(Jan links, Nakhane rechts)
Eine bombastische Stimme irgendwo zwischen männlich und weiblich. Der in London lebende Südafrikaner hat mit seinem zweiten Album „You Will Not Die“ nicht nur sein erstes Album in Europa veröffentlicht. Er hat am Abend seines Konzertes in Berlin auch bewiesen: Ein Ledergeschirr unter einem Blazer ist ohne Weiteres ein bühnentaugliches Outfit. Macht er auf der Bühne noch Witze über Christentum und seine davon geprägte Vergangenheit, schlägt er in unserem Interview ernstere Töne an. Wir haben ihn vor seinem Konzert in Berlin zum Interview getroffen.
JanWho: Schön, dass es dich mal wieder nach Berlin verschlägt. Wie oft warst du schon hier?
Nakhane: Oh danke. Ich glaube es ist mein drittes oder viertes Mal. Das erste Mal war ich für meinen Film (XY) zur Berlinale hier. Danach war ich dann für meine Musik in Berlin. Ich kenne die Stadt noch nicht mal so richtig, was eigentlich schade ist, da eine Menge cooler Musiker hier wohnen.
Das Tolle ist: Endlich erscheint mal ein Album von dir in Deutschland. Dein erstes wurde nämlich ausschließlich in Südafrika veröffentlicht.
Ja, weil es keinen woanders interessiert hat. (lacht)
Wirklich?
Ja wirklich. Also meinen Quellen nach, wobei man ja immer nicht weiß ob das wirklich stimmt, hat keiner so wirklich angebissen und wollte das Album haben.
Aber in Südafrika war es erfolgreich!
Es wurde von den Kritikern gelobt, aber kommerziell war es kein riesen Erfolg. Es hat mir allerdings alle Türen geöffnet, die für mein aktuelles Album notwendig waren. Insofern hatte es etwas Gutes.
Du hast über dein aktuelles Album gesagt, das Motto darauf wäre: „Trauma, but make it Fashion“.
Ja genau. Das ist so ein Zitat von Tyra Banks, bei dem sie im Original sagt: „Hoe, but make it Fashion“. Ich dachte das passt ganz gut. Ich wollte die traumatischen Inhalte der Songs quasi mit der Mode überdecken. Sie sollte mir sozusagen ein wenig Schutz bieten. Du kannst auf die Bühne gehen und sagen: Hey, heute habe ich gute Laune und das wird super. Und dann kriegt dich ein Song und zieht dich runter. Aber genau sowas liebe ich an Live-Auftritten. Es ist aber eben auch Theater auf eine bestimmte Art und Weise, wo man sich ja auch verkleidet.
Deine Stimme ist sehr eigen und androgyn. Ein bisschen wie Tracy Chapman, bei der man nie wusste: Singt da jetzt ein Typ oder eine Frau. Wann bist du dir dieser Stimme bewusst geworden und dem Gedanken, dass daraus etwas werden könnte?
Das wusste ich seit meiner Geburt. Wirklich. Meine Mutter war Gospelsängerin und meine Großmutter hat mir auch Vieles beigebracht. Ich wusste viele technische Dinge wie Stimmlagen (Bariton, Sopran etc.) schon bevor ich sieben Jahre alt war. Und weil alle wichtigen Menschen zu denen ich in meiner Kindheit aufgeschaut habe Frauen waren, wollte ich auch so singen wie sie. Ich denke sie haben meine Stimmlage geprägt. Ich mochte aber schon immer den Sopran im Chor am liebsten. Außerdem singt der Sopran meistens die Melodie und wird von den anderen begleitet. Und ich will immer der Lead sein (lacht). Und diese Stimmlage ist immer sehr melancholisch und ich war ein sehr melancholisches Kind.
Die elektronischen Einflüsse kamen aber erst später in deine Musik, richtig? Du warst ursprünglich eher akustisch unterwegs als du noch in Johannesburg gelebt hast.
Ja richtig. Nur ich, meine Gitarre und meine Gefühle, sehr basic.
Wurde der Sound geändert um auf dem europäischen Markt besser anzukommen bzw. kommerzieller zu werden?
Nicht direkt. Ich habe schon immer elektronische Musik selber gemacht, aber ich konnte mir einfach das Equipment nie leisten. Da waren Akustikgitarren natürlich einfacher und günstiger. Die kannst du im Park spielen und brauchst nicht viel. Im Endeffekt habe ich mir dann irgendwann einen Laptop gekauft und so hat das alles angefangen. Davor bin ich immer zu einem Freund gegangen, der das Equipment hatte und habe da ein paar Sachen aufgenommen und gelernt wie ich Tonspuren verändern und modifizieren kann.
Und der Rest ist Geschichte.
