(Foto: Thomas Kuball)
Das Frankreich für “la mode, création, beauté, charme et les compliments” steht, dafür ist die Grande Nation ja hinreichend bekannt und beliebt.
Ebenso so bekannt ist, dass es hier, neuer dynamischer Präsident hin oder her, an vielen Ecken bröckelt, nicht alles Gold ist was glänzt und selbstverständlich nicht alle Menschen just aus dem Modemagazin gesprungen sind. Darin unterscheidet sich Frankreich nicht von seinen Nachbarstaaten.
Genau für diese Normalität liebe ich dieses Land und seine Bewohner. Es wird allerdings außerhalb des Hexagons geunkt, dass der liebe Gott, als er die Welt und somit auch das schöne Frankreich mit seinen unglaublichen Küstenabschnitten, den Hügeln und Tälern, dem süffigen Wein, seiner köstlichen Küche oder den vielen Sonnenstunden schuf, feststellte, dass dieses Land dem Paradis so zu nahe kommt. Schwups, hat er fix den Franzosen als Gegenpol erschaffen!
Foto: Thomas Kuball
Weder blind, noch naiv, über 35 jahre Franzosen-erfahren, inzwischen seit drei Jahren in und mit Frankreich lebend, ist mir durchaus bewusst, dass das Leben hier genauso hart und schwierig sein kann, wie überall auf der Welt. Dennoch, alles ist gleichzeitig irgendwie leichter, spielerischer und läuft ganz offensichtlich entspannter ab.
Sei es die Apéro-Stunde zum Feierabend oder die Café-Kultur am Morgen, wobei das Wort ‚Kultur‘ hier echt fehl am Platz ist, da einem nicht viel mehr als ein Petit café, Café creme oder ein Allongé angeboten wird, so den Franzosen auf der anderen Seite aber auch die Café-Latte&Co-(Un)Kultur erspart bleibt. Dafür aber die entspannte Art diesen kleinen Moment am Morgen zu genießen, gern lässig an den Comptoir gelehnt, da im Stehen billiger, auch der Franzose muss schließlich sparen.
Foto: Thomas Kuball
Mann, wie Frau, ob in der Stadt oder in der Provinz, sitzt bei einem Café und Croissant zusammen, tauscht sich genauso wie überall sonst auf der Welt über Banalitäten aus, über das normale Tagesgeschehen, das Wetter oder die Männer gern über Autos, und können so gar nicht nachvollziehen, dass man einen Franzosen fährt, wo Deutschland doch so grandiose Autos baut.
Allerdings, ein Thema, was ganz selten bei Mann wie Frau fehlt ist Mode und Trend!
Ob also Männer auf dem Weg ins Büro oder Frauen mit einer Freundin vorm Dienst in ihrer Boutique, alles trifft sich auf einen kleinen Plausch, wenn möglich ganzjährig draußen sitzend, übrigens ohne gleich den Anspruch (an wen auch eigentlich!?!) anzumelden im Tanktop sitzen zu können. Nein, im Winter hat sie den Camelhaar-Mantel geknotet, einen Maison Michel anmutenden Hut auf den gut frisieren Haaren, die Schaftstiefel an den in der Regel wohlgeformten Beinen (ein Phänomen, dass die bewusst lebende Französin generell schlank ist, aber dennoch bei gutem Appetit ist?!? Ah, bien sûr! Keine fünf Café Latte am Tag! Und gesnackt wird hier auch nicht zwischendurch!) oder sie ist dank Zara & Co nach dem neusten Look gekleidet oder zumindest informiert, was gerade in New York, London oder Paris auf den Fashion Weeks gezeigt wurde. Dazu wird in einer Zeitschrift geblättert oder die tägliche “Et Vous”-Style-Beilage der Figaro durchforstet, schließlich möchte man ja auf dem Laufenden sein, was so IN und angesagt ist. Das interessiert die Grande Nation eben, und hier in Frankreich nicht nur eine kleine affektierte over-the-top gekleidete modeinteressierte Runde von Fashion Victimes, nein, hier ebenfalls den Kellner, dem deine Lacoste-Jacke gerade so gut gefällt, oder dein neuer Adidas-Sneaker. Die Kellnerin, ihre Mutter zufälligerweise Schittdirectrice, kennt JEDE Chanel-Modenschau der letzten zehn Saisons, als ob sie auf jedem Défilé selbst anwesend war. Und kommt man von der Fashion Week aus Paris zurück in die Provinz, da fragt einen gleich am nächsten Tag der Kellner aus, was denn so gezeigt wurde und was denn da an Trends so kommt.
