Das man mich sprachlos erlebt, kommt relativ selten vor. Gestern Abend war so ein Moment, als Karl Lagerfeld auf Schloss Linlithgow am Rande von Schottlands weit abgelegener Metropole Edinburgh seine Pre-Fall 2013 Metiers d’Arts Kollektion PARIS-EDIMBOURG zeigte. Es war so eine der Sternstunden der Mode, die vergessen macht, dass uns die meisten Designer eher bei Wasser und Brot halten, während Karl Lagerfeld für Chanel uns drei Sterne Menüs auftischt.
In dem „Welt am Sonntag“ Interview hat er es gesagt, dass er zweimal lebenslänglich bei Chanel und Fendi hat und mit den Füssen zuerst herausgetragen werden wird – nach der Show gestern Abend kann man nur beten, dass der Vertrag auch danach noch weiterläuft und er die Kollektionen von Wolke sieben aus weitermacht.
Wie ein phantasievolles Kind lässt er die Vision des stolzen Kiltträger-Volkes, seiner Stämme, Traditionen der Tartans und Clans auferstehen. Er transferiert es perfekt in unsere heutige Zeit und man könnte meinen, dass Vivienne Westwood und der Geist von Chanel ihm den Rücken gestärkt haben. Seine Phantasie ist grenzenlos und schon die Konzeption der Location, mit Armeen von Dudelsackspielern, Alleen von brennenden Fackeln und Feuerkörben, lassen an eine Verschwörungort des nach Freiheit dürstenden Volkes denken.
Wie eine Wunderwelt öffnete sich die Schatztruhe des Handwerks: Tweeds, delikate Tartans in dutzendfacher Variation, Argyle Pullover, Fair Isle Muster, Samt, weiße Hemden und Spitzen-Jabots purzeln feuerwerksartig heraus. Chanels englische Periode, als sie mit Bend’Or, dem Herzog von Westminster, leiert war, flackert genauso in Gedanken auf, wie das goldene Zeitalter Englands zur Zeit Elisabeth I. im 16 .Jahrhundert. Unweigerlich denkt man aber auch Christophe Lambert in Highlander oder die Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“. Es riecht förmlich nach schottischer Heide und dem Bukett von Whisky. Rau aber von ungeheurer Raffinesse – das zeichnete die schottischen Textilien immer aus.
Harris Tweeds bekommen bei Chanel eine neue Weiblichkeit und der Bouclé erstrahlt wie zu Mademoiselles Zeiten, als sie den schottischen Weber Linton jede Saison antreten ließ, um ihre Stoffe nach den mitgebrachten Moosen und Blättern passend zur Kollektion einfärben zu lassen.
Denn was in Paris-Edimbourg gezeigt wurde, war genau das, was Lagerfelds tausend Trümpfe im Ärmel für Mademoiselles Haus ausmacht. In der Metiers d’Arts Kollektion werden die gesamten Paraffection-Ateliers in den Vordergrund gestellt und diesmal hatte die meiste Arbeit Chanels langjähriger Partner gleichzeitig die letzte Neuerwerbung, Barrie of Scotland (wir berichteten darüber), zu leisten. Noch nie gab es soviel aufwendigen und so besonders raffinierten Strick in einer Kollektion zu sehen. Capes, in Lagen geschichtete Cardigans und Pullover, Strick-Bonnets, großzügige Schals – „bestrickend“ schön à la Chanel.
Die Frisuren und der bleiche Look des Make-Ups ließen Maria Stuart wieder auferstehen und der von Desrues gefertigte Schmuck war direkt wie aus Francis Drake’s Piraten-Schatztruhe voller Renaissance Pretiosen entsprungen. Details de Luxe, fast auf die Spitze der Perfektion getrieben. Das Auge entdeckt beim Betrachten der Looks immer wieder neue Facetten, die um die Ecke gedachte Zitate aus der Geschichte sind und mit den Augen von heute und durch die Brille Chanels gesehen sind.
Die Kollektion knüpft an die ganz großen Kollektionen der 80er Jahre an, als Lagerfeld sich schon einmal von Chanels englischer Periode und den Dramen William Shakespeares inspirieren ließ. Höhepunkt der Kollektion sind die Abendkleider, die die weiße Lady repräsentieren. Wie Prunkgewänder, die uns von einer Zeit, als England die Welt beherrschte, träumen lassen.
Abschließend sei mir eine rein private Anmerkung erlaubt: Ich verfolge seit dreißig Jahren jede Kollektion von Karl Lagerfeld für Chanel, der in diesem Winter übrigens genau seit dieser Zeit für Chanel entwirft. Es gibt eine Menge Kollektionen, die mir sehr im Gedächnis geblieben sind und mich immer noch begeisterten. Die russische Kollektion gehört genauso dazu, wie die Kollektion mit dem apokalyptischem Dekor. Die Haute Couture Kollektion in diesem Winter brachte schon ziemlich auf den Punkt, was die Quintessenz von Chanel beinhaltet, aber Paris-Edimbourg ist für mich die bezauberndste Kollektion. Meine absoluten Lieblinge sind bei den Accessoires zu finden: die Flachmänner mit den Chanel Emblemen und die Kilttaschen mit Bommeln und Stepp-Flap aus Rinderfell – zusammen mit den derben Boots sind sie einfach umwerfend.
Eins ist sicher: Diese Präsentation wird einen gigantischen Boom von Tweeds, Tartans und Grobstrick in der Konfektion auslösen und Karl Lagerfeld profiliert sich damit mal wieder als wahrer Fashion Magier. Es wird Zeit die Kilts herauszuholen und sich chanelisieren zu lassen, warme Rautenpullis überzuwerfen und in die schottische Heide zu ziehen.
Chanels Highland Highlight ist jetzt schon eine der Key Collections in der Geschichte des Hauses und „pretty amazing“ dazu.
Horst
5. Dezember 2012 at 17:58Die Flachmänner sind der Knüller!! 😀
thomash
5. Dezember 2012 at 18:14aaah, war schon sehr gespannt auf den artikel jede einzelne zeile ein vergnügen zu lesen, bis hin zur letzten 🙂
Ulrike Teterycz
6. Dezember 2012 at 07:37Braveheart! Der Artikel spricht mir aus der tiefsten Seele. Danke!
blomquist
6. Dezember 2012 at 08:23Ganz große LIEBE!
Daisydora
6. Dezember 2012 at 09:44Eine wirklich tolle Kollektion, aus der ich den schwarzen Mantel am liebsten sofort kaufen würde …. ein großes Kompliment auch für die weitere Verjüngung klassischer Chanel Standard. Die Karojacke und der Fransenrock swind absolute Weltklasse. Und, dass mir mal ein Outdfit mit einem Cremefarbenen Zopfpulli gefällt, beweist, wie eloquent diese Moldelle sind. Supertoll 🙂
Horstson » Blog Archiv » Linlithgow Palace – Chanels schottische Mannsbilder
10. Dezember 2012 at 18:40[…] da die Rue Cambon und ihre typischen Elemente ja ein Hort der Weiblichkeit sind. Aber in der Metiers d’Arts Kollektion Paris-Edimbourg ist es Karl Lagerfeld gelungen, Looks für uns Mannsbilder zu machen, die überzeugen. […]
Schottische Nachhaltigkeit – Gentlewoman | Horstson
21. November 2013 at 09:43[…] rückt Schottland wieder in den Fokus der Produzenten. Karl Lagerfeld zeigte nicht nur eine von der Geschichte Schottlands inspirierten Kollektion für Chanel, sondern kaufte auch im Rahmen seiner Paraffection die schottische Strickmanufaktur Barrie auf, um […]