Sozusagen. Aber mein Antrieb ist auch von Album zu Album etwas Neues zu machen, das ich vorher noch nie gemacht habe. Meine Lieblingskünstler haben nämlich auch nie in jedem Album dasselbe gemacht. Ich kann natürlich nicht meine Stimme ändern, aber das Umfeld. Björks Alben zum Beispiel klingen alle anders, aber ihre Stimme bleibt gleich.
Deine Garderobe ändert sich auf jeden Fall sehr oft, denn du bist alles von expressiv bis melancholisch. Verlässt du dich auf dich selbst oder gibt es einen Stylisten?
Ich wähle meine Garderobe tatsächlich selber aus. Es gibt diesen wahnsinnig tollen Designer aus Südafrika namens Rich Mnisi. Ich habe ihm gesagt, ich will für das „Interloper“-Video so ein Shirley Bassey inspiriertes Outfit haben, was fast schon so lächerlich überladen ist, dass es schon nicht mehr lächerlich ist. Ich glaube es gibt nichts Lächerliches da draußen in der Welt. Das einzige was fehlt ist Hingabe. Wenn du etwas trägst oder tust und du tust es mit Hingabe, dann kann es dir scheißegal sein, was die anderen sagen.
Einer meiner Lieblingssongs auf dem Album ist „Fog“. Der Song ist dramatisch, steigert sich ins Unermessliche, um dann am Ende wieder da anzukommen wo er anfing. Was ist die Geschichte dahinter?
Den Song habe ich sehr schnell geschrieben. Es ist ein Song über Depression und wie ich mich im Endeffekt fast wieder daraus befreie. Nebel (Fog) ist aber natürlich undurchsichtig und daher ist das komplette Rauskommen sehr schwierig. Es gibt diese Stelle im Song, an der ich „Come On“ immer wiederhole. Das ist sozusagen ein Zuspruch bzw. Ermutigung zu mir selbst.
Stimmt es, dass dein Albumtitel „You Will Not Die“ aus einem Traum resultiert, in dem dir das Datum deines Todes gesagt wurde?
Ja, das stimmt tatsächlich. Als ich noch streng gläubig war, war ich mir sicher, dass ich in den Himmel komme. Danach allerdings hatte ich wahnsinnige Angst zu sterben. Der Traum hat mir sozusagen Sicherheit gegeben. Das kann natürlich auch Bullshit gewesen sein, aber er hat mich von meiner Angst vor dem Sterben befreit.
Aber macht dir das nicht Angst, zu wissen wann man stirbt?
Nein gar nicht. Ganz ehrlich, ich will gar nicht 80 werden und vor mich hinvegetieren. Ich will mein Leben einfach nur ohne diese großen Ängste leben. Es gibt soviel Angst aktuell und uns wird immer gesagt, vor was wir alles Angst haben sollen. In den Nachrichten …
Überall eigentlich.
Genau überall momentan. In diesen Zeiten positiv zu denken ist revolutionär.
Du hattest es als homosexueller Mann bei den Xhosa nicht leicht und konntest deine Sexualität nicht ausleben. Meinst du es ist immer schwer, Religion und Homosexualität persönlich miteinander zu verbinden?
Das ist eine interessante Frage. Ich hatte diese Diskussion mit mir selbst für knapp 5 Jahre und bin zu dem Schluss gekommen, dass es sehr stark von der Person abhängt. Meine Religion war am Anfang bei weitem nicht so strikt und konservativ wie sie es heute geworden ist. Meiner Mutter hat das Christentum sehr viel Gutes gebracht. Aber ich kann, und ich spreche jetzt nur für mich selbst, meine Wünsche, mein Verlangen etc. nicht mit dem Christentum vereinbaren.
Nochmal kurz zurück zu Johannesburg. Es ist immer noch eine Stadt, vor der viele Menschen zurecht Angst haben, da sie eben doch relativ gefährlich ist. Trotzdem entwickelt sich die kreative Szene dort immer weiter und weiter. Was denkst du ist notwendig, damit die Leute Johannesburg mehr schätzen und sich das Image ändert?
Ich glaube das kommt darauf an, was die Leute von Johannesburg bzw. einer Stadt generell erwarten. Johannesburg ist eine super coole Stadt. Ihr fehlt das, was Kapstadt hat und zwar die wunderschöne Landschaft. Das wollen Leute halt sehen, wenn sie verreisen. Johannesburg gibt dir eine gewisse Edginess und wahre Kunst, was auch immer das sein mag. Es gibt eine Menge Individualität und eine tolle Modeszene dort. Stell dir einfach New York vor, als es noch cool war. Solche Städte sind gefährlich, aber dieses Gefährliche nährt auch die Kreativität ein Stück weit. Manchmal kann nichts mehr die Kreativität blockieren als es Sicherheit und Beständigkeit tun.
Siegmar
15. Juni 2018 at 10:23Klasse Interview
Peterkempe
15. Juni 2018 at 12:12Super Interview und ein toller Kuenstler, den ich nicht kannte und den ich jetzt total auf der Rechnung habe. Danke Jan !