Foto: Thomas Kuball
Es geht übrigens selten dabei darum, dass man alles “für selbst” haben möchte, auch steht nicht der Preis oder gar die Unverschämtheit der Unerschwinglichkeit im Vordergrund. Wohl wissend, dass das eine und andere Stück sehr kostspielig, ja unerreichbar ist, das generelle Interesse an Mode und Schönem ist vorhanden und das Bewusstsein, dass es Mode gibt und ein fester Bestandteil des Lebens ist und Freude bereitet. Von niemanden wird Mode kopfschüttelnd als Spleen abgetan. Gleiches gilt übrigens auch für “Luxus”Lebensmittel wie Austern, Foie Gras, Hummer, Champagne, Kaviar & Co.!
Kommt man also zum Beispiel in Paris am Gare de Lyon an, stellt sich in die Taxi-Warteschlange, und bekommt prompt vom Taxieinweiser ein Kompliment, wie gut und elegant man gekleidet ist – ich trage eine x-mal gewaschen April77-Jeans, einen AMI-Blouson, eine Schiebermütze und Peter einen 10Jahre alten Rykiel-Homme-Dufflecoat mit einem Gosha-Rubchinskiy-Sweatshirt darunter, seinen Chanel-Matrosen-Elbsegler auf dem Kopf, dazu wir Beide weiße Trainer – also SEHR elegant!
Der Taxifahrer macht einem ein Kompliment für das schöne Gepäck mit dem man reist.
Oder am Metro-Schaltet, der Mit50ger Carnet-Verkäufer mit Bauchansatz: „Mais Monsieurs, je vous dois de dire, vous êtes habillez très élégant!“
Und der nicht sehr fashion-affin ausschauende Taxi-Chauffeur auf dem Weg zum Grand Palais, fragt wie selbstverständlich “Was Karl Lagerfeld sich wohl dieses Mal wieder hat einfallen lassen?” Er WEISS einfach, dass an diesem Tag Chanel im Grand Palais gezeigt wird.
Es liegt also scheinbar in der DNA der Franzosen, der Fluss der Mode läuft durch ihre Adern, die Nervenspitzen sind einfach sensibilisiert für das, was sich da draußen abspielt und was leider in so vielen anderen Nationen als unnötig und unsinnig mit einem Kopfschütteln abgetan wird.
Schade eigentlich, da Mode doch so viel Spaß machen kann. Noch mehr finde ich persönlich, wenn, wie gerade auf der letzten Sonia-Rykiel-Show gesehen, die Models einander eingeharkt, springend, lachend und fröhlich den Laufsteg hinunter trollen.
Erinnert mich sehr an die 1980er! Ja, wie toll und ich erinnere mich auch noch so gut, denn zu der Zeit hat Mode selbst in Deutschland einer breiten Masse Freude und Frohsinn verbreitet. Also bleibt da ein Funke Hoffnung …
Peterkempe
13. März 2018 at 19:51Der Stellenwert von künstlerischer und kreativer Arbeit ist in diesem Land schon beachtlich. Wäre toll, wenn in Deutschland das genau so anerkannt werden würde, wie wissenschaftliche Arbeit oder die Weiterentwicklung von Technik. Deutschland ist halt ein Industrie und Technik orientiertes Land und weniger dekorativ denkend! Trotzdem gibt es in beiden Ländern glücklicherweise viele Vorteile und eine Mischung daraus macht es. Ich bin sehr dankbar, das ich in Europa leben darf! Empfinde das als großes Privileg.
Horst
14. März 2018 at 10:58Vielen Dank, dass Du uns an „Deinem Frankreich“ teilhaben lässt! <3
vk
15. März 2018 at 00:06„…Mit50ger Carnet-Verkäufer mit Bauchansatz….“ – ist das altersrassismus, body shaming oder bloss sozialromantik?
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stimmungsvoller artikel. bravo. wenngleich mein frankreich natuerlich wechselweise england oder italien ist.
Thomas
24. März 2018 at 11:49@VK
Diese Beschreibung der Person sollte nicht diskriminierend sein, sondern nur die eigentliche, sichtliche Optik des Mannes betonen.
Mir ist immer jemand unmodisches mit Bauchansatz der sich für Mode interessiert lieber, als ein Fashion-Hipster, der nur in den Spielgel schaut. Oups! Ist das jetzt auch wieder eine einen Fehlformulierung?!?
Bin übrigens selbst über 50…