(Bild: © Morgan O’Donovan)
Dass auch bei der Männermode die Neunziger Jahre zurückgekehrt sind, erkennt man nicht nur daran, dass in fast allen Winterkollektionen die Hosen weiter werden. Es macht sich auch dadurch bemerkbar, dass sich viele Designer auf die Tendenzen dieser Zeit berufen. Die einen, weil sie das Jahrzehnt erlebt haben, die jüngeren, weil sie in ihrer Generation sehen, dass vieles, was uns damals neu erschien, in der heutigen Zeit genauso gültig und umsetzbar ist und daraus neue Strömungen entstehen.
Die Raverkultur, Love Parade und Co. haben es Kris Van Assche besonders angetan. Der Designer kreiert daraus für Dior Homme eine komplette Kollektion: „Hardior“.
Bild: © Morgan O’Donovan
Kris Van Assche lieferte mit „Hardior“ in der letzten Woche eine fulminante Winterkollektion ab, die legendäre Raver Sessions und die Elemente und Farben dieser Zeit wieder aufleben ließ. Die Kollektion transferiert den damaligen Zeitgeist mit Witz, Ironie und einem erwachsen gewordenen Image so sehr, dass sogar Karl Lagerfeld, der die Schau aus der ersten Reihe verfolgte, Beifall klatschte.
Der 1976 in Belgien geborene Kris Van Assche fährt bei Christian Dior, seitdem er 2007 Chefdesigner der Dior Homme Linie wurde, seinen sehr eigenen Stil, den er – unabhängig von Tendenzen – seit 10 Jahre durchzieht. Das ist in einer Zeit, in der die Designer immer kürzer für Unternehmen arbeiten, fast eine Sensation. Schaut man sich seinen Werdegang an, ist Van Assche der Designer, der am dichtesten an den Strömungen dran ist, die die Männermode der letzten Dekaden geprägt hat.
Bild: © Morgan O’Donovan
Nach seinem Abschluss im Studienfach ‚Mode‘ erhielt Van Assche 1998, zunächst als Praktikant, eine Stelle als Designassistent bei Hedi Slimane für die völlig neu aufgestellte Men’s Wear bei Yves Saint Laurent in Paris. In wenigen Saisons revolutionierte er all das und zeigte eine bis dahin nicht gesehene Linie. Als Slimane im Jahr 2000 zu Dior Homme wechselte, folgte ihm Van Assche, verließ dann aber vier Jahre später Dior, um sich mit einer eigenen Damenlinie selbstständig zu machen.
2007 kehrte Kris Van Assche zu Dior zurück und wurde nicht nur Chefdesigner. Er wandte sich auch von Slimanes eher rockigem Stil ab und brachte eine neue, pure Klassik mit, die sehr viele Elemente der klassischen Herrenkonfektion – Sakkos, Anzüge, Bundfaltenhosen, Oberhemden – aufweist. Er konzentriert sich auf oftmals schlicht-einfarbige Modelle, in schmalen Größen und modernen Schnitten. 2010 brachte er dann die Dior Homme „Petite Taille“-Kollektion auf den Markt, die sich mit einer Denimkollektion an weibliche Kundinnen der Herrenmarke Dior Homme richtet. Frauen gehören seit der Slimane-Zeit zu den treuesten Fans der schmalen Anzüge und stecken auch ihre Freunde gern in Dior …
Genau diese Klassik verbindet Kris Van Assche auf faszinierende Weise in seiner Herbst/Winter-Kollektion mit den Farben von Warnwesten, Fakefur, hängenden Hosenträgern, Badges und Raver Shirts. Van Assche schlägt den Bogen mit Porträts des Gründers und Sprüchen auf Pullovern wie „They should let us rave“ zu Dior.
Bilder: © Morgan O’Donovan
Kastige Mäntel und wie halb fertig aussehende Chasuble und Capes, Kunstpelzjacken und Krägen sowie „Safety Belt“-Applikationen und Workwear-Anleihen – alles entstanden aus kreativen Improvisationen im Stil der Anfangszeiten des Berliner Clubs „Tresor“.
Natürlich ist 2017 nichts mehr improvisiert, sondern alles auf etabliertes Prêt-à-porter übersetzt, aber die Verbindung mit weinroten Anzügen, Pollock-Allover-Drucken und spacigen Spiegelbrillen ergibt einen eigenwilligen, großartigen Look.
Bilder: Courtesy of Dior Homme
Bilder: Courtesy of Dior Homme
Blousons und Capes in Nylon mit ganzen Techno-Raver-Sessions drauf wirken erstaunlich klassisch – Zeitgeschichte auf Mode übersetzt ist, zumindest bei Dior Homme, weder lächerlich noch gewollt. Plakativ aber nicht Retro – Van Assche lässt eine für die Entwicklung der Popkultur sehr wichtige Zeit aufleben und bietet eine wunderbare zeitgemäße Hommage, die überhaupt nostalgisch wirkt, sondern einem bewusst werden lässt, wie zukünftig die Szene damals war und wie sie unser Denken verändert hat.
Bilder: Courtesy of Dior Homme
Bilder: Courtesy of Dior Homme
Ob belgisches Design oder die Technorevolution – beides Elemente, die Kris Van Assche geprägt haben und ohne die die Entwicklung der Männermode nicht möglich gewesen wäre. „Hardior“ spielt mit Elementen, die man sicherlich kaum Dior Homme zuordnen würde und überzeugt trotzdem durch die geniale Umsetzung von Van Assche. Die Kollektion verjüngt Dior Homme, ohne dabei lächerlich zu wirken und setzt für mich einen der Höhepunkte an Innovation für die Menswear des nächsten Winters.
Bilder: Adrien Dirand
„Let us rave in Dior with Kris Van Assche next Winter please“
Horst
27. Januar 2017 at 10:44Super <3 Haben will man zwar nichts, aber trotzdem ist die Kollektion definitiv ein Highlight!
Siegmar
27. Januar 2017 at 13:00Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, vielleicht weil ich die 90 ziger live erlebt habe.
Junikäfer
29. Januar 2017 at 11:56Phantastisch!
Monsieur Didier
29. Januar 2017 at 12:02…der Zirkus ist in der Stadt…
ich schwanke permanent zwischen amüsiert und schockiert…
oder wie formulierte man es in den 90ern in damals noch gedruckten Kontaktanzeigen:
„…alles kann, nichts muss…“ !