Eine der angenehmsten Überraschungen der Mailänder Fashion Week war die Kollektion von Rodolfo Paglialunga für Jil Sander. Sie war im positivsten Sinne tragbar – was oft mit normal und simpel verwechselt wird – und „modern sophisticated“. Unaufgeregt, pur, ohne zu puristisch zu sein – so stellt man sich klassische Designergarderobe von einem Label vor, das weiß wo es hingehört.
Bilder: Jil Sander; PR
Unbeirrt vom Hin und Her im Hause Sander hat Rodolfo Paglialunga wie ein Fels in der Brandung seine Position gefunden und scheint seine Linie kontinuierlich durchzuziehen. Obwohl die Grundlinie der schönen Mäntel und der tadellos großzügigen aber körpernahen Jacken und Jacketts genau die Teile sind, die auch die Gründerin so meisterhaft beherrschte, versucht Paglialunga nicht krampfhaft Jil Sander nachzueifern. Auch Raf Simons, der seine eigene Interpretation des „Queen of less“-Stiles zelebrierte, dient nicht als Vorbild. Vielmehr setzt Paglialunga bei Jil Sander tragbare italienische Klassik mit einem Hauch Nineties durch.
Die Entwürfe, die eigentlich für eine Zielgruppe fehlen, die immer noch viel Geld für Businesskleidung und langlebige Klassiker ausgibt und in den meisten Designerkollektionen nicht zu finden ist, werden im nächsten Winter bei Jil Sander vereint.
Bilder: Jil Sander; PR
Auch wenn wir Deutschen immer von Jil Sander als deutsches Label sprechen und die kühle Norddeutsche Heidemarie Jiline Sander als Volkseigentum betrachten, wird das Label weltweit als italienisch wahrgenommen. Das hat zum einen was damit zu tun, dass Jil Sander früh in Milano zeigte und dort auch ihren internationalen Durchbruch erlebte, als Einkäufer aus Amerika, Japan oder Hongkong sie in ihr Sortiment aufnahmen. Bis heute sind die Japaner die treuesten Kunden bei Sander. Zum anderen orientierte sich Sander immer an der lässigen Silhouette eines Armanis und nahm Anleihen der italienischen Schneiderkunst auf. Weitere Einflüsse waren bei Jil Sander die Sportlichkeit eines Calvin Klein, des „American Business Woman“ und der Dekonstruktivismus der Japaner in Paris, die Anfang der Achtziger Jahre die Kleidungssilhouette des klassischen Prêt-à-porter total auf den Kopf stellten.
Bilder: Jil Sander; PR
Aus dieser Inspiration formte damals Jil Sander ihren eigenen, sehr puristischen Stil, der sie zu der „Frau für die Frauen“ und erfolgreiche Geschlechtsgenossinnen zu ihren verbündeten Kunden machte. Treue Anhängerinnen, die Saison für Saison ihre Garderobe ergänzten und ihre Sachen immer neu kombinierten und verfeinerten. Sander perfektionierte ihren Stil und ihre Linie ständig, entwickelte Stoffe und arbeitete mit immer neuen Geweben. Sie lebte vom Weglassen und der Raffinesse der Schnittführung und brachte Männerkleidung in die Damenmode, ohne das es plump oder männlich wirkte. Simpel musste es sein, aber nur oberflächlich – denn eigentlich war keines ihrer Kleidungsstücke „simpel“. In jedem Teil steckten raffinierte Details und gekonnte Weiterentwicklung – etwas, was sich Rodolfo Paglialunga auf die Fahne geschrieben zu haben scheint.
Bilder: Jil Sander; PR
Mein Hauptaugenmerk fiel sofort auf das Doubleface Kaschmir, die texturierte Wolle, die gebrushten Optiken bei den Stoffen und die Mäntel, die wie lässige Kleiderhüllen geschnitten sind. Sehr schön auch die Blazer in komfortabler Passform zu Hosen, die wie gecuttet wirken. Fließende Materialien und das Spiel mit Streifen und Geometrien.
„Geordnet, ungeordnet“ nennt Rodolfo Paglialunga sein Konzept und spricht davon, dass er immer wieder die Präzision in Details brechen will. Die Inspiration der lang gestreckten schmalen Silhouette lieferten ebenso die Streifen sowie die Grafik. Gern verwendet Paglialunga bei Pullovern hochgeschlossene Krägen und Turtleneck, wirft darüber Tuniken und gegürtete Optiken.
Elegant, aber nicht aufgesetzt, ist der Pelzmantel, der über Satinhosen und Pullover geworfen wird. ‚Fließend‘ und ’nonchalant‘ sind die Worte, die perfekt zur Kollektion – Merkmale, die auch durch eine gewisse Zurückhaltung bei den Farben, wie Blautöne, dunkles Grün, Schwarz und Weiß, deutlich wird. Als Tupfer blasses Pink, Gelb und ein wenig Türkis.
Bilder: Jil Sander; PR
Der Sander-Frau der nächsten Saison würde man, wenn man sie in Paris, Mailand oder New York trifft, sofort einen guten Geschmack bescheinigen. Sie ist keine typische Kundin von Céline oder Isabel Marant, sondern eine gestandene Businessfrau, die aber nichts mehr mit den Neunziger Jahren zu tun. Sie macht sich nicht jeden Tag Gedanken darüber, wie sie sich stylen will. Sie zieht sich an – aber für sich selbst. Sie denkt in längeren Rhythmen und nicht in Saisons. Nonchalant und zeitlos könnte auch der Garant für eine Beständigkeit der Marke Jil Sander sein – zumindest ist es ein Ansatz.
Siegmar
9. März 2015 at 11:23eine tolle Kollektion, sehr tragbar trotzdem besonders und sehr modern, Rodolfo Paglialunga zeigt wie man unaufgeregt tolle Mode macht, die auch über eine Saison hinaus trag- u. kombinierbar ist. Das ist sehr Jil Sander, natürlich in einer tollen Interpretation von ihm.
Manfred
9. März 2015 at 12:02Vielleicht liegt es am Hintergrund (grün??) aber es sieht alles sehr blass aus.
Monsieur_Didier
9. März 2015 at 17:41…das läuft bestimmt…
sind ja typische Jil Sander Klassiker bzw. neue Stücke im typischen Jil-Sander-Style…
man sieht die hohe Qualität der Mäntel auf den Bildern, die Mäntel sind wirklich richtig toll,
ABER: …wo bleibt Raf Simons…???
er war so großartig bei dieser Marke, hat alles weiterentwickelt…
leider war er zu hochpreisig und wurde nicht so gut verkauft… 🙁
PeterKempe
9. März 2015 at 18:43Raf Simons fand ich auch super! Aber diese Kollektion gefällt mir, weil sie so tragbar ist …
Gérard
12. März 2015 at 10:36Einfach wunderbar tragbar, wie Peter bereits schrieb, wenngleich für meinen Geschmack einige Silhouetten etwas mutlos wirken und die skulptural bzw. architektonisch Sandersche Schnittführung vermissen lassen.