stephanberlin
    27. Juni 2019 at 11:05

    Komisch, die Vorstellung, daß er tot ist!
    Der Text liest sich so, als ob er selbst auf seiner eigenen Party sei…

  • thomash
    27. Juni 2019 at 18:06

    Und mit diesem Bericht waren wir eigentlich alle mit dabei. Sieht aus, klingt und fühlt sich an wie ein besonderer Abend, fürs Leben. Vielen Dank fürs Dabeisein und schöne Davonerzählen.

  • Peter Kempe
    28. Juni 2019 at 06:52

    Danke für euren lieben Response! Stephan, ich finde das auch nicht greifbar, weil er so präsent ist. Sylvia Venturini Fendi hat es an dem Abend gut gesagt und das tröstet mich: Karl kam eh immer zu spät und alle haben auf ihn gewartet vielleicht kommt er ja doch irgendwann noch wieder zur Tür rein.