26 Jahre und aus Köln. Wie der Guardian schrieb, klingt Roosevelts aka Marius Laubers Musik so, als könne sie auch „aus L.A. oder Orlando stammen“. Mit seinem gleichnamigen Debutalbum (ab heute erhältlich) liefert er nicht nur eines der Sommeralben dieses Jahres, sondern ist zu allem Überfluss auch noch überaus sympathisch und talentiert. Wir sind also froh, das so etwas aus Köln kommt, haben ihn aber in Berlin getroffen.
Jan Who: First things first: Woher kommt dein Künstlername? Durch ein heimliches Politikstudium?
Marius Lauber: Nein das kommt tatsächlich von einer Veranstaltung. Ein Kumpel hatte mir damals angeboten bei der Partyreihe „Total Confusion“ aufzulegen und es gab noch keinen Künstlernamen, also musste irgendwas her. Wobei ich dir gar nicht mehr genau sagen kann, wo der herkam. Ich weiß nur, dass ich Zweiter Weltkrieg Dokus geschaut habe…
… also doch politisch …
… (lacht) nein nicht unbedingt. Ich weiß nur noch dass der Anruf kam „Du die Plakate sind fertig und die bleiben jetzt so“. Was ich an dem Namen gut fand/finde ist, dass er für eine Person steht und nicht für eine Band.
Ich hab ein Interview aus 2013 gelesen, bei dem du in Neukölln gewohnt hast. Wohnst du dort immer noch?
Ne ich bin tatsächlich wieder nach Köln gezogen.
Aber wieso nur?
(lacht) Ich hab hier ein Studio gefunden, was an sich größer war, besser ausgestattet und in dem ganz coole Leute waren, nur leider wurde das Anfang 2014 geschlossen. Dann wollte ich ursprünglich hier bleiben und was Neues suchen, weil es in Berlin im Prinzip einfacher ist, da hier einfach mehr Platz vorhanden ist als in Köln. Dann aber hab ich bei einem Kumpel in Köln Unterschlupf gefunden und intensiv angefangen, am Album zu arbeiten.
2013 kam nach deiner EP ja nicht gleich das Album und du bist erstmal ne Weile getourt. Warum hat es letztendlich so lange gedauert bis dein Album erscheint?
Das liegt tatsächlich daran, dass man mit einer EP einen ganzen Festivalsommer durchspielen kann. Mittlerweile ist es schon üblich mit einer EP zu touren und damit aufzutreten. Ende 2013 kam ja die EP raus und ging in den Sommer 2014 noch mit rein. Ich glaube 2013 haben wir insgesamt 96 Konzerte gespielt und nach dem Festivalsommer 2014 hab ich dann einen Cut gemacht und ab da am Album gearbeitet. Bis zum Release also knapp 2 Jahre. Der eigentliche Prozess war für mich also eigentlich gar nicht so lang.
„Der deutsche Producer, dessen „listless disco“ auch aus Orlando oder LA kommen könnte.“ hat der Guardian geschrieben. An sich ein super Kompliment, aber findest du es schade dass man immer überrascht ist, das so etwas aus Deutschland kommt, es also den Musikern nicht zutraut?
Ich erlebe es gar nicht soviel im Ausland, dass es besonders hervorgehoben wird, dass man aus Deutschland kommt. Das ist seltsamerweise eher in Deutschland Thema, wenn man als Deutscher Künstler „rausfährt“. Was mich daran ein bißchen nervt, ist diese anscheinend mit der deutschen Mentalität verankerte Tatsache, dass man den eigenen Landmännern nicht zutraut, dass da etwas im Ausland passieren kann. Ich hab mich da neulich mit einem französischen DJ drüber unterhalten. Der meinte er werde ja auch nicht gefragt, warum er jetzt in Brüssel spielt. Also diese Grenzen, die man als Deutscher im Kopf hat, sind irgendwie klarer als das in anderen Ländern der Fall ist.
Wenn wir gerade bei deutschen Acts sind. Wer ist denn da deine größte Inspiration?
Das geht wirklich querbeet. Wer international viel unterwegs ist, wäre DJ Koze. Der hat mich auf der elektronischen Ebene inspiriert. Was der in einem vier Stunden Set musikalisch erzählen kann, dabei trotzdem immer die Kurve kriegt und alles kontextualisieren kann, finde ich schon Wahnsinn. Der spielt manchmal Songs, bei denen man sich fragt: Wie soll das jetzt in den Kontext passen? Ich weiß nicht ob Whitest Boy Alive jetzt als deutsche Band durchgeht, die hatten ja immer gesagt, dass sie aus Berlin kommen. Das war auch so eine Band, die hat mich 2008/2009, als ich noch eher in diesem Indie-Umfeld unterwegs war und in einer eher gitarrenlastigeren Band gespielt habe, beeinflusst. Durch die habe ich gemerkt, dass man auch in einem Bandgefüge ein gewisses Clubgefühl vermitteln kann, was ich ja mehr oder weniger auch mache. Mein Anspruch ist ja auch Beides ein bißchen zu mischen. Ich habe dann angefangen in Köln aufzulegen und wollte die „Clubwelt“ und die „Gitarrenwelt“ auch nicht mehr so strikt trennen und etwas aufmischen. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass es ein Crossover-Album geworden ist.
Und wie bist du in die Elektrowelt reingerutscht?
