Hermès Männer Frühjahr-Sommer 2021 – Hors-Champ

(Foto: Raffard Roussel)

Als eines der ersten Häuser präsentierte Hermès seine neue Herren Frühjahr-Sommer Kollektion 2021 auf der Pariser Men’s Fashion Week. Natürlich aus uns allen bekannten Gründen nicht wie üblich auf dem Runway, sondern als digitale Live-Performance in Zusammenarbeit mit dem französischen Regisseur Cyril Teste. Der Name der Kollektion: „Hors-Champ“, was übersetzt „Off Screen“ bedeutet.

Foto: Raffard Roussel

Not macht erfinderisch und am nahe liegendsten ist es im Moment, dass man die Schau an einem Ort zeigt, der einem vertraut ist und der gleichzeitig genug Platz bietet, um genügend Abstand zu halten.
Véronique Nichanian entschied sich natürlich nicht für ihr zuhause, aber für einen Ort, an dem sie sich täglich aufhält: Schauplatz dieser Inszenierung ist ein ganz besonderer Ort in Paris Pantin – die Hermès Ateliers, in dessen durch Glasfronten offenen und lichtdurchflutetem Atrium die 18 Looks der Kollektion ihre Bühne fanden. „Hier fühlen wir uns wohl und gelassen, es ist unser Zuhause“, erklärt die Designerin. Dabei wollte sie Optimismus und Leichtigkeit als Signal in einer unruhigen Zeit setzen und entschied sich für eine poetische für das Haus Hermès typische künstlerische Performance, die so etwas wie eine Vereinigung von „Backstage-Dressing-Room“ und Kampagnen-Shooting mit viel Wert auf das Zeigen von Details und Materialien legt.

Choreografiert durch spielerische Kamerafahrten und -einstellungen, dynamische Schnitte und dem Einfangen noch so kleiner Details, gewährte Cyril Teste den Zuschauern einen Blick hinter die Kulissen von Hermès – dem Ort, wo die Kreationen entstehen und auch die Umsetzungen in den Ateliers der Metiers angefertigt und ausprobiert werden.

Die Kollektion sollte aber auch im kompensierten und reduzierten Umfang von 18 Looks der Zeit angepasst sein und auf die durch den Lockdown ausgelösten Wandlungen eingehen. Es geht um Wohlfühlen, Materialluxus und Detailraffinesse und nicht um plakatives repräsentieren. Die Kollektion ist zurückhaltend und zeitlos und gibt ihren Reiz erst beim näheren Hinschauen preis. Die Hermès-typischen Foulard-Drucke sind vergrößerte Details, die sich in sanften Farben und Grafiken den cleanen, reduziert sportiven Looks anpassen. Drawstring-Pants dominieren wie bei Homewear, kommen aber in Popeline und schlichter Piuma-Baumwolle daher.

Klare und reduzierte Formen in erfrischenden Blautönen, puren Steintönen oder Mandel grün. Leichte Materialien schaffen eine Topografie der Sinnlichkeit und Tiefe: Hirschleder, Ziegenleder und technisches Kalbsleder treffen auf wasserabweisendes Plume-Canvas, Baumwolle und Leinen. Neontöne setzen Akzente bei Accessoires und Gürtel bekommen weiche, mit Leder bezogene Schnallen. Alles ist komfortabel und unaufgeregt und rund um die Uhr tragbar.
Für mich sind die Highlights der Strick, der in Kakitönen mit Trompe-l’œil-Effekten und Zweifarbigkeit spielt. Weite Baumwollhosen kombiniert Véronique Nichanian mit wunderschönen Ledersandalen, für die jede Hermès-Sommerkollektion stehen. Canvas-Taschen als leichte Ergänzung der Accessoires und Clemence-Taureau-Leder Weekender stehen für die Leder-Tradition von Hermès.

Véronique Nichanian geht es nicht darum, die Mode zu verändern, sondern eine Garderobe zu ergänzen, die dem Träger über viele Jahre treu und beständig begleitet. Dabei bietet jedes Teil eine Art vertrautes Zuhause, etwas, was zur Zeit jeder zu schätzen lernt. Die Materialien umschmeicheln den Träger mit einer klassischen Lässigkeit. Alle Teile sind in ihrer Schlichtheit kombinierbar und bauen darauf auf, sie immer wieder zu ergänzen. Labels sind bei Véronique Nichanian Fehlanzeige, aber durch die Codes und den kontinuierlichen Stil stets erkennbar. Stil, der nicht aufgeregt sein will, und das ist etwas, das wunderbar in unsere Zeit passt. Denn aufgeregt ist die Welt jeden Tag schon auf’s Neue genug …

Hermès Männer Frühjahr-Sommer 2021 – Hors-Champ