(© Tim Walker für Holland & Holland)
Dass Funktionskleidung nicht hässlich sein muss und das man daraus eine Kollektion machen kann, die eine Lebenseinstellung ausdrückt und als Alternative zu Designerkollektionen mit Verfallsdatum Stil besitzt, beweist jetzt Holland & Holland. Alles an der Geschichte des Traditionsunternehmens ist so britisch wie aus dem Bilderbuch. Auch die Entstehung und das Konzept der Damen- und Männerkollektionen lesen sich wie ein englisch/schottisches Geschichtsbuch. Dabei geht es weniger um Mode als um Teile, die man lebenslang in seiner Garderobe behält und die von begnadeter Qualität und Langlebigkeit geprägt sind.
© Tim Walker für Holland & Holland
Aber alles auf Anfang, denn den Wenigsten wird das 1835 in der Kings Street in London von Harris Holland gegründete Label, das auf den ersten Blick wie Burberry aussieht, etwas sagen. Kein Wunder – mit Mode hat sich das Label auch nicht den guten Ruf erarbeitet. Eigentlich sind es Büchsenmacher, also Hersteller von Jagdflinten, Gewehren und Revolvern, die man zur traditionellen Jagd in der englischen Countryside benötigt. Diese Sportgeräte der feinsten handgemachten Art gehören – nach Maß und individuell hergestellt und mit feinen Ziselierungen versehen – zu den Rolls-Royces unter den Sportwaffen. Hinzu kommen Accessoires für den in England sehr beliebtem Angelsport sowie eigene Jagdanlagen und Wälder in diversen Grafschaften.
© Tim Walker für Holland & Holland
Bei Holland & Holland wird alles in Manufakturen hergestellt und ist „Made in UK“. Die Handwerker, die die Flinten individualisiert herstellen, sitzen in London in ihren Ateliers. Die Kleidung, die man zum Fischen und Jagen trägt, muss in einem Land, wo es überwiegend kälter ist, natürlich aus Tweed, Donegal, Kaschmir oder mit Pelzfutter hergestellt sein. Das ist auch der Grund dafür, dass man überwiegend mit schottischen Webern und Lieferanten zusammenarbeitet und klassische Formen produzieren lässt. Die adelige oder meist sehr wohlhabende Kundschaft will schließlich nicht nur Qualität, sondern trägt im täglichen Leben geschneiderte Kleidung der Savile Row. Mehr noch: In England ist es keine Seltenheit, dass Kleidung vererbt wird.
© Tim Walker für Holland & Holland
Das Unternehmen, das heute in dem Haus residiert, in dem die Queen 1926 geboren wurde, gehört seit 1989 den Gebrüdern Wertheimer, die selbst ihre Jagdausstattung dort bezogen haben. Mitte der Achtziger Jahre beschlossen die Wertheimers, Holland & Holland zu übernehmen. Die Brüder, bis heute alleinige Inhaber von Chanel, konnten das Handwerk erhalten. Heute erfreut sich Holland & Holland bei einer wachsenden Zielgruppe wieder großer Beliebtheit.
Die Bekleidung, die eigentlich mehr als Sport- bzw. Funktionskleidung gesehen wird und eher ein Zusatzsortiment ist, wird natürlich auch immer mehr von Menschen gekauft, die mit Wald, Flur und Jägerei nichts am Hut haben. Der Grund dafür ist simpel: Die wunderbaren schottischen Kaschmirpullover, die Mützen, Kniestrümpfe, die lässigen Tweedhosen und -jacketts sind bestens für das Leben von Klassikfans auf dem Land und in der Stadt geeignet.
© Tim Walker für Holland & Holland
Zu den Kunden von Holland & Holland gehört seit Langem das Supermodel Stella Tennant, Enkelin des 11th Duke of Devonshire und Deborah Mitford, die eine der legendären Mitford-Schwestern war. Wenn Tennant ihre schottische Heimat besucht und mit ihren vier Kindern unterwegs ist, liebt sie die klassische, strapazierfähige Highland-Kleidung. Grobe Sweater oder Hosen, zum Teil aus der Männerkollektion, kreieren einen eigenen Countrystil, in dem sie sich und ihre Freundinnen, wie die ehemalige Vogue-Journalistin Isabella Cawdor, wohlfühlen.