Das kam als ich nach Köln gezogen bin, wo die Leute, die in Indie-Bands gespielt haben, immer nur in Clubs mit elektronischer Musik gegangen sind. Da begann die Faszination. Es war interessant zu sehen was für eine Dynamik da geschieht, indem man eben nicht nur einen Song spielt, sondern ein ganzes Set von beispielsweise drei Stunden. Bei „Total Confusion“, wo ich mittlerweile als Resident auflege und mein erstes Livekonzert hatte, gibt es die Tradition einen ganzen Abend zu gestalten. Man muss sich mit dem Warm-Up Set absprechen und dieses „über fast zehn Stunden etwas aufbauen“ hatte eine große Magie für mich. Vielleicht war es auch ein bißchen Trotz nach meiner Bandphase zu sagen: „Ich kann das auch allein“.
Das Albumcover ist ja ein bißchen retro und erinnert ein wenig an die 80ies. Eigentlich ja nicht deine Zeit. Wie kam dieser Look denn zu Stande?
Witziger Weise war dieses Motiv eigentlich ein Unfall. Die Bilder wurden eigentlich mit Blitz bzw. so einem Ambilight geshootet. Bei ein paar Bildern hat das nicht funktioniert, aber als wir uns die Bilder angeschaut haben, waren wir uns einig: Das ist doch das Cover! Ich finde das Bild vermittelt ein wohliges Nostalgiegefühl (lacht) und ich bin jemand, der immer euphorische Momente in der Musik schaffen will. Außerdem wollte ich, dass es optisch im Verkaufsregal mit den EP’s zusammenpasst und man auch ohne den Interpreten zu sehen weiß: Das ist Roosevelt.
Man konnte über dein Album auch lesen, dass du in deinen Songs nicht den Exzess feierst.
Kommt jetzt drauf an, was man unter Exzess versteht.
Gehen wir mal vom Negativen aus. Ich hab vor kurzem nämlich von einem Künstler aus London gelesen, der nach Berlin kam, um hier zu sich zu finden, warum auch immer, aber dann im ganzen Partysumpf versackt ist. Du stehst ja oft in Clubs und legst auf. Was ist denn deine aktuelle Einstellung zum Thema Party und Exzess bzw. wie erlebst du das?
Also gerade in Berlin ist das teilweise so, dass eine bestimmte Art von Techno und Elektronik verkauft wird, die man sonst eher in Freizeitparks findet. Es wird eine Idee davon verkauft, die nicht mehr relevant ist, finde ich. Diese Art von Musik zieht natürlich wahnsinnig viele Leute an, Stichwort „Easyjet Kultur“. Ich finde das ist so eine Entwicklung, die am Ziel vorbeiführt. Daher bin ich irgendwie schon froh wieder in Köln zu sein, weil ich den Eindruck habe, da wird mehr Wert darauf gelegt dass Hedonismus ein Teil der Party ist, was es auch sein muss, aber eben nicht der Fokus. Was mir aber auch aufgefallen ist, weil du gerade die aktuelle Art und Weise des Feierns ansprichst, ist die Tatsache, dass der DJ noch immer weiter zum Rockstar wird.
Was du nicht mal cool fändest, wenn es dich selbst betreffen würde?
Na ich sehe mich jetzt auch nicht rein als DJ. Für mich ist ein guter DJ aber ein Sound Engineer. Die Bühne auf einer Party sollte die Tanzfläche sein.
Und nicht der Ort wo der DJ steht…
… Genau. Der DJ muss seinen Job machen. Und das fand ich eben in Köln, wo ich angefangen habe, auch so ehrlich. In guten Clubs geht es darum einen Job zu machen. Das hatte für mich auch immer so etwas wie ein Handwerk zu erlernen, für das du ein ehrliches Feedback bekommst. Und dieses ganze aufgebauschte Amerikanische, was gerade so in der aktuellen DJ-Kultur passiert, gefällt mir nicht so gut. Ich kann, weil du die Gegenfrage gestellt hast, auch verstehen, wenn jemand 17 ist und sich seinen ersten Laptop-Controller kauft. Für den ist es Realität, dass man seinen Track produziert und diesen dann auf einer Bühne mit Pyrotechnik und einem Laptop performt. Aber ich denke ich bin nicht der Einzige, der da die Aussage vermisst.
Dann sag uns doch mal deine aktuellen Top 5, die auf keiner Playlist fehlen dürfen.
Ok, Moment, da muss ich mal auf Spotify schauen.
Ach sehr gut, da kannst du auch gleich Werbung machen. Also Leute – folgt Roosevelt auf Spotify.
(lacht) Ja ich hab da tatsächlich Playlists und man kann mir folgen. Aber ich gebe euch jetzt mal Sachen, die nicht auf meinen Playlists sind. Moment. Also Pavement – „Gold Sounds“, dann Tame Impala – „The less I know the better“
Super Video!
Ja CANADA heißt die Produktionsfirma. Die machen wahnsinnige Sachen. Die haben auch dieses eine Phoenix Video gemacht. Dann gibt es eine Band aus Kanada, Tops – „Way To Be loved“ … D’Angelo – „Really Love“ und jetzt brauchen wir aber noch was Schnelleres. Dann nehmen wir noch Floating Points – „Vacuum Boogie“. Die sind total abgefahren. Die habe ich auf dem MELT Festival gesehen und dann war das erst so Pink Floyd bzw. fast jazzmäßig und alle wollten eigentlich Beats hören und letztendlich waren dann alle total begeistert. Das muss man erstmal schaffen.
Roosevelt‘s Top 5 für Horstson
Pavement – „Gold Sounds“
Tame Impala – „The Less I Know The Better“
Tops – “Way To Be Loved”
D’Angelo – “Really Love”
Floating Points – “Vacuum Boogie”
siegmar
22. August 2016 at 14:32sehr gutes Interview, die Musik gefällt mir, erinnert mich an eine schöne Zeit