© Tim Walker für Holland & Holland
Cawdor ist mit dem schottischen Adeligen Colin Campbell, 7th Earl Cawdor verheiratet und wohnt gleich um die Ecke von Stella Tennant. Seit Mitte 2016 entwerfen Tennant und Cawdor eine kleine aber feine Kollektion, die Holland & Hollands Klassiker neu interpretieren. Es handelt sich um wenige Looks, die alle ihre Funktion behalten und die anders gemixt werden. Sie werden durch Stoffe aufgepeppt, die sie in schottischen „Mills“, wie in England die Webereien genannt werden, gefunden haben. Die Pullover werden bei Barrie produziert, ein Label, das ebenfalls zu den Paraffections von Chanel gehört. Die meisten Teile sind eher unisex. Für Männer gibt es Norweger, Jacketts, Foulards und dicke Kniestrümpfen mit kleinen „Gaters“. Jagdparkas, Tweedcaps und Entenjäger-Trench sind gleichermaßen für Damen und Herren erdacht.
© Tim Walker für Holland & Holland
Natürlich modeln Tennant und Cawdor und ihre Familien selbst für die Kampagne. Schaut man sich die Looks, die Tim Walker vor eindrucksvoller Kulisse in Szene setzte, an, fällt auf, dass jedes Stück ohne Verfallsdatum zu sein scheint. Eine Wohltat in Zeiten von unendlich schnellen Rhythmen von Saisons und Kollektionen. Sie kreieren einen puren ästhetischen Look, der trotz aller Klassik total zukünftig wirkt.
Die wunderbaren Bilder Tim Walkers und auch der Film machen nicht nur Lust, nach London zu fahren und sich bei Holland & Holland umzuschauen, sondern auch auf das Frühjahr und den Herbst in der schottischen Heide. Wenn Mode keine Mode sein will, sondern traditionell entsteht, macht Klassik plötzlich wieder Spaß. Ich bin total verliebt in die Bilder und in die Sachen, die in jede Garderobe passen und lebenslang gute Begleiter sind. The British way of life vom Feinsten. Well done, Ladies und Holland & Holland!
Elke Kempe
7. November 2016 at 12:02Wunderschöne Klassiker
vk
7. November 2016 at 13:47„Wenn Mode keine Mode sein will, sondern traditionell entsteht, macht Klassik plötzlich wieder Spaß.“
schoener petersatz.
und so wahr
Thomas
7. November 2016 at 14:31Da möchte man doch einfach alles!!!!
PeterKempe
7. November 2016 at 15:05Danke vk, du kennst mich sehr gut und weißt, dass, wenn ich sowas sage, die Zeit dann längst überfällig ist für eine neue Schlichtheit…
Monsieur Didier
7. November 2016 at 23:23…wunderbarer Artikel mit sehr sehr schönen Fotos…
und so wurde es früher oft gemacht: Kleidung wurde vererbt, denn schließlich wandelte sich die Mode so unglaublich viel langsamer als heutzutage
und eingetragen haben z.B. die Schuhe die Bediensteten…
heutzutage eine komische Vorstellung, aber so unglaublich praktisch 🙂
Horst
8. November 2016 at 23:28Sehr toll; insbesondere der Anzug 😀
Ein Königreich dafür ….
vk
9. November 2016 at 15:03zeit fuer eine neue schlichtheit… – ’schlichtheit‘, meint er das wirklich so. dachte ich bei mir, unser geliebter mr. floral scarf.
schlichtheit, peter, tatsaechlich?
worueber ich gestern noch stolperte, wird mir heute dann allumfaenglich gewahr.
lord peter poetry ist nicht nur feinnerviger beobachter, sondern – nicht anders zu erwarten – auch seismograph und visionaer.
wo andere noch nen schluck aus der pulle nehmen, sich froehlich jubelnd – #pantsuitnation – in die naechste kurve legen, da umkommt unsern peter schon ein etwas schlichtes gefuehl.
und mir erscheint heute, am schlichtesten aller schlichten tage, der spass an ornament und oberflaechlichkeit so weit entrueckt, so gruendlich verdorben, wie lange nicht, wie zuletzt als die tuerme fielen, staerker noch.
ist unser romantisches biedermeier, wo wir verzueckt produkten lauschten, nun ueber nacht vorbei?
wird morgen ueberhaupt noch jemand gucci kaufen? wird auch der letzte dandy jetzt die federboa ablegen, sich politisch engagieren um mit hochgekrempelten aermeln zu retten, was zu retten ist?
ich weiss es nicht. ich weiss nur, schlicht macht deutlich wieder sinn. vielleicht nur heute, das bleibt zu hoffen.
PeterKempe
9. November 2016 at 21:40Wow! Danke für das überwältigende Kompliment! Mir geht es so wie dir und genau der Gedanke des untergehenden Biedermeiers schoss mir auch durch den Kopf. Trotzdem sollte man, auch wenn jetzt Ärmel aufkrempeln angesagt ist, das trotzdem dekorativ tun, denn schon der Gegner ist hässlich – da sollte man ihm doch hübsch begegnen.